Montag, 10. Januar 2011

Grossbanken-Repräsentanz als Stabchef im Weissen Haus

US-Präsident Barack Obama hat Bill Daley (62) zu seinem neuen Stabchef ernannt. Wer ist William Daley? Bis zur vergangenen Woche war Daley im top operation committee bei JP Morgan Chase. Er gehörte zu den Vorständen von Boeing und dem Pharma-Konzern Abbott Lab. Die erste Frage, die sich stellt, ist daher, ob Interessenkonflikte vorprogrammiert sind, weil Boeing als Lieferant des Verteidigungsministeriums agiert und Abbott in die Gesundheitsreform involviert ist. Die Besetzung einer Schlüsselposition im Weissen Haus mit einem erfahrenen Business Executive aus der Wirtschaft wirft jedoch eine weitere, viel allgemeinere Frage auf: Verstehen die Leute, die das Land regieren die Wirtschaft und das Finanzwesen? Genau mit dieser Thematik befasst sich Simon Johnson in einem lesenswerten Essay in The Baseline Scenario. Das ist keine Kritik von links oder von rechts. Das Bill Daley-Problem ist vollkommen überparteilich, bemerkt der ehem. Chefökonom des IWF. Johnson argumentiert, dass das Problem uns zeigt, dass das Weisse Haus nicht versteht, wie wir im Herzen unserer Wirtschaft eine riesige Zeitbombe haben.

JP Morgan Chase hat zusammen mit den anderen grössten US-Banken zu wenig Eigenkapital und zu viel Schulden im Verhältnis zum Eigenkapital. Das macht die Bank aus sozialer Sicht sehr gefährlich, hebt Johnson hervor. Diese Banken haben die Herzen und die Köpfe an der Spitze der Regulierungsbehörden und der meisten der politischen Klasse über das gesamte Spektrum hinaus erobert, mit dem fadenscheinigen Argument, warum die Banken nicht gezwungen werden sollen, sicherer zu arbeiten, beschreibt der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor.

Das System hat ermutigt durch die übermässige Risikobereitschaft von grossen privaten Finanzinstituten zu der Finanzkrise von 2008 und der schweren Rezession geführt. Die heutigen gefährlichsten staatlich geförderten Bankholdingsgesellschaften sind JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup, Wells Fargo, Goldman Sachs und Morgan Stanley, die alle zweifellos „Too Big To Fail“ (TBTF) sind, legt Johnson weiter dar. Stünden sie am Rand des Scheiterns, würden sie vom Staat gerettet, indem Sinne, dass ihre Gläubiger zu 100% geschützt wären. Und der Markt weiss das. Folglich können sich diese grossen Institutionen viel günstiger als ihre kleineren Konkurrenten finanzieren. Auf diese Weise bleiben sie gross und werden erstaunlicherweise mit der Zeit grösser.

Per Ende des dritten Quartals 2010 entsprechen die Vermögenswerte der oben erwähnten sechs grössten US-Banken rund 64% des amerikanischen BIP. Im Vergleich: 2006: 55% des BIP und 1995 17% des BIP. Heute kann niemand nachweisen, welcher soziale Wert sich aus der zunehmenden Grösse, des Leverage und der allgemeinen Gefährlichkeit der Banken in den vergangenen 15 Jahren für die Gesellschaft ergibt, bemerkt Johnson. Die sozialen Kosten dieser Banken sind hingegen in der anhaltenden Rezession und der langsamsten Erholung seit den 1930er Jahren ersichtlich, so der Mitgründer des angesehenen Wirtschaft-Blogs The Baseline Scenario. Die meisten intelligenten Menschen ausserhalb der Finanzwelt verstehen, dass die grossen Banken zutiefst schädlich für den Rest des privaten Sektors sind, argumentiert Johnson weiter. Die Idee, dass der Präsident einen Top-Banker in einen inneren Kreis bringt, um Brücken mit der Wirtschaft zu bauen, ist einfach lachhaft. Bill Daleys ehemaliger Chef, Jamie Dimon,  der gefährlichste Banker in Amerika, bekommt nun einen besseren Zugang zum Oval Office. Daley ist zudem bekannt dafür, dass er gegen einen Verbraucherschutz in Sachen Finanzprodukten ist.

Fazit: Mit der Ernennung von Bill Daley zum Stabchef gewinnen die grossen Banken diese Runde der Boom-Bust-Rettungsaktionen. Das innewohnende Risiko im Finanzsystem ist damit heute höher als in den frühen 2000er Jahren, schlussfolgert Johnson.

Keine Kommentare: