Die Armen haben die Krise selbstverständlich nicht verursacht. Da die USA den Eigenheimerwerb schon seit langem subventionieren, insbesondere über die Steuerabzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen, gibt es einen Mythos, die Rolle des Staates zu überbewerten. Die Republikaner, die sich auf den Standpunkt stellen, dass „der Staat Problem und der Markt Lösung“ ist, melden sich seit Dezember im Untersuchungsausschuss (FCIC: Financial Crisis Inquiry Commission) zu Wort, dass eine fehlgeleitete Regierungspolitik, Eigenheimquote bei den relativ armen Leuten zu steigern, viele armen Leute dazu veranlasst habe, Subprime-Hypotheken abzuschliessen, die sie sich nicht leisten konnten. Die Republikaner greifen dabei namentlich Fannie Mae und Freddie Mac an. Das sind staatsnahe Unternehmen, die Eigenheimkredite mit Garantien verschiedener Art fördern. „Fannie Mae und Freddie Mac waren zu gross, um sie scheitern zu lassen, was es ihnen ermöglichte, selbst billigere Kredite aufzunehmen und grössere Risiken einzugehen“, bemerkt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Did the Poor Cause the Crisis?“) in Project Syndicate. „Doch während die GSE (government-sponsored enterprises) ins Geschäft mit fragwürdigen Hypotheken (insbesondere mit Alt-A-Hypotheken) einstiegen, waren dies relativ kleine Sachen“, erklärt der ehem. Chefökonom des IWF.
„Der Hauptanstoss für den Boom ging von der Gesamtmaschinerie der sog. Private-Label-Verbriefungen aus. Und dies war, wie der Name sagt, in privater Hand", legt Johnson dar. 30 Jahre Deregulierung verschafften einer kleinen Elite des privaten Sektors nahezu alle mit dem Eigenheimboom einhergehenden Gewinne, hält der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor fest.
Die Republikaner können ihre Behauptungen nicht belegen. Das geht auch aus den Ergebnissen einer Forschungsarbeit, die Daron Acemoglu Anfang Januar auf der Jahrestagung der American Finance Association in Denver präsentiert hat. Acemoglus Auswertung zeigt, dass der Anstoss für einen grossen Subprime-Markt vom privaten Sektor ausgegangen ist. Es waren die grössten Akteure der Wall Street, nicht überschuldete Hauseigentümer, die im Gefolge der Krise grosszügige Rettungsgelder erhalten haben. Der an der MIT (Massachusetts Institute of Technology) lehrende Wirtschaftsprofessor geht u.a. der Nachfrage nach, ob die Einkommensverteilung in den USA in den späten 1990er Jahren verschlechterte, was dann die Politik dazu brachte, die Kreditvergabe an Leute, die „ins Hintertreffen“ gerieten, zu erleichtern. Die Ungleichheit der Einkommensverteilung hat in den USA in den letzten 40 Jahren tatsächlich zugenommen. Aber „die zeitliche Abläufe stimmen überhaupt nicht mit der untersuchten Geschichte überein“, bemerkt Johnson dazu. Die grossen Gewinner aller Arten von „Finanzinnovationen“ während der letzten drei Jahrzehnte waren nicht die Armen, sondern die Reichen.
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