Donnerstag, 19. Juli 2012

Negative Renditen und Currency Wars


Deutschland hat gestern eine zweijährige Schatzanweisung in Höhe von 4,17 Mrd. Euro für eine negative Rendite von -0,06% verkauft.

Der Bund hat neulich auch Papiere mit 6 Monaten Laufzeit für eine negative Rendite begeben. Damit hat sich zum ersten Mal auf einer Auktion für die mittelfristige Mittelaufnahme eine negative Rendite ergeben.

Anleger scheinen bereit zu sein, als Gegenleistung für das Privileg, an Deutschland Kredit verleihen zu dürfen, einen garantierten Verlust zu akzeptieren, berichtet Reuters in einem lesenswerten Artikel. Das heisst, dass die Anleger davon ausgehen, dass der Nennwert am Ende der Laufzeit ausbezahlt werde, komme da, was wolle, auch wenn dafür jetzt eine Art Gebühr erhoben werde.

Heute Morgen sehen die Renditen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve in Deutschland wie folgt aus. Hauptsächlich von Minuswerten geprägt:

3 Monate: 0.0%,
6 Monate: -0.02%,
1 Jahr: -0.016%,
2 Jahre: -0.058%,
3 Jahre: -0.013%.

Bemerkenswert ist aber, dass das Ergebnis der Versteigerung der zweijährigen Schatzanweisung in Deutschland einen weiteren Meilenstein im Zusammenbruch der Renditen quer durch den Euro-Raum kennzeichnet.

Die Schuldtitel weisen in den Niederlanden und Finnland bis in die Laufzeit von Mitte 2014 negative Renditen aus. Die französischen Staatspapiere sind am kurzen Ende der Ertragskurve bereits seit einer Woche im Minus. Auch die belgischen kurzfristigen Wechselverbindlichkeiten werden seit Dienstag mit einer negativen gehandelt. Die Zinsen am Schweizer Geldmarkt sind seit einem Jahr negativ.

Viele Investoren sehen den Erfolg im heutigen, depressiven Marktumfeld darin, Verluste zu vermeiden, nicht darin, dass sie versuchen, Gewinne zu machen. Die Eckpfeile sind daher Sicherheit und Liquidität und es gilt der Grundsatz, dass Komplexitität der Feind der Transparenz ist und die Einfachheit das Kennzeichen für das Vertrauen.

Welche Auswirkungen ergeben sich aber daraus? Auf lange Sicht sind sicherlich die alternde Bevölkerung und das Sparverhalten davon betroffen. Worauf es ankommt, sind die realen Erträge im Verhältnis zu Löhnen. Die Lohnstagnation dürfte dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Auf kurze Sicht gibt es Auswirkungen auf die Devisenmärkte, was z.B. Carry Trade Geschäfte betrifft. Das 2-Jahres-Zinsgefälle (Japan minus Deutschland) hat sich am kurzen Ende ausgeweitet, wie Sober Look hervorhebt. Das heisst, dass einige Investoren jetzt „long yen-short euro“ Positionen einnehmen. Der Yen wird gegen den Euro hochgetrieben. Der Euro/Yen Wechselkurs hat gestern einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Das würde dem deutschen Exportgeschäft zu Gute kommen, und zwar auf Kosten von Japan. Das ist eine bemerkenswerte Implikation der Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität durch die EZB. So wie es bisher aussieht, dürfte Deutschland davon am meisten profitieren, weil die Währungsabwertung die deutsche Wettbewerbsfähigkeit verstärken wird. Ob es die Absicht der EZB war oder nicht, mag dahin gestellt sein. Aber es war kein Zufall, dass die eine Überschrift eines jüngesten Eintrags in diesem Blog lautete: Currency Wars: EZB versus SNB.

EZB-Präsident Mario Draghi hat auf der Pressekonferenz am 5. Juli auf die Frage, ob das EZB-Direktorium negative Zinsen in Abwägung ziehe, v.a. nachdem es den Zinssatz für Einlagafazilität von 0,25% auf 0,00% gesenkt hat, gesagt, dass negative Zinssätze zu den ausserordentlichen Massnahmen der Zentralbank gehören. Das EZB-Direktorium habe aber bisher über negative Nominalzinsen nicht diskutiert.

Zur Erinnerung: Am gleichen Tag hat die Zentralbank Dänemarks den Zinssatz für CD offiziell auf minus 0,2% festgelegt.

Die Frage ist, welche Rolle die Deflation im Euro-Raum insgesamt spielen wird, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kassehaltung bei einer negativen Inflationsrate und einem Nominalzins von Null Prozent ein positiver Realzins bedeutet. Was den Kollateralschaden betrifft, könnte die wachsende Nachfrage nach Bargeld (cash) so weit kommen, dass die normalen Bankeinlagen durch Schliessfächer (safety deposit boxes) ersetzt werden, was sicherlich eine negative Auswirkung auf die Bilanz der Banken hätte. Der IWF hat vor diesem Hintergrund gestern erstmals vor einer Deflationsgefahr im Euroland gewarnt.

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