Montag, 17. Januar 2011

ZIRP (nachfrageorientiert) versus ZMP (angebotsorientiert)

Der derzeitige Abschwung ist eine Folge der schweren Finanzkrise. Und die Krise hält an, weil es nach wie vor Spieler gibt, die übermässig verschuldet (over-leveraged) sind. Vor diesem Hintergrund suchen Ökonomen Antworten auf die Frage, warum die Beschäftigung nicht vom Fleck kommt, während das BIP wächst und die Industrieproduktion zulegt. Wer das Buch „This Time is Different“ von Reinhart und Rogoff gelesen hat, weiss mehr oder weniger, dass im Zuge von schweren Krisen mit einem längeren Zeitraum von schwacher Beschäftigung zu rechnen ist. Paul Krugman warnt davor seit mehreren Jahren. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) deutet in diesem Zusammenhang auf eine längere Liquiditätsfalle hin. Das heisst, dass selbst eine Nullzinspolitik (ZIRP: Zero Interest Rate Policy) nicht genug ist, um die Nachfrage ausreichend zu beleben, für mehr als ein Jahrzehnt. Das ist die Prognose der nachfragorientierten Schule.

Scott Sumner verweist darauf, wie Tyler Cowen die Prognose der angebotsorientierten Schule begründet, und zwar mit dem Hinweis auf ZMP ( Zero Marginal Produkt). Cowen behauptet, dass die Arbeitnehmer arbeitslos sind, weil es buchstäblich nichts zu tun gibt. Das heisst, dass das Grenzprodukt gleich Null ist. Das ist die Austrian-Konzeption, bemerkt Krugman dazu und fragt zu Recht, ob ZMP eine plausible Alternative zu ZIRP ist? Cowen argumentiert nämlich, dass die Tatsache, dass das BIP sich auf Vorkrisenniveau erholt habe, die Beschäftigung aber nicht, vermuten lässt, dass die Arbeitslosen nicht benötigt werden. Sumner hingegen hebt hervor, dass es so etwas wie Trendwachstum der Produktivität gibt (trend productivity growth). Dass heisst, dass der Output pro Mitarbeiter stetig wächst. Warum soll man also zu viel in die Tatsache lesen, dass dieser Trend sich fortsetzt?, so Krugman. Man denke daran, dass dies im Gefolge einer tiefen Rezession immer geschieht. Der NYT-Kolumnist präsentiert dazu die folgende Abbildung, um zu zeigen, was unter dem heiligem Ronald Reagan passiert ist:


Reales BIP und Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft, GraphProf. Paul Krugman

Bis Mitte 1983 war das reale BIP deutlich über dem bisherigen Höchststand. Aber die Beschäftigung hatte kaum begonnen, sich zu erholen. Wollen die Vertreter der angebotsseitig orientierten Schule behaupten, dass es in den frühen 1983er Jahren viele Arbeitnehmer mit einer Grenzproduktivität von Null gegeben hat, welche dann im Lauf der nächsten Jahre plötzlich positive Grenzerträge produziert haben? Es gibt viele logische Fragen: Wenn die Arbeiter ein Grenzprodukt von Null haben, warum fallen die Löhne nicht auf Null? Oder zumindest bis zu dem Punkt, wo die Arbeiter indifferent sind zwischen Beschäftigung und Nicht-Beschäftigung. Vermutlich lautet die Antwort laut Krugman, dass die Löhne träge („sticky wages)“ sind. Aber wenn die Löhne „sticky“ sind, sind wir in einer Welt, wo es auf gesamtwirtschaftliche Nachfrage ankommt, hält der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Schliesslich, „wenn ein Faktor der Produktion ein Grenzprodukt von Null hat, dann müssen andere Faktoren sehr hohe Grenzprodukte haben und daher sehr nachgefragt sein. Wo sind also diese Faktoren? Ist es Kapital? Warum gibt es aber so viel Überkapazität in fast jeder Branche? Ist es Arbeit mit besonderen Qualifikationen oder in bestimmten Orten?“, schildert Krugman weiter. Wie Mike Konczal darauf hinweist, hat sich jedermanns Arbeitslosenquote verdoppelt, unabhängig vom Bildungsniveau oder dem Standort.

Fazit: Alle Anstrengungen, die darauf bestehen, dass es nicht an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage liegt, tragen nur dazu bei, nachfrageorientierte Konzeption zurückzuweisen, fasst Krugman zusammen.

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