Samstag, 5. März 2011

Makroökonomie-Lehrbuch: Umschreibung im Gefolge der Finanzkrise

Vor dem Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise hatten sich die Mainstream Makroökonomen weitgehend in einem Rahmen zur Durchführung der makroökonomischen Politik zusammengefunden. Der Rahmen war elegant und konzeptionell einfach, schreibt Olivier Blanchard in einer lesenswerten Stellungnahme im Blog von IWF. Der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) beschreibt das Gange wie folgt:

(a) Das wesentliche Ziel der Geldpolitik war niedrige und stabile Inflation. Der beste Weg, um dieses Ziel zu erreichen, war einer Zins-Regel zu folgen. Wenn sie richtig entworfen war, war die Regel nicht nur glaubwürdig, sondern sie lieferte auch stabile Inflationswerte und sorgte dafür, dass der Output an sein Potenzial möglichst nah stand.

(b) Das wurde durch die Festlegung des Leitzinses, der die Zinsstruktur (Renditekurve) und die Vermögenspreise  und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vorgegeben hat, erreicht. Man konnte die meisten Einzelheiten der Finanzintermediation getrost ignorieren. Die Regulierung der Finanzmärkte wurde in diesen Rahmenbedingungen aussen vor gelassen.

(c) Die Finanz-Politik hatte beim besten Willen nur eine begrenzte Rolle zu spielen, zumindest auf kurze Frist. Mit dem richtigen Einsatz der Geldpolitik war die Finanz-Politik nicht notwendig. Automatische Stabilisatoren wie Arbeitslosenunterstützung würden im Abschwung einen Stoss geben, aber diskretionäre Politik war eher missbraucht als gut gebraucht. Die Fokussierung lag auf der mittlerer Frist und der finanziellen Tragfähigkeit.

Das waren einfache Grundsätze und sie schienen zu funktionieren. Von den früheren 1980er Jahren an wurden Konjunkturschwankungen zunehmend gedämpft. Und die Zeitperiode wurde als „Great Moderation“ bezeichnet, schildert an der MIT (Massachusetts Institute of Technology) lehrende Wirtschaftsprofessor weiter. Dann kam die Krise. Wenn nichts anderes, zwang sie uns, diese Grundsätze wieder zu überprüfen. Dazu liefert Prof. Blanchard die folgenden Ideen:

(I) Ungleichgewichte: Das Streben nach stabiler Inflation ist gut. Aber wie wir jetzt sehen, garantiert es keinen stabilen Output. Vor der Krise versteckten das stabile Wirtschaftswachstum und die stabile Inflation wachsende Ungleichgewichte in der Zusammensetzung des Outputs und in den Bilanzen von Haushalten, Unternehmen und Finanzinstitutionen, genauso wie die wachsenden Verlagerungen der Preise von Vermögenswerten. Diese Ungleichgewichte endeten sehr kostspielig. Die Frage ist nun, wie solche Ungleichgewichte am besten angegangen werden. Sollen wir von einer makroökonomischen Politik mit drei Beinen (Geld-, Fiskal- und Finanzpolitik) ausgehen, mit jeweils separaten Behörden? Oder sollen wir daran denken, die beiden Mandate und den Satz von Werkzeugen der Geldpolitik sowie den Output und die finanzielle Stabilität auszudehnen? Und, wenn ja, welche Instrumente sollen wir haben und wie sollen wir sie verwenden?

(II) Zinssätze: Früh in der Krise senkten die Zentralbanken ihre Leitzinsen bis sie die untere Grenze, nämlich Null erreicht haben. Von da an konnte die Zinspolitik nicht mehr genutzt werden, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln und die Zentralbanken wandten sich an die Kreditpolitik und die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (quantitative easing). Das wirft mehrere Fragen auf: (1) Wäre es hilfreich gewesen, wenn die Nominalzinsen beim Start höher gewesen wären? Hätten die Zentralbanken mehr Spielraum gehabt? Anders gesagt, sollen wir die Politik des niedrigen Inflationsziels (inflation targeting) und die damit verbundenen niedrigen Nomimalzinsen, die die Zentralbanken vor der Krise angenommen haben, überprüfen? (2) Sind die Kreditpolitik und die Politik der mengenmässigen Lockerung (QE) nur für aussergewöhnliche Zeiten denkbar oder können sie auch in ruhigen Zeiten sinnvoll eingesetzt werden?

(III) Fiskalpolitik: Als die Zinsen die untere Grenze erreichten, kam die Fiskalpolitik wieder zum Vorschein. Jenseits der automatischen Stabilisatoren haben mehrere Länder Konjunkturprogramme eingeführt, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wiederzubeleben. Aber die Debatte über die Grösse und sogar das Vorzeichen der Multiplikatoren mit unterschiedlichen fiskalpolitishen Massnahmen legen nahe, wie wenig mit Fiskalpolitik unternommen wurde und wie viel nötig wäre.

Die starke Zunahme der Verschuldung seit Beginn der Krise (eine Steigerung, welche überwiegend auf den Output-Verlust und die implizierten Kosten der Einnahmen als auf die Konjunkturpakette per se zurückzuführen ist) wirft auch viele Fragen auf. Auch wenn es lange Zeit dauert, bis die Verschuldung ausreichend reduziert wird, welches Niveau an öffentliche Verschuldung sollten die Länder anstreben? Sind die alten Faustregeln, wie beispielsweise die Schuldenquote von 60% in den fortgeschrittenen Ländern noch zuverlässig?



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