Dienstag, 3. Juli 2012

Was ist vom aktuellen EU-Gipfelbeschluss zu halten?


Alle führenden Politiker Europas scheinen zu erkennen, wie ernst die Probleme im Euroland sind. Die Herstellung einer Lösung ist aber unglaublich schwer, weil die Eurozone vor einer Reihe von ineinander greifenden Problemen steht, schreibt Karl Whelan in einem („Much Ado About Something?“) in Forbes.

Zusammengenommen erfordern diese Probleme politisch umstrittene Beschlüsse, wenn der Euro noch überleben soll. Der an der University of College Dublin lehrende Wirtschaftsprofessor macht vor diesem Hintergrund drei Problembereiche aus: (I) Schulden, (II) Wachstum und (III) Banken.

Zum Schuldenproblem: „Jeder weiss, dass der Euroraum ein Schuldenproblem hat. Was weniger bekannt ist, dass die Staatsquote (Schulden im Verhältnis zum BIP) im Euroraum als Ganzes geringer ist als in den USA und anderen Ländern mit niedrigeren Renditen von Staatsanleihen“, erläutert Whelan. Diese Länder haben aber auch Zugang zu ihren eigenen Zentralbanken, die im Fall einer Krise eingreifen, um Staatsanleihen zu kaufen und einen Zahlungsverzug (default) zu verhindern. Die EZB hingegen kauft direkt keine Staatsanleihen auf, weil es nicht gestattet ist: Es heisst im EZB-Jargon „no monetary financing“.

Zum Wachstumsproblem: Die Schuldenlast in Europas Peripherie würde nicht so schlecht aussehen, wenn die Volkswirtschaften mit einem angemessenen Tempo wachsen würden, sodass die Haushaltsdefizite ohne Austerität fallen könnten. Die Wachstumsentwicklung im Euroraum ist allerdings seit einer langen Zeit schrecklich, unterstreicht Whelan.

Es gibt in den peripheren Volkswirtschaften eine Reihe von Faktoren, die das Wachstum bremsen: (1) sie haben während des Booms an Wettbewerbsfähigkeit verloren, (2) sie haben hohe Leistungsbilanzdefizite, gerade dann, wenn sie Schulden zurückzahlen müssen, und (3) sie können die Währung nicht abwerten und (4) sie verfügen über keinen Spielraum, die Nachfrage via Fiskalpolitik anzukurbeln.

Die europäischen Politiker sprechen immer wieder von „Strukturreformen“, die das Wachstum steigern sollen, aber sie haben in Wirklichkeit keine Vorstellung davon, wie die Reformen die Wirtschaft ankurbeln können, hebt Whelan hervor.

Zum Bankenproblem: Das europäische Bankensystem ist unterkapitalisiert. Während europäische Politiker nicht bereit sind, die Verluste von Gläubigerbanken tragen zu lassen, haben private Investoren kein Interesse daran, in risikoreiche Banken zu investieren, sodass jedes Mitgliedsland im Endeffekt mit der Last der Rekapitalisierung der eigenen Banken selbst ringen muss. Das Ergebnis sind grossflächige Geldabhebungen.

Die meisten Roadplans verweisen daher auf die Möglichkeit der Behandlung der Staatsschulden mit der Einrichtung von Gemeinschaftsinstitutionen (federal risk-sharing): „Die Idee ist jedoch politisch unpopulär“, betont Whelan. Die Regierungen der Länder mit Schuldenproblemen plädieren für gemeinsame Euro-Anleihen, euro-weite Einlagensicherung und Bankenrettungsfonds. Aber sie sind nicht scharf darauf, gemeinsam Verantwortung für die Finanz- und Bankenangelegenheiten zu teilen, argumentiert Whelan. 

Dennoch findet Whelan den Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels „überraschend gut“, weil (a) die Kommunique es akzeptiert, dass es zwingend notwendig ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten zu brechen. Das ist eine entscheidende Erkenntnis. (b) die Aussage legt nahe, dass die gemeinsamen europäischen Fonds, EFSF (früher) und ESM (von jetzt an), ihre Ressourcen für den Ankauf von spanischen und italienischen Staatsanleihen einsetzen und (c) es gibt eine zunehmende Akzeptanz für die Notwendigkeit von Massnahmen, die das Wachstum stimulieren.

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