Montag, 16. Juli 2012

Die personengebundene Wahlpolitik in Amerika


Eine Menge Leute mokieren sich über den jüngsten Fokus der Wahl-Kampagne auf Mitt Romneys persönliche Geschichte, sein Vorleben als Profiteur, auch wenn die Arbeitnehmer dabei den Kürzeren zogen. Sein Geheimnis ist, (a) ob er nach 1999 bei Bain noch im Amt war oder nicht und (b) warum er sich weigert, seine Steuererklärung vor 2010 bekanntzugeben, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Policy and the Personal“) am Montag in NY Times.

Manche Mokierer sind verärgert über die Anregung, dass es sich bei dieser Wahl um „Reiche versus Rest der Gesellschaft“ geht. Und andere prangern die Personalisierung an: warum können wir nicht ledliglich über die Politik diskutieren?

Und keine der beiden Gruppen lebt in der realen Welt, hebt Krugman hervor. Zunächst einmal geht es bei dieser Wahl im Wesentlichen um „Reiche versus Rest der Gesellschaft“.

Was bisher geschah: der ehemalige Präsident George W. Bush hat grosse Steuersenkungen durchgedrückt, zu Gunsten von Bezieher von höchsten Einkommen. Infolgedessen befinden die Steuersätze für die Reichen in Amerka derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit 80 Jahren. Präsident Obama will nun die Steuersenkungen ablaufen lassen. Romney hingegen kündigt weitere grosse Steuersenkungen für die Reichen an.

Realistisch betrachtet würden dieese grossen Steuersenkungen für die Reichen früher oder später durch höhere Steuern und/oder Sozialhilfe-Kürzungen für die Mittelschicht und die Armen ausgeglichen. Es geht also bei dieser Wahl doch um Reiche versus Rest der Gesellschaft, und sie leistet dem Wähler einen Bärendienst, argumentiert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Warum soll die Wahlkampagne in diesem Fall nicht auf diese Grundlage beruhen und Romneys persönliche Geschichte aussen vor lassen? Die Antwort ist: „seien wir realistisch“, betont Krugman. Vielleicht in einer besseren Welt würden wir uns auf die Medien verlassen können, um solche widersprüchliche Behautungen zu sortieren.

Wie kann aber die Obama-Wahlkampagne diesen politischen und medialen Nebel durchbrechen? Indem sie über Romneys persönliche Geschichte  und die Art und Weise, wie die Geschichte mit den Gegebenheiten seiner „Pro-Reich & Anti-Mittelschicht“ politischen Vorschlägen resoniert, kommuniziert.

Somit ist die ganz richtige Anklage, dass Romney historisch tiefe Steuersätze für Reiche sogar noch weiter kürzen will, mit seiner eigenen Bilanz von aussergewöhnlicher Steuerumgehung übereinstimmt, so aussergewöhnlich, dass er offenbar fürchtet, dem Wähler seine Steuererklärung vor 2010 zu zeigen. Die ebenso wahre Anklage, dass er eine Wirtschaftspolitik durchdrückt, die Reichen zu Gute käme, auf Kosten der normalen arbeitenden Amerikaner, verzahnt sich mit der Bain-Bilanz von grossen Gewinnen, auch wenn Arbeitnehmer dabei schwer geschädigt wurden, ein so starker Datensatz, dass Romney versucht, sich von einem Teil davon zu distanzieren. 

Der Punkt ist, über Romneys persönliche Geschichte zu reden, nicht eine Ablenkung vom Wesentlichen der wahlpolitischen Diskussion darstellt, unterstreicht Krugman. Ganz in Gegenteil: in einem politischen und medialen Umfeld, welches für das Wesentliche unausgewogen ist, über Bain und offshore-Konten zu reden, ist der einzige Weg, die realen politischen Fragen in den Mittelpunkt zu bringen. Und wir sollten applaudieren, nicht verurteilen, dass Obama Wahlkampagne Mokierer Paroli bietet.

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