Es gibt keinen Grund, die Zinsen zu erhöhen. Dennoch schickt sich die EZB an, im April den geldpolitischen Kurs zu straffen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet begründet die Zinswende mit (a) dem Preisschock, und (b) dem wachsenden Risiko von Zweitrundeneffekten.
Zu (a): Die Kerninflation (core inflation), wenn man die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht berücksichtigt, liegt in der Euro-Zone mit knapp 1% ziemlich niedrig. Die leichte Zunahme der allgemeinen Inflation (headline inflation) auf rund 2,3% ist in erster Linie auf den Anstieg des Rohölpreises der Sorte Brent zurückzuführen. Und das ist ein vorübergehendes Phänomen.
Zu (b): Wie sollen die Löhne steigen, wenn die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone noch sehr hoch verläuft. Selbst wenn die Löhne um 3% steigen würden, stünde das mit dem Produktivitätswachstum im Einklang, wie Prof. Peter Bofinger in einem Interview mit der Zeit betont.
Die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen ist sehr zurückhaltend. Das Wachstum der Geldmenge ist schwach. Es gibt im Bankensystem kaum Geldmengenexpansion. Zudem sind in der gesamten Euro-Zone zur Zeit rigorose Sparmassnahmen (fiscal austerity) im Gang, was auf das Wirtschaftswachstum dämpfend auswirkt. Wenn die EZB vor dem Hintergrund einer restriktiven Fiskalpolitik die Zinsen erhöht, riskiert sie, dass die Wirtschaft erneut in eine Rezession zurückfällt (double-dib). Was hat die EZB also vor? In einem Artikel in der faz wird die „unerwartet frühe Zinswende“ als eine „Warnung an die Politik“ gedeutet, weil die Zentralbank nicht „auf Dauer als Krisenfeuerwehr“ einspringen will. Heisst das aber, dass die EZB ihre Rolle als „lender of last resort“ ablehnt?
In einem lesenswerten Kommentar („Trichet’s real reason for a rate rise“) in FT hebt Wolfgang Münchau drei Gründe für die bevorstehende Zinserhöhung hervor: (1) Die EZB signalisiere, dass sie entschlossen ist, auch ohne einen nicht-deutschen Nachfolger von Jean-Claude Trichet die „Politik der Hard-Money“ fortzusetzen, (2) Die EZB unterscheide ernsthaft zwischen Liquiditäts- und Geldpolitik und (3) Eine frühe Zinserhöhung würde die Attraktivität des Euros erhöhen. Ein starker Wechselkurs sei mächtiger als eine Zinserhöhung, um die Inflation zu bekämpfen. Zum Punkt (2) ist zu sagen, dass diese Unterscheidung von keiner praktischen Relevanz ist. Es handelt sich dabei nur um eine intellektuelle Haarspalterei. Münchau argumentiert, dass Trichet sich unzweifelhaft in die Debatte über die Reform des Regelwerkes für die Währungsunion einmischt. Die EZB ergreift m.a.W. Partei zwischen der EU-Kommission und dem EU-Parlament.
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