Sonntag, 1. Juli 2012

Makroökonomie und Trick der politischen Mitte


(Nur für Streber)

Es gibt in den USA einige selbsternannte „zentristische“ Kolumnisten, die seit geraumer Zeit nach einer Lösung der wirtschaftspolitischen Probleme nach dem Standpunkt des politischen Spektrums, der zwischen links und rechts liegt, aufrufen. Was sie nicht wahrnehmen wollen, ist, dass Barack Obama genau diese Position vertritt. Dennoch hören die Kommentatoren damit nicht auf, permanent nach einer dritten Partei zu rufen.

Das Fatale daran ist, dass die zentristischen Experten alle Ökonomen (Salzwasser oder Süsswasser) über einen Kamm scheren, ohne genau zu beobachten, welche Ökonomen welche Konzepte im Hinblick auf die gegenwärtige Krise bieten und geboten haben.

Was nicht vergessen werden darf, ist die Tatsache, dass es Ökonomen gibt, die es einfach nicht akzeptieren können, dass es auf die Geldpolitik ankommt, und daher sich damit verdammt schwer tun, dass der Staat (durch die Zentralbank) eine wichtige Rolle spielen kann, um die Wirtschaft zu „leiten“.

Die Schwierigkeiten mit Makroökonomie ist zumeist politisch, betont Paul Krugman in seinem Blog vor diesem Hintergrund mit dem Hinweis auf einen aktuellen Blog-Eintrag („What microeconomists think about macoreconomics“) von Simon Wren-Lewis.

Das Meiste des Problems kommt aus der rechten Seite des politischen Spektrums, erklärt Krugman. Die Probleme in Makro sind in der Tat ein Symptom des breiten politischen Kriegs: viele von denen, die den Konflikt innerhalb von Makro beklagen, ohne sich um die wahren Quellen des Konflikts zu kümmern, spielen dieselbe nutzlose Rolle, die von fanatischen Zentristen gespielt wird. PS: „fanatische Zentrist“ ist hierbei nicht ein Oxymoron.

Krugman nennt das Ganze „Trick der Mitte“ (centrist dodge). Es sieht so aus: ein seriöser Experte erklärt, dass die USA einen politischen Leader brauchen, der bereit ist, zuzugeben, dass die Wirtschaft kurzfristige Impulse benötigt und aber zugleich auch die langfristigen Haushaltsdefizite angegangen werden müssen und die Bewältigung des langfristigen Defizits Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen erfordert. Und der Experte behauptet, dass beide Parteien in dieser Hinsicht versagen und daher zu tadeln seien, weil es eben an so einem Leader fehle.

Was der Experte weigert, ist, um seine zentristischen Referenzen nicht in Gefahr zu bringen, zuzugeben, dass die Position, die er beschreibt, genau der Position von Barack Obama entspricht, unterstreicht Krugman.

Das makroökonomische Pendant sieht wie folgt aus: ein betroffener Schriftsteller oder ein Redner über die Wirtschaft beklagt den Zustand der gegenwärtigen Situation und argumentiert, dass wir wirklich Makroökonomen brauchen, die bereit sind, sich einem Ansatz mit einem offenen Geist zu nähern und ihre Meinung zu ändern, wenn die Anzeichen ihre Modelle nicht unterstützen. Die Schlussfolgerungen sollen m.a.W. mit der Schelte des makroökonomischen Berufs im Allgemeinen erfolgen, was laut Krugman eine sicherlich nette Sache ist zu tun, aber das Ganze im Endeffekt die absichtliche Ignorierung der wahren Natur des Problems bedeute.

Es ist nicht schwer, aufgeschlossene Makroökonomen zu finden, die auf Anzeichen reagieren. Es sind Keynesianer und/oder Salzwasser-Ökonomen, legt Krugman dar.

Wären die Keynesianer bereit gewesen, ihre Meinung drastisch zu ändern, wenn die Erfahrung der weltweiten Finanzkrise eine solche Änderung geboten hätte? Krugman denkt so, aber wir werden es sicherlich nie wissen, weil die grundlegende keynesianische Sicht in der Krise in der Tat sehr gut funktioniert ist.

Es gibt aber noch die andere Seite: Süsswasser Ökonomen, mehr oder weniger die klassische Makroökonomie.

Die Ereignisse der jüngsten Zeit waren für diese Sicht der Welt ein empirisches Debakel nach dem anderen, was v.a. die Zinssätze, die Inflation und die Auswirkungen der fiskalischen Kontraktion betrifft. Die Wahrheit ist aber, dass die Süsswasser-Makro emprische Teste für Jahrzehnte nicht bestanden hat. Überall, wo man hinschaut, gibt es Anomalien, sodass die Süsswasser-Ökonomen ihre Annahmen hätten hinterfragen müssen: von der Abwesenheit des Technologie-Schocks, was die Konjunkturzyklen hätte antreiben sollen, bis zu dem Beweis der Wirksamkeit der Geldpolitik und zu der nahezu perfekten Korrelation von nominalen und realen Wechselkursen, erläutert Krugman.

Aber anstatt ihre Annahmen zu hinterfragen, kehren die Süsswasser-Ökonomen den Beweisen den Rücken. Und sie kalibrieren obendrauf ihre Modelle anstatt sie zu testen und sie lehnen es ab, sogar über die alternative Ansicht zu lehren.

Es gibt also ein Problem in Makroökonomie: es ist im Grunde genommen politisch und es kommt in erster Linie, nicht ganz, aber hauptsächlich aus einer Seite des politischen Spektrums. Doch diese Wahrheit ist genau das, was die Kritiker nicht anerkennen wollen, weil es ihre komfortable Position in Gefahr bringen würde, alle gleichermassen zu beschimpfen. Es ist kurz gesagt der „Trick der Mitte“, welcher im Konflikt innerhalb der Wirtschaftswissenschaften mitverschleppt wird.

Brauchen wir eine bessere Makroökonomie? Ja, in der Tat. Aber wir brauchen auch bessere Kritiker, die bereit sind, das Risiko der Parteinahme einzugehen, für eine gute Wirtschaft und gegen Dogmatismus, fasst Krugman als Fazit zusammen.

Mark Thoma fügt dazu in seinem Blog hinzu, dass er den Begriff „centrist dodge“ eher als ideologisch bezeichne als politisch. Unabhängig davon, was passiert, gibt es Ökonomen, die ein Modell einfach nicht akzeptieren werden, welches impliziert, dass der Staat durch die Geld- und Fiskalpolitik etwas Guten tun kann. Und diese Ökonomen werden immer hart daran arbeiten, alternative Modelle zu bauen, die die Rolle des Staates nicht zulassen, erklärt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor.

Es gibt wenig Widerstand gegen die Geldpolitik. Der Beweis ist schwer zu leugnen, dass einige dieser Ökonomen zugeben, dass die Geldpolitik auf die Wirtschaft positiv wirken kann, solange die Fed eine unabhängige Körperschaft bleibt. Aber die Fiskalpolitik stösst auf Widerstand, unabhängig von theoretischen und empirischen Belegen. Sie haben ihre ideologische und politische Ansichten und jedes Model, das damit im Widerspruch steht, daher falsch sein muss, schildert Thoma.

Bemerkenswert ist, dass der junge Ökonom Noahpinion sich angesprochen fühlt. „Ich hoffe, dass Krugman nicht über mich redet“, schreibt er in seinem Blog.

Denn Noahpinion hatte kürzlich zum Ausdruck gebracht, dass das Grundproblem hierbei ist, dass die Makroökonomie über keine allgemein vereinbarten Kriterien für die Falsifizierung der Hypothesen zu haben scheine. Seiner Meinung nach ist die Makroökonomie eine „Wissenschaft“ ohne Falsifikation. Mit anderen Worten ist Makro kaum eine Wissenschaft überhaupt. Das gebildete Publikum wisse das. Und das sei auch der Grund, warum das Ansehen von Makro leide. Die Lösung für die Makroökonomen sei daher (a) ihre Unwissenheit öfters zuzugeben, wie Greg Mankiw und John Cochrane dies beispielhaft tun, und (b) nach besseren Wegen zu suchen, die Makro-Theorien zu falsifizieren, und zwar in einer überzeugenden Art und Weise.

Krugman vertritt hingegen die Meinung, dass es gute makroökonomische Beweise gibt und der Grund, warum manche Leute es nicht einsehen wollen, ist, weil sie politisch Konservative sind.
Ich halte zu Krugman.

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