Mittwoch, 25. Juli 2012

Katastrophale Wirtschaft und rekordtiefe Renditen


Die Renditen der Staatsanleihen fallen im Euro-Raum weiter. In Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden  und Österreich haben die Renditen inzwischen zum Teil auch negative Werte verbucht.

Aber auch ausserhalb des Euro-Raums erreichen die Renditen immer neue Tiefs. Zum Beispiel in Dänemark, Grossbritannien und Schweden. In der Schweiz sind die Geldmarktzinssätze seit einem Jahr negativ. Die letztgenannten Länder verfügen über eigene Landeswährung.

Nun tauchen plötzlich Möchtegern-Experten auf und behaupten, dass es sich dabei um eine Blase handelt. Kaum glaubhaft. Es gibt aber andere Stimmen, wie die z.B. von FT Alphaville. Die FT-Bloggers vertreten seit geraumer Zeit mit aller Intensität die Ansicht, dass die Renditen auf rekordtiefen Niveaus auf einen globalen Mangel an sicheren Anlagen zurückzuführen sind.

Auch der IWF in einem Bericht den Mangel an sicheren Anlagen hervorgehoben. Die Idee, die dahinter steckt, ist, dass die langfristigen Zinsen für die USA, Grossbritannien und jedes andere Land mit eigener Währung, welche keine hohen Schulden in Fremdwährung hätten, die verzweifelte Suche der Investoren nach sicheren Anlagen widerspiegele.


Japan Staatsanleihen (10Jahre) Rendite, Graph: Prof. Paul Krugman

Es mag sein. Aber die Ansicht leuchtet nicht ganz ein. Der wahre Grund ist „disaster economics“, wie Paul Krugman in seinem Blog beschreibt. Das heisst die „katastrophale Wirtschaft“.

Die vorherrschende Story ist einfach: die extrem niedrigen Zinsen und negative Renditen reflektieren die Wahrnehmung am Markt, dass die Wirtschaft für eine lange Zeit depressiv bleibt. Man braucht nur einen Blick auf Japan zu werfen. Das japanische Beispiel zeigt dieses Syndrom, dass es damals eindeutig keinen Mangel an sicheren Anlagen geherrscht hat und nur wenige Menschen sprachen über einer Katastrophe sprachen.

Die Suche nach sicheren Anlagen ist sekundär, erklärt Krugman. Der Hauptgrund ist, da die grossen Volkswirtschaften für eine lange Zeit depressiv bleiben dürften, dass daher auch die kurzfristigen Zinsen für eine lange Zeit niedrig bleiben werden, was bedeutet, dass die langfristigen Zinsen, weil sie ja vorwiegend durch die kurzfristigen Zinsen reflektiert werden, derzeit niedrig verlaufen.

In Japan war es eine ausserordentlich lange Zeit, wo die niedrigen Renditen verharrten. Im Übrigen trotz Japans Herabstufung durch die Rating-Agenturen. Was die japanische Erfahrung lehrt, ist, dass die mangelhafte Versorgung mit sicheren Anlagen, zum Beispiel im Jahr 2005, als die Investoren an die Tugenden von „toxic waste“ glaubten, keine Rolle gespielt zu haben scheint. Der entscheidende Punkt ist laut Krugman, dass diejenigen, die damals japanische Staatspapiere kauften, eine Menge Geld verdient hatten, weil die kurzfristigen Zinsen nahe Null lagen.

Gavyn Davies vertritt in einem lesenswerten Artikel („Bond yields and disaster risk premia“) in FT, dass es sich bei den ausserordentlich niedrigen Renditen der Staatsanleihen weder um eine Blase am Anleihemarkt noch um einen Mangel an sicheren Anlagen handelt.

Gavyn deutet darauf hin, dass das Term Premium in den vergangenen 18 Monaten um 100-150 Basispunkte gefallen ist. Er bezeichnet es als „economic disaster risk premium“, was in den Anleihemärkten von Investoren eingepreist werde, dass die Chancen von sehr tiefen Rezession viel grösser seien als bisher angenommen.

Gavyn erklärt die niedrigen Renditen daher mit der Wahrnehmung der Wahrscheinlichkeit einer wirtschaftlichen Katastrophe (definiert als ein Rückgang des realen BIP um 10%) durch die Investoren. Das Erscheinen eines „disaster risk“ erhöht die Wahrscheinlichkeit eines „tail event“, d.h. eines Ereignisses mit einer sehr geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit, aber mit einer sehr grossen Schadenshöhe.

Fazit: Die gegenwärtige Lage am Anleihemarkt (sprich: ausserordentlich niedrige und zum Teil negative Rendite für Staatsanleihen) hat mit einer „Bond-Blase“ nichts zu tun. Es geht auch nicht um einen „Mangel an sicheren Anlagen“. Der Grund ist „katastrophale Wirtschaft“, bzw. das von Investoren wahrgenommene „disaster risk“, dass die depressive Wirtschaft für eine lange Zeit anhalten dürfte.

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