In
den vergangenen Monaten habe er eine Reihe von optimistischen Einschätzungen über
die Aussichten für Europa gelesen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Europe’s Great Illusion“) am Montag in NY Times.
Merkwürdig,
dass keine der Einschätzungen erörtert, dass Europas von Deutschland diktierte
Formel der Erlösung durchs Leiden eine Chance hat, zu funktionieren. Der Fall für Optimismus ist, dass das
Scheitern (ein Auseinanderbrechen des Euro) eine Katastrophe für alle wäre,
auch für die Deutschen und dass am Ende diese Aussicht induzieren würde, dass
die europäischen Staats- und Regierungschefs alles tun würden, um die Situation
zu retten, beschreibt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008).
Krugman
hofft, dass das Argument richtig ist. Aber jedesmal, wenn er einen Artikel in
dieser Hinsicht lese, denke er an Norman
Angell. Wer? Angel hat im Jahr 1910 mit dem Titel „Die grosse Illusion“ ein berühmtes Buch veröffentlicht, mit dem
Argument, dass der Krieg obsolet geworden ist. Handel und Industrie (nicht die
Ausbeutung der unterworfenen Völker) waren die Schlüssel zum nationalen
Reichtum, sodass aus den riesigen Kosten für die militärische Eroberung nichts gewonnen
werden könne.
Darüber
hinaus argumentierte Angell, dass die Menschheit anfing, diese Realität zu
schätzen, dass die „Leidenschaften des Patriotismus“ stark rückläufig waren.
Angell hat zwar nicht gesagt, dass es keine grossen Kriege mehr geben würde.
Aber er hat diesen Eindruck vermittelt. Wir alle wissen, was damals als
Nächstes kam, unterstreicht Krugman.
Der
Punkt ist, dass die Aussicht auf eine Katastrophe, egal wie offensichtlich,
keine Garantie dafür ist, dass die Länder alles tun würden, um die Katastrophe
zu vermeiden. Und dies gilt insbesondere, wenn Stolz und Vorurteil der
politischen Entscheidungsträger nicht bereit sind, zu sehen, was
offentsichtlich sein sollte.
Es
ist laut Krugman daher ein Schock, zu erkennen, dass mehr als zwei Jahre verstrichen
sind, seit die europäischen Staats- und Regierungschefs sich auf ihre gegenwärtige
Strategie festgelegt haben: eine Strategie, die auf die Vorstellung basiert,
dass die Austerität und internal devaluation (im Grunde
genommen Lohnsenkungen) die Probleme der verschuldeten Länder lösen würden und aber
in all dieser Zeit keine Erfolgsgeschichte hergestellt hat.
In
der Zwischenzeit hat die Euro-Krise Metastasen gebildet, sich von Griechenland
nach Spanien und Italien verbreitend. Und Europa als Ganzes rutscht nun wieder in
die Rezession ab. Doch die politischen Vorgaben aus Berlin und Frankfurt
verändern sich kaum, hält Krugman fest.
Wie
ist aber die Gemeinschaftswährung Europas zu retten? Die Antwort müsste fast
sicher sowohl grosse Käufe von Staatsanleihen durch die Zentralbank als auch
eine erklärte Bereitschaft durch die Zentralbank, eine etwas höhere
Inflationsrate in Kauf zu nehmen, einbeziehen. Selbst mit dieser Politik würde
sich Europa der Aussicht auf jahrelang sehr hohe Arbeitslosigkeit
gegenübergestellt sehen. Aber zumindest gäbe es einen sichtbaren Weg in
Richtung Erholung.
Ein
Teil des Problems ist die Tatsache, dass deutsche Politiker in den vergangenen
Jahren Wählern etwas erzählt haben, was nicht wahr ist, dass nämlich die Krise
auf die Schuld der unverantwortlichen Regierungen in Südeuropa zurückzuführen
ist. Spanien hatte am Vorabend der Finanzkrise geringe Verschuldung und
Haushaltsüberschuss. Wenn das Land heute in einer Krise steht, ist es das
Ergebnis einer riesigen Immobilienblase, welche die Banken in ganz Europa,
darunter auch die deutschen Banken mit aufgeblasen hatten. Das falsche
Narrative steht aber heute im Wege einer jeden praktikablen Lösung, legt Krugman
dar.
Doch
falsch informierte Wähler sind nicht das einzige Problem. Der letzte Woche veröffentlichte
Bericht der Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) hinterlässt den Eindruck, als ob man in
ein alternatives Universum eingetreten wäre, wo weder die Lehren der Geschichte
noch die Gesetze der Arithmetik gelten: ein Universum, in dem die Austerität
funktionieren würde, wenn nur alle daran glauben würden und wo alle die
Ausgaben gleichzeitig kürzen würden, ohne eine Depression auszulösen.
Wird sich Europa selbst
retten können? Die Chancen sind sehr hoch und die führenden Politiker Europas
sind im Grossen und Ganzen weder böse noch dumm. Aber das gleiche hätte auch,
ob man es glauben will oder nicht, über Europas Politiker im Jahr 1914gesagt werden können. Wir hoffen, dass es diesmal
anders ist, fasst der an der University
of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor zusammen.
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