Der
anmassend artikulierte Aufruf der 160 Mainstream-Ökonomen in Deutschland, die jüngsten
EU-Beschlüssen zur Lösung der Euro-Krise zu protestieren, erntet inzwischen viel
Kritik und Kopfschütteln.
Paul De Grauwe ist entsetzt. Dieser Aufruf ist eine Schande,
bemerkt der zur Zeit an der LSE in
London lehrende Wirtschaftsprofessor in seinem Tweet: „Wie viele von ihnen hat gegen
das Rettungspaket der deutschen Regierung für deutsche Banken protestiert“.
Peter Bofinger bezeichnet den Protest-Aufruf das
schlimmste Stammtisch-Ökonomie. „Deutsche Ökonomen sind gut im Jammern. Das ist
aber in der aktuellen Lage absolut kontraproduktiv“, legt der an der Uni Würzburg lehrende
Wirtschaftsprofessor dar.
Da
der latent nationalistisch geprägte Inhalt aus makroökonomischer Sicht von Olaf
Storbeck im Handelsblog angemessen widerlegt wurde, bedarf
es keines weiteren, besonderen Kommentars. Storbeck hat zudem auch „die zwei Versionen des Aufrufs“ gegeneinander verglichen.
Es
ist jedoch bemerkenswert, dass die deutschen Inflationsfalken wie Hans-Werner Sinn und Axel Weber, die heute die Vorschläge
von Paul Krugman zur Lösung der
Euro-Krise vehement ablehnen, zwischen 2000 und 2005 selbst dafür plädierten, etwas
höhere Inflation in anderen EU-Ländern zuzulassen, damit Deutschland nicht in
Deflation abrutscht.
Krugman legt nahe, zur Lösung der
Euro-Krise mittelfristig eine moderate Inflation von 3 bis 4% zuzulassen, damit
Südeuorpa keine kostspielige Deflation aufgebürdert wird. Sinn und Weber weisen
Lösungsvorschläge à la Keynes vehement ab.
Dabei
waren es Sinn und Weber, wie Mark Dittli im Blog Never Mind The Markets auf
zwei Forschungsarbeiten verweist, die zwischen 2000 (Sinn: „The Minimum Inflation Rate For Euroland“) und 2005 (Weber: „Price Stability, Inflation Convergence and Diversity in EMU: Does One
Size Fit All?“) selbst vorschlugen, dass einige Länder in Europa etwas
höhere Inflation in Kauf nehmen müssten, damit Deutschland im Sog der geplatzten
High-Tech-Spekulationsblase nicht in eine Deflation
abrutsche.
Weber
hält in dem Paper als Fazit fest, dass die Währungsbehörden wegen der zeitweise
hohen Inflationsraten nicht allzu besorgt zu sein brauchen.
Sinn
hält in dem Paper als Fazit fest, dass die EZB in etwa einen zusätzlichen
Prozentpunkt der gesamten Inflation darüber hinaus tolerieren soll, was allein
für Deutschland als angemessen gilt.
Richard Koo hatte vor rund drei Wochen die Problematik der Lücke der Wettbewerbsfähigkeit im
Euro-Raum thematisiert und erklärt, dass es die EZB war, die nach dem Platzen der High-Tech-Blase 2000 eine
aussergewöhnlich lockere Geldpolitik an den Tag legte, um die in das High-Tech-Desaster
schwer involvierte deutsche Wirtschaft zu stützen, weil Deutschland eine
expansive Fiskalpolitik ablehnte.
Die
expansive Geldpolitik hat damals vor allem an der Peripherie der EU einen Boom
ausgelöst, mit der Folge, dass die Länder sich hochverschuldeten, um immer mehr
Importe aus Deutschland zu finanzieren. Südeuropa war damals laut Koo nicht in
die IT-Bubble involviert. Der zu lockere geldpolitische Kurs der EZB hat aber
an der EU-Peripherie die wirtschaftliche Expanison angeheizt und eine
Immobilienblase gefüttert.
Die
Löhne und die Preise sind in Südeuropa derart kräftig gestiegen, dass die
Länder im Verhältnis zu Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Die
Folge der Bilanz-Rezession ist ja heute, wie der Chefökonom von Nomura Research Institute schildert, allzu allgegenwärtig.
Fazit: Sinn und Weber haben vor
rund 10 Jahren aufgefordert, eine höhere Inflation in anderen Ländern zuzulassen,
damit Deutschland nicht in eine Deflation gerät. Heute stellen sie sich
dagegen, eine höhere Inflation (und höhere Löhne) in Deutschland zuzulassen, wenn
Ökonomen wie z.B. Heiner Flassbeck dafür plädieren, um zu verhindern, dass der Rest des Euro-Raum
in eine Deflation abrutscht.
5 Kommentare:
In Ihrem Kommentar weisen Sie auf den Umstand, dass unter dem Bundesbankpräsidenten Axel Weber mehrere deutsche Banken gerettet werden mussten und dies für die Rettung der europäischen Banken nicht gelten soll.
Bei dieser Analyse haben Sie eines übersehen. Bei der Rettung der deutschen Banken lag die volle Souveränität bei dem deutschen Steuerzahler. Er hatte Einfluss darauf, wieviel von seinen Steuern als Rettungsmaßnahmen ausgegeben werden kann.
Bei der Rettung der europäischen Banken liegt das Risiko bei dem deutschen Steuerzahler, ohne dass er auch die Souveränität besitzt.
Erkennen Sie den kleinen Unterschied? Auch in den USA liegt das Risiko und die Souveränität in der Hand des Steuerzahlers.
Eine europäische Bankenrettung kann nur dann erfolgen, wenn die betroffenen Staaten ihre staatliche Souveränität aufgeben. Das ist dann der Preis, den diese Völker für ihre Politiker zahlen müssen. Wenn Sie nicht dazu bereit sind, müssen sie eben die Konsequenzen tragen. So etwas nennt man Verantwortung.
Inwieweit hatte der "deutsche Steuerzahler" bei der Rettung der HRE ein Mitspracherecht? Inwieweit hatte der "amerikanische Steuerzahler" Mitspracherecht bei der Rettung des Bankensystems in den USA? Das würde mich wirklich interessieren.
@Johannes
Mit ihrem Kommentar haben sie nur bewiesen, dass Sie die Krise überhaupt nicht verstanden haben. Es stimmt zwar, dass einige Länder über ihre Verhältnisse gelebt haben, aber Deutschland hat dafür unter seinen Verhältnissen gelebt. Beide Vorgänge bedingen einander, wenn im Durchschnitt der Währungungsunion alles in Ordnung ist. Es besteht auf beiden Seiten Anpassungsbedarf, was sich in der Umkehrung der Inflationsraten der letzten 10 Jahre auswirken muss. Zwischenzeitlich müssen Überbrückungsmaßnahmen ergriffen werden.
Grüße Robert
@Anonym
Der deutsche Steuerzahler kann um die Rettung der deutschen Banken finanzieren, die Steuern erhöhen. Kann er das auch bei den spanischen Banken. Es fehlt einfach das demokratische Mandat die spanischen Steuern zu erhöhen.
@Robert
Es geht mir nicht wer über seine wirtschaftlichen Verhältnisse lebte. Es geht nur um die Souveränität eines Staates.
@Johannes
Wenn dann Spanien aufgrund seiner Banken, welche gestützt werden müssen, seine Souveränität abgeben muss, dann gilt das gleiche für Deutschland. In diesem Link http://www.querschuesse.de/deutschland-das-niip-zeigt-die-strategie/ ist veranschaulicht, wie die deutschen Banken ihr Auslandsengagement an die Bundesbank übertragen haben.
Grüße Robert
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