Freitag, 14. Januar 2011

Chinas Wechselkurspolitik im Lichte von Immaculate Transfer-Doktrin

Chinas Wechselkurspolitik bleibt auch im neuen Jahr umstritten. Martin Feldstein argumentiert in einem zur Zeit viel zitierten Paper*, dass die USA und China die Leistungsbilanzungleichgewichte demnächst reduzieren oder eliminieren werden. Paul Krugman verweist aber in diesem Zusammenhang auf einen Trugschluss, dem nicht nur Feldstein, sondern auch viele andere aufgessesen sind. Und wenn wir über diesen Trugschluss reden, dann sehen wir, warum die gegenwärtige Yuan-Politik Chinas ein Problem für die Welt ist. Der Ausgangspunkt ist eine elementale Buchhaltungsregel: Handelsdefizit bedeutet, dass ein Land mehr ausgibt, als es verdient. Feldstein sagt, dass die zugrunde liegenden Ungleichgewichte, wenn die US-Verbraucher beginnen, mehr zu sparen, und die chinesischen Konsumenten anfangen, weniger zu sparen, verschwinden werden. Es ist zwar nicht sicher, ob die Chinesen tatsächlich beginnen würden, weniger zu sparen, aber es ist eine Annahme, die Feldstein trifft und wir nun davon ausgehen. Der Trugschluss kommt gerade dann ins Spiel, wenn man sagt: „Nun, es geht dabei um Ungleichgewichte in Sachen Ausgaben. Die Wechselkurse haben damit nichts zu tun“.

Das ist, was John Williamson (Institute for International Economics) als “Doctrine of Immaculate Transfer” bezeichnet, bemerkt Krugman. PS: Der Trugschluss könnte sogar einen Zombie-Status beanspruchen. Wie auch immer. Der Einfachheit halber stellen wir uns jetzt vor, dass es in der Welt nur zwei Länder gibt: Amerika und China, legt Krugman dar. Wir nehmen weiter an, dass die Konsumenten ihr Verhalten ändern. Die Amerikaner geben 400 Mrd. $ weniger aus, während die Chinesen 400 Mrd. $ mehr ausgeben. Das Handelsbilanzungleichgewicht würde verschwinden, oder? „Nein, es ist nicht so einfach“, hält Krugman fest: Wenn US-Bürger 400 Mrd. $ weniger ausgeben, dürfte der grösste Teil dieser Reduzierung, sagen wir 75%,  aus Ausgabensenkungen für die in den USA hergestellten Güter und Dienstleistungen kommen. Auch die chinesischen Pyjamas, die die Amerikaner bei WalMart kaufen, enthalten eine Menge US-Wertschöpfung im Vertrieb und im Einzelhandel, erklärt Krugman. Die Nachfrage nach US-Output wird sich also um 300 Mrd. $ reduzieren. Unterdessen wird ein viel kleinerer Anteil, sagen wir 15%, der erhöhten Ausgaben der chinesischen Verbraucher auf die US-Waren entfallen. Daraus würde sich netto (300 – 60 =) 240 Mrd. $ weniger Ausgaben für die US-Güter und Dienstleistungen ergeben. Entsprechend bedeutet das ein Anstieg der Nachfrage nach chinesischen Waren und Dienstleistungen um 240 Mrd. $.

Daraus folgt, dass die Verschiebungen in den Ausgaben zu einer depressiven Wirtschaft in den USA und zu einem grossen Inflationsdruck in China führen würden. Was ist aber erforderlich, zu tun, damit daraus etwas Rechtes wird? Sowohl die amerikanischen als auch die chinesischen Verbraucher müssten einige ihrer Ausgaben in Richtung amerikanische Waren tauschen. Das bedeutet nicht anderes als ein Anstieg des Dollar-Wertes von Yuan, was chinesische Güter relativ verteuern würde. Fazit: Die Umverteilung der weltweiten Ausgaben und Wechselkurs-Anpassungen sind Komplementäre, nicht Subsititute, schlussfolgert Krugman. Nun, was zählt, ist der relative Preis von chinesischen und amerikanischen Waren. Es gibt zwar einen anderen Weg dazu: eine Kombination von Inflation in China und Deflation in Amerika. Er ist aber für beide Seiten unangenehm. Was noch schlimmer wäre, wenn China versuchen würde, die Inflation durch Zinserhöhungen abzuwehren, während die USA die Zinsen nicht mehr senken könnten, weil die Untergrenze Null bereits erreicht worden ist. Das Ergebnis wäre für die ganze Welt kontraktiv. Der Punkt ist daher, dass Feldsteins Argument, wenn wir es richtig erfassen, für eine Yuan-Aufwertung plädiert, nicht aber dafür, dass es nicht notwendig ist.


* Hier ist die Stellungnahme von Dave Altig (Federal Reserve bank of Atlanta) zum Paper von Martin Feldstein,

PS: Zu dieser in den Mainstream Medien öfters verzerrt dargestellten Thematik („doctrine of immaculate transfer“) zwei weitere informative Beiträge in diesem Blog: hier und hier.


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