Das neue Modewort in Washington ist die alte, abgedroschene Phrase: Wettbewerbsfähigkeit. Präsident Barack Obama hat vergangene Woche die Einrichtung eines neuen Ausschusses für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit (The Council for Jobs and Competitiveness) angekündigt. Jeffrey Immelt, der Vorstandsvorsitzende von General Electric (GE) wurde zum Vorsitzenden des Beratergremiums berufen. „Das mag eine intelligente Politik sein, aber machen wir uns nichts vor: Wettbewerbsfähigkeit als Ziel ist grundsätzlich irreführend. Im schlimmsten Fall beruht die Politik auf der falschen Vorstellung, dass das, was für Unternehmen gut ist, gut für Amerika ist“, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („The Competition Myth“) in NYT. Die Frage im Hinblick auf die Fehldiagnose ist, welchen Sinn es macht, anzunehmen, dass die gegenwärtigen Probleme aus Mangel an Wettbewerbsfähigkeit stammen? „Es stimmt, dass wir mehr Arbeitsplätze hätten, wenn wir mehr exportieren und weniger importieren würden. Aber das gilt auch für Europa und Japan, wo die Wirtschaft ebenfalls deprimiert ist“, legt Krugman dar.
Wir können nicht alle mehr exportieren und weniger importieren. Es sei denn, wir entdecken einen neuen Planeten“, wo wir unsere Waren und Dienstleistungen verkaufen, beschreibt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) weiter. Hinzu kommt, wie Krugman hervorhebt, dass die USA ein Handelsbilanzdefizit aufweisen, welches heute kleiner ist als vor dem Ausbruch der Grossen Rezession. Die Wirtschaft befindet sich wegen der Finanzkrise in einem Chaos, nicht, weil die Unternehmen die Fähigkeit verloren haben, mit ausländischen Rivalen im Wettbewerb zu stehen. Warum ist es aber eine schlechte Idee, die USA als „Aktiengesellschaft“ (AG) zu betrachten? Ein CEO, der durch Einsparungen an Arbeitskräften Gewinne erhöht, gilt als erfolgreich. Das ist ja mehr oder weniger das, was sich in den USA derzeit abspielt: Während die Unternehmensgewinne durch die Decke schiessen, geht die Beschäftigung zurück. Wie ist das aber als wirtschaftlichen Erfolg zu bewerten?
Das Gerede über Wettbewerbsfähigkeit mag Obama helfen, sich gegen die Vorwürfe, er sei „anti-business“ zu wehren. Decken sich aber die Interessen eines Unternehmens mit den Interessen des Landes? Nehmen wir den Fall GE an: Weniger als die Hälfte der GE-Mitarbeiter sind in den USA ansässig. Weniger als die Hälfte der GE-Einnahmen stammen aus den USA. GE’s Geschicke haben also mit dem US-Wohlstand wenig zu tun. Ausserdem leitet sich GE mehr Einnahmen aus sog. „financial operations“ her als aus Herstellung. GE Capital, welches in der Tat eine staatliche Garantie für seine Schulden bekommen hat, ist einer der grössten Nutzniesser der Wall Street Bail-out-Massnahmen (Rettungsaktionen).
Was bedeutet also die neue Rhetorik „Wettbewerbsfähigkeit“ für die Wirtschaftspolitik? Eine ungünstige Interpretation ist, dass Obama Berater glauben, dass die Wirtschaft marode ist, weil die Regierung zu hart gegenüber Unternehmen gewesen ist, und was Amerika deshalb braucht, ist: Steuersenkungen für Unternehmen und eine flächendeckende Deregulierung. „Die Finanzkrise des Jahres 2008 war ein Aha-Erlebnis, ein Lehrstück, was schief gehen kann, wenn man davon ausgeht, dass der Markt sich selbst reguliert“, fasst Krugman als Fazit zusammen.
PS: Wer zum Thema „Wettbewerb der Nationen“ mehr in Erfahrung bringen will, kann auf das lesenswerte Buch „Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“ von Heiner Flassbeck zurückgreifen, wo der UNCTAD-Chefökonom in den zwei Abschnitten „Der Wettbewerb als Dogma“ und „Wettkampf der Nationen beenden“ erklärt, warum der Wettbewerb als Prinzip „jeder gegen jeden“ ins Chaos führt.
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