Dienstag, 3. Juli 2012

Konjunkturspitze, Konjunkturtief und Krise


Es ist ziemlich dumm, wie das Council on Foreign Relations (CFR) Paul Krugman in Sachen Island angreift.

Es geht um Krugmans Vergleich der Entwicklung des realen BIP Islands mit der von Estland, Irland und Lettland seit dem vierten Quartal 2007.

Was das CFR Krugman konkret vorwirft, ist, wie der Träger des Wirtschaftsnobelpreises die wirtschaftliche Performance in Island und den baltischen Staaten misst. Der Vergleich gegenüber dem Vor-Krisen-Höchstwert sei eine Art Betrug, behaupten die CFR-Leute. Warum misst Krugman die BIP-Performance nicht gegenüber dem Tiefstpunkt (Konjunkturtal), wo die baltischen Staaten besser aussehen?

Wirtschaftswissenschaftler studieren Konjunkturzyklen so gut wie seit 90 Jahren und stellen Vergleiche gegenüber der Konjunkturspitze die ganze Zeit, erklärt Krugman in seinem Blog. Vor diesem Hintergrund scheinen die CFR-Leute keine Ahnung davon zu haben.

Die Rezession wird von Ökonomen als eine Periode betrachtet, wo die Volkswirtschaft unter ihr Potenzial fällt. Der natürliche Weg, um eine Erholung zu messen, ist zu sehen, wie der verlorene Boden wieder gewonnen wird.

Zum Beispiel sieht der Vergleich von zwei hypothetischen Ländern wie folgt aus: Es gibt zwei Länder: Land I und Land L.

Beide Länder leiden unter einem schweren wirtschaftlichen Rückschlag. Aber das Land I macht einen besseren Job in Reaktion auf den Schock, sodass die Produktion nur um 10% sinkt, während die Produktion im Land L um 20% einbricht. Dann erholen sich die beiden Länder von dem schweren Abschwung. In dieser Erholung wächst die Produktion (output) im Land L aus dem Konjunkturtief mehr als im Land I. Aber nur, weil das Land L es in erster Linie viel schlimmer gehabt hat. Doch die CFR-Leute sagen jetzt, dass das Land L damit eine Erfolgsgeschichte liefert, nicht das Land I.

Oder ein Beispiel aus der Geschichte: Die US-Wirtschaft ist im Jahr 1934 um 10,9% gewachsen. Der New Deal war ein Erfolg! Oder vielleicht nicht. Das reale BIP liegt nämlich immer noch rund 20% tiefer als das Niveau im Jahr 1929.

Der Vergleich des Verlaufs der Produktion gegenüber der bisherigen Konjunkturspitze ist etwas Offensichtliches, und ganz natürlich. Der Vorschlag von CFR macht daher keinen Sinn.

Krugman verweist in diesem Zusammenhang auf Ryan Avent, der sich kürzlich mit der CFR-Argumentation im Hinblick auf die BIP-Entwicklung der baltischen Staaten seit 2000 befasst hatte. Es geht im Grunde genommen um eine Art von Verwirrung, ja eine Verwechslung des langfristigen Wachstums als Potenzial mit Defiziten unter Potenzial. Island war und ist ein reiches Land. Das Baltikum besteht aus armen Ländern mit Nachholbedarf, was in Sachen Krisen-Geschichte nicht relevant ist, unterstreicht Krugman.

Island war das einzige europäische Land an der Peripherie, welches riesige Kapitalzuflüsse erfahren hat. Dann hat das Land auf die Krise nicht einer grimmigen Entschlossenheit reagiert, an der Euro-Koppelung festzuhalten. Island hat die Währung abgewertet. Der Prozess hat vor Augen geführt, dass die Währungsabwertung viel einfacher ist als „internal devaluation“. Das ist die Hauptsache, die Krugman mit Nachdruck hervorhebt.

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