Die Konsumausgaben machen etwa zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung aus. Zudem ist bekannt, wie die globale Finanzkrise gezeigt hat, dass die Verbraucher von der Finanzbranche in einer inakzeptabler Weise misshandelt werden. Die nächste grosse politische Debatte in Washington wird daher wahrscheinlich über das „Consumer Financial Protection Bureau" (CFPB: Verbraucherschutz-Behörde) stattfinden, ob Elizabeth Warren die erste Vorsitzende werden wird oder nicht, schrieb Simon Johnson vergangene Woche in einem lesenswerten Essay („Who’s Afraid of Elizabeth Warren?“) in NYT. Die Harvard-Juristin war von Präsident Barack Obama beauftragt worden, die Behörde aufzubauen. Das Finanzministerium behält aber die Zuständigkeit des Präsidiums. Bis ein dauerhafter Direktor nominiert und vom Senat bestätigt wird, hat die US-Notenbank die Aufsicht über das CFBP. Der Präsident hat Frau Warren bisher für den Posten nicht nominiert, aber auch nicht angedeutet, ob er sie sich für das Amt wünscht oder nicht. Die Republikaner und die Banken-Lobby argumentieren unterdessen, dass die Regulierung im Allgemeinen übermässig ist und die Regulierung von Finanzprodukten im Besonderen unnötig und für das Wirtschaftswachstum sogar gefährlich ist. Es zeichnet sich also ein politischer Streit nach den klassischen rechts-links-Merkmalen ab.
Der Abgeordnete Spencer Bachus (Rep. Alabama), der zugleich Vorsitzender des Ausschusses des Repräsentantenhauses für die Aufsicht der gesamten Finanzdienstleistungsbranche ist (House Financial Services Committee), hat Elizabeth Warren bereits im Visier, bemerkt Johnson. Bachus vertritt die Ansicht, dass Washington sich eine Regulierung der Banken wünsche, er aber der Meinung sei, dass Washington und die Regulierungsbehörden den Banken dienen müssen. Sein Standpunkt wird u.a. auch von Richard C. Shelby (Alabama), dem Vorsitzenden des Ausschusses für Banken (Senate Banking Committee) geteilt. Elizabeth Warren hingegen plädiert für eine viel differenzierte Sicht. Die Rechtsprofessorin befürchwortet Transparenz und Einfachheit aus der Perspektive des Bankkunden. Eine andere Frage ist aber, ob Tim Geithner die Nominierung von Elizabeth Warren fürs CFPB unterstützt. Der Finanzminister war während der Dodd-Frank-Debatte mit seiner Pro-Banken-Anschauung aufgefallen. Geithner und seine Leute bekämpfen bekanntlich den Brown-Kaufman-Abänderungsantrag (amendment), welcher die Grösse und den Leverage (Verschuldungsgrad) der grössten Banken einschränken soll.
Auch Paul Krugman befasst sich in seiner Montagskolumne („The War on Warren“) in NYT mit der Thematik Verbraucherschutz. Elizabeth Warren hat vor mehr als zehn Jahren, als die Politiker der beiden Parteien das Wunder des modernen Bankwesens und den erweiterten Zugang zu Verbraucherkrediten feierten, davor gewarnt, dass das hohe Verschuldungsniveau angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs zu einem finanziellen Desaster führen könnte, hebt Krugman hervor. Später hat Frau Warren die Führung bei der Förderung des Verbraucherschutzes als integraler Bestandteil der Finanzreform übernommen, indem sie argumentierte, dass die Schuldenproblematik entstanden ist, weil die Kreditgeber die Kreditnehmer verführt haben, Obligationen einzugehen, die Verbraucher nicht verstanden haben. Und Warren hatte Recht, bekräftigt Krugman. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand für die Leitung der neuen Verbraucherschutzbehörde besser qualifiziert wäre als Elizabeth Warren, hält der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) fest.
Im Rückblick betrachtet Krugman die Finanzkrise des Jahres 2008 als eine verpasste Chance. Es sei zwar dem Weissen Haus gelungen, eine bedeutende neue Regulierung der Finanzmärkte zu verabschieden. Aber aus irgendeinem Grund habe es versagt, auf die Debatte Einfluss zu nehmen. Die Banker und die Katastrophe, die sie angerichtet haben, verblassen aus Sicht. Und die Republikaner schlagen zurück, das Übel der Regulierung zu denunzieren, als ob die Krise nie geschehen wäre, legt Krugman dar.
Der schiere Wahnsinn der Angriffe auf Elizabeth Warren bieten der Regierung eine perfekte Gelegenheit, die Debatte über die Finanzreform wiederzubeleben, geschweige denn hervorzuheben, wer heute tatsächlich in Wall Streets Tasche ist. Das ist eine Möglichkeit, die das Weisse Haus begrüssen sollte, fasst Krugman zusammen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen