Montag, 31. Januar 2011

Zinserhöhung durch die EZB wäre katastrophal für die EU-Peripherie

Sollten wir uns wegen Inflation in Europa Sorgen machen?, fragt Wolfgang Münchau in einem lesenswerten Essay („Time to get real on Europe’s Inflation Target“) in FT. Oder sollten wir uns gegenwärtig vielmehr über eine Inflation unter dem Zielwert von 2% sorgen? Die EZB warnt bereits über die inflationären Auswirkungen der höheren Rohstoffpreise. „Für eine Zentralbank, die ihre Ziele ernst nimmt, ist das Anliegen gerechtfertigt“, schreibt Münchau weiter. Aber die höheren Nahrungsmittel- und Energiepreise sind nicht einmal das grösste Problem. Eine klarere und mehr präsentere Inflationsgefahr wäre eine Überhitzung der deutschen Wirtschaft zu einem Zeitpunkt, während die europäische Peripherie in einer Depression steckt, bemerkt der Kolumnist der britischen Zeitung aus London. Ist die deutsche Wirtschaft aber überhitzt? Es ist schwer, dies aus den aktuellen Daten des BIP zu schliessen.

Zwischen dem III. Quartal 2007 und 2010 ist das deutsche BIP pro Quartal real um 0,2% gefallen, wie Thomson Datastream nahelegt, während das BIP in den USA um 0,1% gewachsen ist. Wie kann die deutsche Wirtschaft überhitzt sein, wenn die Wirtschaftsleistung nicht einmal Vor-Krisen-Niveau erreicht hat? Im August 2007 lag die saisonal angepasste Arbeitslosigkeit mit 8,9% immer noch relativ hoch. Sie fiel ein Jahr später auf 7,6% und kletterte während der Rezession von 2009 auf 8,3%. Die Unternehmen führten Kurzarbeit, um Arbeitskräfte im Betrieb zu behalten. Die Arbeitslosigkeit fiel auf 7,5% zurück. Das sind gute Nachrichten für die deutschen Arbeitskräfte. Aber Deutschland ist wegen der exportbasierten Monokultur der Industrie gegenüber Arbeitskräftemangel sehr verletzlich, so Münchau. Die Arbeitskosten bleiben auch in diesem Jahr gedämpft. Die Wirtschaft schafft niedrig bezahlte Arbeitsplätze, sodass die Lohnkosten im Durchschnitt tief verlaufen. Folglich bleibt die Inflation in Deutschland unter dem Durchschnitt der EU. Die Situation scheint sich aber gerade umzukehren, was den Anpassungsprozess an der EU-Peripherie erschwert, wenn man v.a. vor Augen hält, dass die EZB sich vorbereitet, darauf zu reagieren, bekräftigt der Autor des Buches Makro Strategien. Wenn die EZB entschlossen ist, am Inflationsziel festzuhalten, wird sie die Zinsen bald erhöhen. Das würde das durchschnittliche Wachstum in der EU drücken und die EU-Peripherie in Begrängnis bringen. Es gibt aber andere Optionen. Die EZB könnte das Inflationsziel fallen lassen. „Ein Zielwert von 2,0% ist zu strikt für eine Währungsunion  mit einer „price stickiness“ wie in der Euro-Zone“, schlussfolgert Münchau.

Paul Krugman hatte vor ein paar Wochen darüber geschrieben, dass der Versuch, die Inflation in Deutschland niedrig zu halten, zu einer Deflation an der EU-Peripherie führen werde.

Krugman hatte zudem anhand der anhaltend grossen Produktionslücken (PLOGs: Persistent Large Output Gaps) erklärt, dass die Beibehaltung eines Inflationsziels von 2% für die Euro-Zone insgesamt wahrscheinlich (a) Deflation für die EU-Peripherie bedeuten würde, weil die Preise nicht fallen wollen („price stickiness“) und (b) zu einer sehr hohen Arbeitslosigkeit über einen längeren Zeitraum führen werde.

Fazit: Was Wolfgang Münchau sagen will, ist, dass eine Währungsunion mit unvollkommen integrierten Volkswirtschaften wirklich ein höheres Inflationsziel (inflation targeting) benötigt als die Vereinigten Staaten. Es ist wegen des niedrigen Inflationszielwertes destruktiv, wenn eine Zentralbank ständig nach Gründen sucht, um sich Sorgen über die Inflation zu machen.

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