Freitag, 20. August 2010

US-Treasury Bubble?

Schuldenfinanzierte Konjunkturpakete haben weder die Zinsen in die Höhe getrieben noch private Ausgaben verdrängt. Die anhaltende Schwäche der konjunkturellen Entwicklung und das sich abzeichnende Deflationsrisiko sorgen inzwischen dafür, dass die Renditen für Staatsanleihen in den Volkswirtschaften der industrialiserten Welt weiter fallen. Im tief depressiven Umfeld der Wirtschaft suchen Investoren nach sicheren, liquiden und hochwertigen Anlagen, wo sie das Geld parken können. Es gibt aber Stimmen, die immer lauter werden, dass der Anstieg der Preise für Staatsanleihen einer Blasenbildung gleichkomme. Insbesondere sei der US-Treasury Bondmarkt eine Blase, die kurz vor dem Platzen stehe, behaupten v.a. Defizitfalken. Renommierte Experten wie Jeremy Siegel und Jeremy Schwartz erwarten sogar ähnliche dramatische Kursabstürze wie am Aktienmarkt nach dem Platzen der Dotcom-Blase, wie sie in einem Artikel („The Great American Bond Bubble“) in WSJ zum Ausdruck bringen.


Inflationserwartungen, Graph: Fed Cleveland

In Bezug die TIPS (inflationsgeschützte Staatsanleihen), die unter die Marke von 1,0% gefallen sind, stellen die Autoren die Behauptung auf, dass die Bonds derzeit mit dem mehr als dem 100-fachen der erwarteten Auszahlung gehandelt werden. Die Möglichkeit, erhebliche Kapitalverluste einzufahren, ist für die Anleihen sehr gross, bemerken Siegel und Schwartz. Das ist natürlich ein kompletter Unsinn, wie Felix Salmon zu Recht hervorhebt. Weil erstens die Anleihen am Ende der Laufzeit zu 100% (plus Kuponzahlung) ausgezahlt werden, und zweitens ein Aktienkursabsturz von 80% mit einem Kursverlust von 3% oder 8% von Staatsanleihen überhaupt nicht vergleichbar ist.

Barry Ritholtz stellt die folgende Übersicht zusammen, wer pro, wer contra Position bezieht, ob sich eine Blase am Anleihemarkt gebildet hat oder nicht:

Pro: (Barry Ritholtz), Nassim Taleb, Doug Kass, Jeremy Siegel, Jack Crook, Fortune und Smart Money.

Contra: Brad DeLong, Pragmatic Capitalism, Minyanville und Zero Hedge.

PS : Zu Contra zählt natürlich auch Acemaxx-Analytics.

Wann spricht man aber von einer Markt-Blase? Beim Geschwätz der grossen „Bond-Blase“ handelt es sich um eine falsche Vorstellung von der Art und Weise, wie der Anleihemarkt für Treasuries tatsächlich funktioniert, bemerkt Pragmatic Capitalism in einem lesenswerten Eintrag. Eine Blase tritt auf, wenn die Marktkräfte sich zusammenschliessen, um eine höchst instabile Position zu generieren. Daraus resultiert ein extremes Ungleichgewicht, was letztlich scheitert. Die Ursachen dieser „Blase“ (oder extremen Ungleichgewichts) können viele sein, in erster Linie sind es psychologische: Beliebige Anzahl von exogenen Faktoren können zur Instabilität des System (z.B. die Politik der Regierung) beitragen, erklärt Pragmatic Capitalism. Zusammengefasst ist eine Blase ein irrationales psychologisches Marktumfeld, woraus ein extremes Ungleichgewicht resultiert und das System letztendlich kollabiert. Damit man von einer Blase sprechen kann, müssen also beide Aspekte (extermes Ungleichgewicht und systemischer Zusammenbruch) erfolgen.


Real-Rendite, Graph: Fed Cleveland

Was genau ist aber der US-Staatsanleihemarkt? Der Anleihemarkt ist eigentlich nichts weiter als ein Mechanismus, durch den die Zentralbank die Geldmenge steuert, erklärt Pragmatic Capitalism. Der beste Weg, zu verstehen, wie der Anleihemarkt funktioniert, ist, die Auktionen von US-Treasury Bonds zu studieren. Trotz des ständigen Kreischens über einen potenziellen Mangel an Käufern für Staatsanleihen ist weiterhin eine unglaublich hohe Nachfrage nach US-Treasury Bonds zu beobachten. Die UST-Verteigerungen sind immer überzeichnet. Und sie scheitern nie. Warum? Weil der Staat dafür sorgt, dass die Auktionen nicht fehlschlagen. Wie? Der Staatsanleihemarkt ist lediglich ein geldpolitisches Werkzeug, mit dem die Zentralbank die Kosten des Geldes kontrollieren kann, indem sie die Bankreserven im System kontrolliert. Diese Aktion wird vom Kongress als Buchhaltungsinstrument mandatiert, also eine Finanzierungsquelle, argumentiert Pragmatic Capitalism. In Wirklichkeit aber entleert die Zentralbank lediglich die Reserven, welche das Schatzamt ins Leben gebracht hat bzw. bei verschiedenen Banken abgelagert hat. Daher ist es nicht richtig, zu behaupten, dass es keine Käufer für US-Staatsanleihen geben wird. Während die Banken 0,25% auf ihre Einlagen bei der Zentralbank verdienen, ist es für die Banken ein Kinderspiel, Reserven zu halten, solange die Regierung eine Rendite über diese Marke anbietet. Der Staat offeriert im Grunde den Banken kostenloses Geld und die Zentralbank behält die Kontrolle über die Geldmenge, zumindest theoretisch. Solange die bid-to-cover Ratio bei den Auktionen 1:1 bleibt, ist es für die Zentralbank ein riesiger Erfolg, die Zielgrösse für Reserven unter Kontrolle zu halten, und den Kongress davon zu überzeugen, dass sie nicht Konkurs geht, legt Pragmatic Capitalism dar.

Inflationistas argumentieren seit Jahren, dass China aufhören würde, US-Staatsanleihen zu kaufen. Auch Japan würde so verfahren. Das Problem mit diesem Argument ist, dass China nicht unser Banker ist, erklärt Pragmatic Capitalism. Japan auch nicht. Was interessiert es die USA, wenn die genannten Länder US-Treasuries kaufen oder nicht. China und Japan wollen ihre Netto-Ersparnisse in US-Staatsanleihen anlegen. Zuletzt gab es die Nachricht, dass China weniger amerikanische Staatspapiere kauft. Die Renditen der US-Treasury Bonds fallen aber weiter. Die Nachfrage bleibt also enorm, selbst wenn die grössten Käufer sich zurückhalten. Die Nachfrage geht über die Menge hinaus, was die Fed benötigt. Wenn China weniger sparen will, dann werden die USA mehr sparen müssen. Was China damit machen will, ist seine Sache. Dadurch wird die US-Wirtschaft nicht untergehen.

Obwohl die ausserordentliche Massnahmen, die die Fed getroffen hat, die Bilanz der Bank ausgeweitet haben, um einen weiteren Preisverfall von Vermögenswerten zu verhindern, ist es nicht zu einem Jota von Inflation gekommen. In der Tat hält sich der private Sektor nach jüngsten Daten mit Ausgaben zurück, was die Preise weiter nach unten drucken könnte. In einem Deleveraging-Prozess hat die Fed weniger Kontrolle über die Geldmenge als viele vermuten. Bernankes monetaristischer Ausrutscher war seine Idee, dass die Rettung der Banken die Wirtschaft und auf diese Weise den privaten Sektor retten würde, so Pragmatic Capitalism. Dieser Ansatz hat sich als Fehler erwiesen. Die Rettungsaktionen sind nur wenig dem privaten Sektor zu Gute gekommen. Die Kreditvergabe durch die Banken wurde nicht angekurbelt. Daher ärgert sich Bernanke jetzt über die Disinflation.

Der wichtigste Faktor in der anhaltenden Debatte ist die blosse Realität der wirtschaftlichen Misere: Deflationsgefahr, hohe Arbeitslosigkeit, Überkapazitäten, fallende Hauspreise, steigende Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, Schuldenabbau im privaten Sektor usw. Wenn Aktien zu riskant erscheinen und der Immobilienmarkt unstabil ist, dann bleiben in einem tief depressiven Umfeld der Wirtschaft nur Staatsanleihen als sichere, liquide und hochwertige Anlagen, selbst wenn sie eine Rendite von 2,59% abwerfen. Das mag nicht die beste Wette der Welt sein, aber ist sie irrational? Bestimmt nicht. Von einer „Blase“ am Markt für Staatsanleihen zu reden, wäre daher vollkommen vermessen. Der Begriff „Blase“ ist völlig fehl am Platz. Die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley hat heute eingeräumt, dass ihre Prognose, was die Entwicklung der Treasury-Renditen betrifft, verfehlt war.

Eine rhetorische Bemerkung zum Schluss: Sind es aber im allgemeinen dieselben Personen, die die Blase am Immobilienmarkt übersehen haben und jetzt glauben, (aus dogmatischen Gründen) eine Blase am Anleihemarkt erkennen zu wollen?

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