Montag, 30. Juli 2012

Internal Devaluation und Inflation im Euroraum


(Nur für Streber)

Paul Krugman schreibt in seinem Blog seit einer geraumer Zeit, warum es im Euroraum vorübergehend einer etwas höheren Inflation bedarf, um die Probleme anzupacken.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hatte bereits vor einem Jahr deutlich davor gewarnt, dass das Catering der EZB, dem deutschen Wunsch für niedrige Inflationsrate zu entsprechen, sehr zu Lasten der Peripherie gehe, wo die Probleme unlösbar werden.

Man stelle sich zwei Szenarien vor: im Szenario A hat Deutschland eine Inflation von 2% und Spanien hat eine Deflation von 2%. Dies impliziert eine allgemeine Inflationsrate in der Eurozone von 1%. Im Szenario B hat Deutschland eine Inflation von 4% und Spanien hat null Prozent Inflation. Dies impliziert eine allgemeine Inflationsrate von 3% in der Eurozone.

Man beachte dabei die Annahmen: (1) Die deutsche Wirtschaft ist 3x so gross wie die spanische Wirtschaft, sodass Deutschlands Inflation ¾ der allgemeinen Inflationsrate in der Eurozone ausmacht, während Spaniens Inflation ¼ davon beträgt. (2) In der Vergangenheit sind die Löhne und Preise in Spanien um 20% (logarithmisch) stärker gestiegen als in Deutschland.

Das Ziel ist nun, die relativen Preise und Löhne im Lauf von 5 Jahren in Einklang zu bringen. Wie kann das geschehen? Eine Möglichkeit ist, dass die Inflation in Deutschland in diesem Zeitraum um 4% höher steigt als in Spanien.

Heute liefert Krugman in seinem Blog ein kleines stilisiertes Modell in Verbindung mit der Inflaton und des Anpassungsproblems der Geldpolitik für die gesamte Eurozone. Das Ziel ist, das ganze Geschehen ins makroökonomische Licht zu rücken, damit die gegenwärtige Problematik besser verständlich wird.


Ein kleines stilisiertes Modell für den gesamtwirtschaftlichen Angebot-Nachfrage-Rahmen, Graph 1: Prof. Paul Krugman

AD: gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve, AS: gesamtwirtschaftliche Angebotskurve

Man stelle sich jetzt einen Währungsraum (currency area) mit nur zwei Ländern vor: Spanien und Deutschland.

Auf der Nachfrage-Seite:

Krugman trifft zwei Annahmen: (1) Die EZB kann das nominelle BIP steuern, für den ganzen Euroraum. Es ist eine sehr problematische Annahme, v.a. wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt. Es ist aber vorteilhaft, das nominelle BIP als „proxy“ für das gesamte Spektrum der möglichen expansiven Wirtschaftspolitik der EZB zu verwenden.

Die Annahme bedeutet, dass Py=Y ist, wobei P das Preisnniveau, y das reale BIP und Y das nominelle BIP darstellen.

(2) Cobb-Douglas Produktionsfunktion: Das heisst, dass ein fester Anteil der Gesamtausgaben auf Spanien und Deutschland entfallen. Das muss nicht sein. Aber es bedeutet, dass die individuellen AD-Kurven der Länder diesen festen Anteil an Gesamtausgaben widerspiegeln.

Auf der Angebot-Seite:

Krugman nimmt an, dass die Preise nach oben flexibel sind, nach unten aber nicht, wegen der starren Nominallöhne (nominal wage rigidity), sodass die AS-Kurve in jedem Land die Form eines umgekehrten L hat.

Und das Modell sieht dann wie folgt aus.


Ein kleines stilisiertes Modell für den gesamtwirtschaftlichen Angebot-Nachfrage-Rahmen, Graph 2: Prof. Paul Krugman

Spaniens Wirtschaft ist in einer tiefen Depression, während Deutschlands Wirtschaft sich nahe Vollbeschäftigung befindet.

Wie kann Spanien Vollbeschäftigung wiederherstellen? Die gegenwärtige EU-Strategie ist: „internal devaluation“, was bedeutet, dass Spanien die Löhne radikal kürzen muss, um an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. Es sieht durch die Verschiebung der spanischen AS-Kurve (rot) nach unten dargestellt.

Das Problem mit dieser Strategie ist zweifach: es ist wirklich sehr schwer, Lohnkürzungen herbeizuführen, und die Deflation in Spanien verschlimmert das Problem, wegen Überhang an Schulden.

Was ist die Alternative?

Eine aggressiv expansive Geldpolitik, welche die AD-Kurve in beiden Ländern nach rechts verschiebt. Das führt dazu, dass in Spanien (a) die Produktion, (b) die Beschäftigung wachsen, und in Deutschland (c) die Inflation steigt.


Ein kleines stilisiertes Modell für den gesamtwirtschaftlichen Angebot-Nachfrage-Rahmen, Graph 3: Prof. Paul Krugman


Es bedeutet also ein Anstieg des Preisniveaus im Euroraum, wegen der Asymmetrie zwischen den Auswirkungen der hohen Nachfrage und der niedrigen Nachfrage im Angesichts der starren Nominallöhne (wage stickiness).

In der Praxis würden sich diese Entwicklungen selbst abspielen, legt Krugman überzeugt dar. Dem Pfad der Nachfrage zu folgen, bedeutet, dass die EZB vorübergehend eine höhere Inflation zulassen müsste.

Der Unterschied zwischen zwei Strategien zeigt, welche eine schlechte Idee es ist, wenn die EZB sich ausschliesslich am Mandat Preisstabilität orientiert, ohne die Realwirtschaft zu berücksichtigen. 

Fazit: Das Ergebnis des Modells steht auf keinen Fall im Widerspruch mit der Argumentation, die Krugman in seinem Blog bisher vorgetragen hat. Es ist trivial, aber es legt nahe, dass die EZB einen Weg finden muss, den Fesseln der Preisstabilität zu entkommen.

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