Sonntag, 8. Juli 2012

Euro-Rettung – Wie?


Die Lösungswege der Kritiker der Neoklassischen Schule für den Euro umfassen hauptsächlich drei Aspekte:

(a) Eine Deckung der Banken im Euro-Raum mit einer gemeinsamen Einlagensicherung. Die Rettung der Banken soll von der Problematik der Zahlungsfähigkeit der Staaten unbedingt getrennt werden.

(b) Die EZB soll als lender of last resort (Kreditgeber letzter Instanz) agieren. Die EZB soll m.a.W. wie die einzelnen Zentralbanken vorgehen.

(c) Ein höheres Inflationsziel soll angepeilt werden. Weil „internal devaluation“ via Deflation ökonomisch untragbar und politisch schwer machbar ist. Auf diese Weise wäre die Last der notwendigen Anpassung im Euro-Raum wesentlich geringer.

Zum (a): Es geht im Grunde genommen um die Regulierung der Finanzmärkte. Die Banken müssen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden.

Zum (b): Die EZB soll mit der Garantie der Rolle als lender of last resort am Markt für Staatsanleihen die Rückendeckung unterstreichen, damit eine von einem Bankensturm (bank run) ausgelöste Liquditätskrise nicht in eine Solvenzkrise ausartet,wie Paul De Grauwe ausführlich schildert: „Die blosse Existenz eines lender of last resort stoppt die Kaskade des  Vertrauensverlustes“. Das heisst Chuck-Norris-Effekt der Geldpolitik.

Zum (c): Worauf Paul Krugman damit hinaus will, kommt in den Mainstream-Medien und beim Durchschnittsbürger in Europa nicht (gut) an. Was damit eigentlich gemeint ist, dass die Löhne in Deutschland steigen müssen, damit die Peripherie ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnt.


Handelsbilanz Ungleichgewichte im Euro-Raum, Graph: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker in: „The Euroa Story of Misunderstanding“, 2011.

Geld ist eine notwendige, aber nicht die hinreichende Bedingung. Wenn es, aus welchem Grund auch, „zu viel Geld“ gibt, muss nicht sofort die Inflation folgen.

Ein aktuelles Beispiel: Die Notenbankgeldmenge ist in der Schweiz von rund 45 Mrd. CHF im Herbst 2008 auf 216 Mrd. CHF per Ende Mai 2012 gestiegen. Der massive Anstieg der Notenbankgeldmenge wird im Volksmund als „Geld-Drucken“ genannt. Hat sich die Inflation in der Schweiz beschleunigt? Nein. Ganz im Gegenteil herrscht in der Schweiz Deflationsgefahr. Die Konsumentenpreise verlaufen in der Schweiz mittlerweile den 9. Monat in Folge im negativen Bereich.

Obwohl die herrschende Lehre der Ökonomen (siehe dafür den Protest-Aufruf der 160 Ökonomen in Deutschland) mit populären Vorurteilen den Teufel an die Wand malt, hat Inflation zwei Ursachen: (1) hohe Nachfrage und (2) stark steigende Kosten, wie Heiner Flassbeck in seinem lesenswerten Buch („Zehn Mythen der Krise“) beschreibt.

Zum (1) Der Konsum ist im Sog der Krise ins Stocken geraten. Die harsche Austeritätspolitik der EU lastet auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Das gegenwärtige Umfeld der Volkswirtschaft zeigt, dass es zwischen Staatsschulden und Inflation keinen engen Zusammenhang gibt.

Zum (2) Es gibt einen kausalen und statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen Lohnstückkosten und Inflation. Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker setzen in ihrer lesenswerten Forschungsarbeit (The Euroa Story of Misunderstanding“) die Entwicklung der Löhne ins Verhältnis zur Entwicklung der jeweiligen nationalen Arbeitsproduktivität und erklären Inflation anhand von diversen anschaulichen Abbildungen überzeugend. Es gibt einen über 60 Jahre hinweg äusserst stabilen Zusammenhang. Das heisst, dass Lohnstückkosten die Preise bestimmen.


Lohnstückkosten bestimmen Preise, Graph: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker in: „The Euroa Story of Misunderstanding“, 2011.

Eine etwas höhere Inflationsrate in Deutschland (im Vergleich zu Handelspartnern im Euro-Raum) bedeutet, dass Deutschland die Lohnzurückhaltung, die es in den vergangenen 10 Jahren systematisch verfolgt hat, aufgibt. Denn die Steigerungsrate der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten ist der wesentliche Bestimmungsfaktor der nationalen Inflationsrate, wie Spiecker in NachDenkSeiten darlegt.

Und Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept. Das heisst: Wenn einer an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat, muss ein anderer an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben, wie Spiecker weiter erläutert: „Ganz analog muss es so sein, dass den Krisenstaaten mit den hohen Auslandsschulden Gewinnerstaaten mit hohen Auslandsvermögen gegenüberstehen. Und eine Begrenzung der Schulden- und Vermögenspositionen erfordern, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit zugunsten der Schuldnerländer und zuungusten der Gläubigerstaaten verschieben müssen“.

Südeuropa wird heute gezwungen, Produktivität zu steigern und die Preise sowie die Löhne zu senken? Der Versuch, die wirtschaftlichen Probleme via Lohnsenkungen (d.h. „internal devaluation“) zu lösen, endet in Deflation, was die Rezession vertieft. Südeuropa muss wieder wettbewerbsfähig werden. Die Staatsschulden lassen sich durch Wachstum, nicht durch Austerität abbauen. Die EZB muss also Kurs ändern.

Fazit: Vielleicht ist es besser, die Diktion anzupassen. Anstatt zu fordern, dass Deutschland eine etwas höhere Inflation im Verhältnis zu Handelspartnern in der EWU zulässt, sollte die Forderung darauf ausgerichtet werden, dass die Löhne in Deutschland steigen müssen, um den Euro zu retten, was für die Medien und den Durchschnittsbürger verständlicher wäre. Auf diese Weise würde die der Natur einer Währungsunion zugrunde liegende Lohnkoordination zwischen den Eurostaaten besser gehandhabt.

1 Kommentar:

MFK hat gesagt…

Während c) wohl wenig streitig ist, dürfte a) und b) in der Praxis wohl kaum umgesetzt werden.

Es wird sich allerdings zeigen ob Inflation in den Geberländern und Deflationierung in den Nehmerländern tatsächlich nicht an den Wählern scheitern wird. Bis heute sind viele Regierungen in den Nehmerländern abgewählt worden.

Bei der Reform des bankwesens wünsche ich viel Erfolg. Seit Lehman 2008 ist in diesem Bereich nicht viel geschehen. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass Banken und Regierungen viel zu eng verknüpft sind. Darüber hinaus gibt es Länder, die offensichtlich der Meinung sind, verarbeitende Industrien durch Finanz"industrie" ersetzen zu können, um mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ausgleichen zu können. Die Rekapitalisierung der Banken zum heutigen Tage wird auch daran scheitern, dass in Europa mehr als 20 banken einen Verschuldungsgrad von >50% bis teilweise 200% des BIP ihres Heimatlandes aufweisen. Diese Banken müssen überwiegend abgewickelt werden. Bei dieser Sachlage eine europäische Einlagensicherung installieren zu wollen, ist fiskalischer Selbstmord.