Die Gestalter der Geldpolitik bei der Federal Reserve (Fed) werden im allgemeinen als “Falken” (hawks) und “Tauben“ (doves) eingestuft. Der Unterschied ist wegen der Einfachheit reizvoll. Die Falken sind um die Inflation besorgt, während die Tauben in erster Linie die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollen. “Die eigentliche Teilung betrifft aber nicht das akzeptable Niveau der Inflation, sondern ihre Ursachen. Und der Streit limitiert Feds Bemühungen, für die wirtschaftliche Erholung zu sorgen. Die Debatte findet zwischen Empiriker und Theoretiker statt“, schreibt Christina Romer in einem lesenswerten Essay („The Debate That’s Muting the Fed’s Response“) in NYT. Die Empiriker legen den grössten Wert auf die Beweise, wie der Name vermuten lässt. Empirische Analysen zeigen, dass die wichtigsten Determinanten der Inflation die Inflation in der Vergangenheit und die Arbeitslosigkeit sind. Die Inflation steigt, wenn die Arbeitslosigkeit unter den normalen Wert rutscht, und fällt, wenn die Arbeitslosigkeit über den normalen Wert klettert.
Es gibt zwar viele Diskussionen darüber, was das normale Niveau der Arbeitslosigkeit ist, aber niemand zweifelt daran, dass die Arbeitslosigkeit mit 9% deutlich höher darauf liegt. Mit der Kerninflation mit weniger als 1% sind die Empiriker daher relativ unbekümmert, was die Inflation in dem aktuellen Marktumfeld angeht, schildert die an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessorin.
Theoretiker hingegen heben ökonomische Modelle hervor, die davon ausgehen, dass die Menschen sehr rational bei der Bildung der Erwartungen hinsichtlich der künftigen Inflation sind. In diesen Modellen wird angenommen, dass Aktionen der Fed, die ihre Verpflichtung, Inflation niedrig zu halten, in Frage stellen, einen Anstieg der Inflationserwartungen auslösen, was tatsächlich zu Preis- und Lohnerhöhungen führen kann. Für Theoretiker legt jeder Anstieg eines Indikators in Bezug auf die erwartete oder künftige Inflation nahe, wie z.B. der jüngste Boom der Rohstoffpreise, dass Feds Glaubwürdigkeit in Gefahr ist. Sie befürchten, dass die Inflation trotz hoher Arbeitslosigkeit wieder schnell entstehen kann, legt die ehem. Chairwoman von Council of Economics Advisers des Präsidenten Obama.
Die unterschiedlichen Auffassungen spitzen jetzt um die Politik der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) der Fed zu. Die QE kann die Wirtschaft über mehrere Kanäle ankurbeln, indem sie z.B. die Zinsen am langen Ende der Kurve drückt, die noch nicht bei Null liegen. Das fördert zinssensitive Ausgaben, wie für den Bau, die Investitionen und den Privatverbrauch. Die QE kann aber auch die Deflationsängste verringern und die realen Kosten der Kreditaufnahme reduzieren, selbst wenn die Nominalzinsen kaum fallen.
Wie herkömmliche Geldpolitik kann die QE auch durch die Wechselkurse auswirken. Die Kürzungen der amerikanischen Zinsen machen inländische Vermögenswerte weniger attraktiv, was die Nachfrage nach US-Dollar reduzieren würde. Die Wertverminderung an den Devisenmärkten würde die Einfuhren verringern und die Ausfuhren erhöhen, was schliesslich die inländische Produktion steigern und die Beschäftigung fördern würde. Die meisten geldpolitischen Entscheidungsträger sind sich einig, dass die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik die Wirtschaft ankurbeln kann, so Romer.
Die Studien zeigen, dass die erste Runde der QE zu einem Rückgang der Hypothekenzinsen und der anderen langfristigen Zinssätze geführt hat, bekräftigt Romer. Der Streit um die QE ist der über die Kosten. Die Empiriker sagen, dass die QE-Politik keine Inflation verursacht, weil die Wirtschaft so schwach verläuft. Die Theoretiker argumentieren, dass eine kleine Zunahme des Wachstums zu einem raschen Anstieg der Inflation führen kann, obwohl die Umfrage der Professional Forecaster, die durch die Federal Reserve Bank of Philadelphia durchgeführt wird, zeigt, dass es seit dem Start des Programms praktisch keine Veränderung in langfristigen Inflationserwartungen gibt.
„Als Empiriker bin ich frustiert, dass die beiden Seiten sich nur auf kleine Hilfen für eine schwer angeschlagene Wirtschaft einigen konnten“, betont Romer. Um ahnen zu können, wie nützlich Geldpolitik sein kann, soll man sich mit der Grossen Depression beschäftigen. Um das Jahr 1933 lagen die kurzfristigen Zinsen nahe Null genau wie heute. Franklin D. Roosevelt hat im April 1933 den Goldstandard aufgehoben. Die rasche Abwertung hat zu riesigen Goldzuflüssen und zu einer starken Zunahme der Geldmenge geführt. Die Erwartungen der Deflation, welche enorm gewesen ist, hat schnell nachgelassen. Als ein Ergebnis sind die Realzinsen in Verbindung mit Nominalzinsen bei Null zusammengestürzt. Die erste Art der Nachfrage kam damals von der zinsempfindlichen Seite her.
Fazit: Die Fed könnte sich viel aggressiver für die QE-Politik engagieren, sowohl was die Grösse als auch den Umfang betrifft, um die langfristigen Zinsen weiter zu senken, und den US-Dollar abzuwerten, fasst Romer zusammen. Die Fed könnte ihre Absichten für die Fed Funds Rate (US-Leitzinsen) den Märkten viel effizienter vermitteln, was auch die längerfristigen Zinsen verringern würde. Und die US-Notenbank könnte ein Ziel fürs Preisniveau (price-level target) setzen. Das würde helfen, der extrem niedrigen Inflation während der Rezession mit mehr expansiver Geldpolitik und niedrigen Realzinsen entgegenzuwirken.
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