Obwohl die Lage um die havarierten Atomreaktoren äusserst angespannt bleibt, verbreiten die Börsianer „Friede, Freude, Eierkuchen“-Stimmung, und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks. Aber auch in Japan zeigt sich der Aktienmarkt im Schwung. Die Aktien von Tokyo Electric, dem Betreiber von Fukushima legten gestern um 16% zu. Sony hat zwar die Produktion ausgesetzt, aber die Aktie kletterte gestern um 3%. Seit der verheerenden Erdbeben/Tsunami-Katastrophe stehen die Bänder bei den Autoherstellern in Japan weiterhin still. Was sich derzeit auf den Finanzmärkten abspielt, hat daher allem Anschein nach eher mit technischem Trading, als mit strategischem Vorgehen zu tun. Denn die weltweiten makroökonomischen Auswirkungen im Nachbeben sind nicht von der Hand zu weisen. Von Apple über General Motors bis Nokia fühlen sich alle global agierenden Unternehmen vom Supply Chain betroffen. Die wirtschaftlichen Rückwirkungen der Katastrophe auf die internationalen Lieferketten materialisieren sich zur Zeit v.a. in den Sektoren Automobil und Informationstechnologie. Die Engpässe sind jedoch sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite zu beobachten.
USD / JPY Wechselkurs, Graph: de.finance.yahoo.com
Wegen der fehlenden Teile haben viele Auto-Monteure mit dem Neustart Schwierigkeiten. Hohe Schäden in den Fabriken, anhaltende Stromausfälle und andere logistische Probleme stellen die wichtigsten Hürden für die Wiederaufnahme der Produktion dar. Einem Bericht von FT Alphaville zufolge werden auf breiter Basis Annulierungen von Freizeitaktivitäten (wie Golf, Reisen und Pubs) gemeldet. Während des langen Wochenendes haben die Kaufhäuser stark sinkende Anzahl von Kunden in der Region Tokio verbuchen müssen.
Es wäre zu naiv, zu erwarten, dass Europa die sich öffnende Lücke in den Lieferketten füllen könnte. Der beschränkte Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Katastrope zeigt, dass Japan gar keine so grosse Rolle mehr spielt, schreibt Stephen Roach in einem Essay („Afterschocks from Japan“) in Project Syndicate. Lediglich 2% der Exporte der Eurozone gehen nach Japan. Für die USA beträgt dieser Wert 5%, für China 8%. Das stärkste direkte Engagement weist Australien mit ca. 19% auf.
Der Vorsitzende von Morgan Stanley, Asien verweist aber auf „die alles entscheidende Überlegung ausser Acht“: Der Faktor Belastbarkeit: (1) Der „Japan-Schock“ ereignet sich nicht gerade in Zeiten grosser wirtschaftlicher Stärke. Das gilt nicht nur für Japan, sondern für die Weltwirtschaft insgesamt. Die Volkswirtschaften sind nach einer Krise weit anfälliger für Schocks und neigen auch viel stärker zu Rückfällen als dies sonst der Fall wäre. (2) Staaten und Zentralbanken haben ihre „traditionelle Munition“ verschossen, auf die sich in Zeiten wirtschaftlicher Zwänge lange verlassen haben, legt Roach dar.
Fazit: Die direkte Auswirkung Japans auf die Weltwirtschaft mag "relativ gering“ sein. Aber die aussagekräftige Frage ist, wie der Rest der Welt von den Schocks betroffen wird.
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