Donnerstag, 13. Januar 2011

Warum Reiche sich nicht reich fühlen

Catherine Rampell befasst sich in einem lesenswerten Beitrag in Economix, dem Blog von NYT mit dem Thema Einkommensverteilung. Die interessante Frage, die sie stellt, ist, warum viele reiche Leute im 90. Perzentil der Einkommensverteilung sich nicht besonders reich fühlen. Die Antwort ist einfach: weil jeder Amerikaner, der reicher ist als die Kohorte, viel reicher ist. Rampell präsentiert eine anschauliche Abbildung, die aufgrund der Daten, die das Tax Policy Center auf Anfrage von NYT für 2010 zusammengestellt hat. So sehen die Einkommensgruppen aus: Für die unteren 90 bis 95% der Amerikaner verläuft die Einkommensverteilung relativ flach. Für einen amerikanischen Haushalt im unteren 30% der Verteilung würde eine Aufwärtsbewegung um 5 Perzentile (auf die 35. Perzentile) eine Zunahme der flüssigen Mittel (cash) um ein paar tausend Dollar bedeuten. Das gilt auch für eine Familie im 40. Perzentil und im 60. Perzentil.


USA Einkommensverteilung, Graph: Catherine Rampell, Economix, NYT

Was passiert aber auf der rechten Seite des Diagramms, um die Perzentile in der Mitte von 90er, wo die Linie plötzlich nach oben knickt?

Die Kurve ist hier viel steiler, weil die monetäre Aufteilung an der Spitze der Einkommensskala viel grösser ist. Diejenigen in der Mitte verdienen etwas weniger als diejenigen, die ein paar Perzentile darüber liegen, wobei diejenigen an der Spitze viel weniger verdienen als ihre Gegenstücke nebenan (höhere Perzentile), erklärt Rampell. Beispielsweise müssten diejenigen, die aus dem 30. Perzentil auf das 35. Perzentil aufsteigen wollen, ihre Einkünfte jährlich um 4'000 $ (oder rund 17%) steigern. Diejenigen, die vom 91. Perzentil auf das 96. Perzentil kommen wollen, bräuchten einen Einkommensanstieg um 324'000 $ (oder rund 171%).

M.a.W. gibt es an der Spitze der Einkommensskala viel grössere Ungleichheit als unten oder in der Mitte, legt Rampell dar. Ob das zu viel grösseren Unterschieden im Lebensstandard an der Spitze führt, ist natürlich fraglich, da ein zusätzliches Einkommen um 1'000 $ für eine arme Familie einen viel grösseren Einfluss auf die Lebensqualität der Familie hat als die Auswirkung von extra 1'000 $ auf eine wohlhabende Familie.

Doch im Hinblick auf die Bewertung der eigenen Einkommen sind die meisten Familien versucht, mit den Nachbarn Schritt zu halten. Sie beneiden den reicheren Nachbarn, dessen Lebensstil sie zum Ziel setzen, beschreibt Rampell weiter. Wenn diejenigen im 95. Perzentil über ihr Einkommen im Zusammenhang mit dem Einkommen ihrer reicheren Nachbarn nachdenken, fühlen sich diese Kohorte nicht reich.

Brad DeLong liefert zum Thema eine noch anschaulichere Abbildung, in der die Einkommensgruppen logarithmisch dargestellt werden.


US-Einkommensgruppen (logarithmisch dargestellt), Graph: Prof. Brad DeLong

Paul Krugman fasst zusammen: Was Rampell zeigt, ist eine Vision der Gesellschaft als so etwas wie eine lange Strasse, die auf einen Hügel führt, wobei mit der steigenden Höhe ein steigendes Einkommen einhergeht. Und jeder Mensch auf dieser Strasse wertet sich gegenüber den Nachbarn auf beiden Seiten, anstatt auf der ganzen Strasse. Nun gibt es für dieses Bild zwei unterschiedliche Interpretation: (1) Worauf Rampell hindeutet, ist, dass die Menschen sich nur mit ihren Nachbarn bergauf vergleichen. Da der Hügel umso steiler wird, je höher man sich auf der Strasse bewegt, fühlen sich die Reichen schlechter, weil der Kerl auf der rechten Seite der Strasse zunehmend verschieden ist. (2) Eine Alternative Interpretation ist, dass die Menschen sich mit den Nachbarn auf beiden Seiten der Strasse vergleichen, wobei die Konvexität für die Veränderungen sorgt. Wenn Sie sich in der Mitte der Einkommensverteilung befinden, ist Ihr Nachbar bergauf ungefähr so reich wie Sie, als Ihr Nachbar bergab, der ärmer ist als Sie. Im Oberlauf gilt das aber nicht mehr.

Fazit: (a) So oder so, was wahr ist, dass die Kluft zwischen den Reichen und Superreichen dramatisch gewachsen ist. Die Piketty-Saez-Daten zeigen, wie die obersten 1% von den nächsten 4 davonziehen. Dasselbe gilt auch für die obersten 0,1 versus die Verlierer. (b) Das Ergebnis ist eine Gesellschaft von Gewinnern und Nörglern, wo die Menschen, die es nicht so gut haben, viel besser als der Median-Wert stehen, als vor einer Generation, schlussfolgert Krugman.

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