Dienstag, 17. Juli 2012

Defizit- und Inflationsphänomen


Viele politische Entscheidungsträger bestehen darauf, dass die Euro-Krise ausgelöst worden ist, weil einige Länder (v.a. Südeuropa) unverantwortlich gehandelt haben. Mit Ausnahme von Griechenland stimmt die Behauptung nicht. Spanien und Irland hatten am Vorabend der Krise sogar einen Haushaltsüberschuss.

„Die wahre Geschichte ist, dass die Welt heute das Gegenteil einer Staatsschulden-Krise erlebt, wie die sinkenden Finanzierungskosten der öffentlichen Hand darauf hindeuten“, schreibt Joe Weisenthal in einem einfachen, aber vollkommen wirkungsvollen Beitrag in Business Insider.

Was Weisenthal sagt, ist, dass es keine Krise gibt, die durch unverantwortliche öffentliche Kreditaufnahme verursacht wurde.

Es war die übermässige Kreditaufnahme und Kreditvergabe im privaten Sektor, v.a. durch die übermässig-fremdfinanzierten (over-leveraged) Banken im unterregulierten Bankensystem.

Die Staaten haben sich verschulden müssen, um Banken zu retten, weil das Platzen der Spekulationsblase zu einem Rückgang der Produktion und des Steueraufkommens geführt hat. Die Regierungen waren gezwungen, die Schulden des privaten Sektors zu übernehmen, weshalb die Schulden der öffentlichen Hand gestiegen sind. Die grossen Haushaltsdefizite sind heute nicht eine Ursache, sondern eine Folge der Krise.


US-Staatsanleihe (10Jahre) Rendite, Graph: FRED, Fed St. Louis

Paul Krugman ist angesichts der Kommentare zum Artikel erstaunt, wie er in seinem Blog bemerkt. Denn die Kommentatoren sind nicht nur damit einverstanden, sondern sie halten die Idee für verrückt und lachhaft, nahezulegen, dass wir nicht einer unmittelbar drohenden immensen Krise der öffentlichen Verschuldung mit einem Simbabwe-Stil Inflation gegenüberstehen.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hält es für ein interessantes Phänomen. Es ist wahrscheinlich nicht nur ein Produkt der üblichen Propaganda der rechten Seite des politischen Spektrums. Es ist etwas faul an der Defizit- und Inflation-Story, die offenbar im Volk nachhallt, unabhängig davon, wie oft und wie stark das Weltbild in der Praxis scheitert. Die Story erweist sich gegen alle Versuche resistent, dass die Dinge aufgehen müssen, dass alle gleichzeitig nicht weniger ausgeben können als sie einnehmen.

Die Rendite der französischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist heute auf ein Rekordtief gesunken: 2,092%. Die Rendite der österreichischen Staatspapiere mit 2 Jahren Laufzeit ist heute zum ersten Mal in der Geschichte unter die Null Prozent Marke gefallen: -0.012%. In Deutschland notiert die Rendite der Staatspapiere mit vergleichbarer Laufzeit den dritten Tag in Folge im Rekordtief: -0.06%.

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