Die
Lösungswege der Kritiker der Neoklassischen Schule für den Euro umfassen
hauptsächlich drei Aspekte:
(a) Eine
Deckung der Banken im Euro-Raum mit einer gemeinsamen Einlagensicherung. Die
Rettung der Banken soll von der Problematik der Zahlungsfähigkeit der Staaten unbedingt
getrennt werden.
(b)
Die EZB soll als lender of last resort
(Kreditgeber letzter Instanz) agieren. Die EZB soll m.a.W. wie die einzelnen
Zentralbanken vorgehen.
(c)
Ein höheres Inflationsziel soll angepeilt werden. Weil „internal devaluation“ via Deflation ökonomisch untragbar und
politisch schwer machbar ist. Auf diese Weise wäre die Last der notwendigen
Anpassung im Euro-Raum wesentlich geringer.
Zum
(a): Es geht im Grunde genommen um die Regulierung der Finanzmärkte. Die Banken
müssen mit mehr Eigenkapital unterlegt werden.
Zum
(b): Die EZB soll mit der Garantie der Rolle als lender of last resort am Markt für Staatsanleihen die Rückendeckung unterstreichen,
damit eine von einem Bankensturm (bank
run) ausgelöste Liquditätskrise nicht in eine Solvenzkrise ausartet,wie Paul De Grauwe ausführlich schildert: „Die blosse Existenz eines lender of last resort stoppt die Kaskade
des Vertrauensverlustes“. Das heisst Chuck-Norris-Effekt der Geldpolitik.
Zum (c): Worauf Paul Krugman damit hinaus will, kommt in den Mainstream-Medien und beim
Durchschnittsbürger in Europa nicht (gut) an. Was damit eigentlich gemeint ist, dass
die Löhne in Deutschland steigen müssen, damit die Peripherie ihre Wettbewerbsfähigkeit
zurückgewinnt.
Handelsbilanz
Ungleichgewichte im Euro-Raum, Graph: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker in:
„The Euro – a Story of Misunderstanding“, 2011.
Geld
ist eine notwendige, aber nicht die hinreichende Bedingung. Wenn es, aus
welchem Grund auch, „zu viel Geld“ gibt, muss nicht sofort die Inflation
folgen.
Ein
aktuelles Beispiel: Die Notenbankgeldmenge ist in der Schweiz von rund 45 Mrd. CHF im Herbst 2008 auf 216 Mrd. CHF per Ende Mai 2012
gestiegen. Der massive Anstieg der Notenbankgeldmenge wird im Volksmund als „Geld-Drucken“
genannt. Hat sich die Inflation in der Schweiz beschleunigt? Nein. Ganz im
Gegenteil herrscht in der Schweiz Deflationsgefahr. Die Konsumentenpreise verlaufen in der Schweiz mittlerweile
den 9. Monat in Folge im negativen Bereich.
Obwohl
die herrschende Lehre der Ökonomen (siehe dafür den Protest-Aufruf der 160 Ökonomen in Deutschland) mit populären Vorurteilen den Teufel an
die Wand malt, hat Inflation zwei Ursachen: (1) hohe Nachfrage und (2) stark steigende
Kosten, wie Heiner Flassbeck in seinem lesenswerten Buch („Zehn Mythen der Krise“) beschreibt.
Zum
(1) Der Konsum ist im Sog der Krise ins Stocken geraten. Die harsche
Austeritätspolitik der EU lastet auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Das
gegenwärtige Umfeld der Volkswirtschaft zeigt, dass es zwischen Staatsschulden
und Inflation keinen engen Zusammenhang gibt.
Zum
(2) Es gibt einen kausalen und statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen
Lohnstückkosten und Inflation. Heiner
Flassbeck und Friederike Spiecker
setzen in ihrer lesenswerten Forschungsarbeit (The Euro – a Story of Misunderstanding“) die
Entwicklung der Löhne ins Verhältnis zur Entwicklung der jeweiligen nationalen
Arbeitsproduktivität und erklären Inflation anhand von diversen anschaulichen
Abbildungen überzeugend. Es gibt einen über 60 Jahre hinweg äusserst stabilen
Zusammenhang. Das heisst, dass Lohnstückkosten die Preise bestimmen.
Lohnstückkosten
bestimmen Preise, Graph: Heiner
Flassbeck und Friederike Spiecker in: „The
Euro – a Story of Misunderstanding“,
2011.
Eine
etwas höhere Inflationsrate in Deutschland (im Vergleich zu Handelspartnern im
Euro-Raum) bedeutet, dass Deutschland die Lohnzurückhaltung, die es in den
vergangenen 10 Jahren systematisch verfolgt hat, aufgibt. Denn die
Steigerungsrate der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten ist der wesentliche Bestimmungsfaktor
der nationalen Inflationsrate, wie Spiecker in NachDenkSeiten darlegt.
Und
Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept. Das heisst: Wenn einer an
Wettbewerbsfähigkeit verloren hat, muss ein anderer an Wettbewerbsfähigkeit
gewonnen haben, wie Spiecker weiter erläutert: „Ganz analog muss es so sein,
dass den Krisenstaaten mit den hohen Auslandsschulden Gewinnerstaaten mit hohen
Auslandsvermögen gegenüberstehen. Und eine Begrenzung der Schulden- und
Vermögenspositionen erfordern, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit zugunsten der
Schuldnerländer und zuungusten der Gläubigerstaaten verschieben müssen“.
Südeuropa
wird heute gezwungen, Produktivität zu steigern und die Preise sowie die Löhne
zu senken? Der Versuch, die wirtschaftlichen Probleme via Lohnsenkungen (d.h. „internal devaluation“) zu lösen, endet
in Deflation, was die Rezession vertieft. Südeuropa muss wieder
wettbewerbsfähig werden. Die Staatsschulden lassen sich durch Wachstum, nicht
durch Austerität abbauen. Die EZB muss also Kurs ändern.
Fazit: Vielleicht ist es besser, die
Diktion anzupassen. Anstatt zu fordern, dass Deutschland eine etwas höhere
Inflation im Verhältnis zu Handelspartnern in der EWU zulässt, sollte die Forderung
darauf ausgerichtet werden, dass die Löhne in Deutschland steigen müssen, um
den Euro zu retten, was für die Medien und den Durchschnittsbürger
verständlicher wäre. Auf diese Weise würde die der Natur einer Währungsunion zugrunde liegende
Lohnkoordination zwischen den Eurostaaten besser gehandhabt.
1 Kommentar:
Während c) wohl wenig streitig ist, dürfte a) und b) in der Praxis wohl kaum umgesetzt werden.
Es wird sich allerdings zeigen ob Inflation in den Geberländern und Deflationierung in den Nehmerländern tatsächlich nicht an den Wählern scheitern wird. Bis heute sind viele Regierungen in den Nehmerländern abgewählt worden.
Bei der Reform des bankwesens wünsche ich viel Erfolg. Seit Lehman 2008 ist in diesem Bereich nicht viel geschehen. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass Banken und Regierungen viel zu eng verknüpft sind. Darüber hinaus gibt es Länder, die offensichtlich der Meinung sind, verarbeitende Industrien durch Finanz"industrie" ersetzen zu können, um mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ausgleichen zu können. Die Rekapitalisierung der Banken zum heutigen Tage wird auch daran scheitern, dass in Europa mehr als 20 banken einen Verschuldungsgrad von >50% bis teilweise 200% des BIP ihres Heimatlandes aufweisen. Diese Banken müssen überwiegend abgewickelt werden. Bei dieser Sachlage eine europäische Einlagensicherung installieren zu wollen, ist fiskalischer Selbstmord.
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