Es gibt im Wesentlichen drei Ansichten über die Finanzkrise und die jüngste Rezession, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Fiscal Austerity and America’s Future“) in NYT. In den ersten Ansichten hebt sich die Debatte über das Haushaltsdefizit von dem, was in der Krise passiert ist, deutlich ab. Die dritte Ansicht verbindet die Finanzkrise eng mit der Wahrscheinlichkeit der Fiscal Austerity (fiskalische Sparmassnahmen). Laut der ersten Ansicht ist etwas schief gegangen, was die finanzielle Installation der Weltwirtschaft betrifft. Das heisst, dass es sich dabei um ein technisches Problem handelt. Es steht also nichts tiefer auf dem Spiel. Beispielsweise beruht die Dodd-Frank Finanzreform auf dieser Ansicht. Auch das amerikanische Finanzministerium mit Tim Geithner teilt diese Ansicht, was aber laut Johnson fehlgeleitet ist.
Nach der zweiten Ansicht ist das Finanzsystem tiefer gebrochen. Die Meinungen in Bezug auf die relative Bedeutung der verschiedenen Elemente (darunter too-big-to-fail, Anreiz-Problem usw.) weichen jedoch von einander ab. Die beiden ersten Ansichten konzentrieren sich hauptsächlich auf die Natur des Finanzsystems, etwas isoliert von der Wirtschaft. Die dritte Ansicht aber impliziert zunehmend, dass sowohl die erste als auch die zweite „zu schmal“ sind. Die tiefere Kritik reflektiert sich in den kürzlich vorgelegten drei neuen Büchern. Arianna Huffington vertritt die Ansicht, dass wir die Finanzkrise nicht isoliert betrachten sollen, sondern als das Ergebnis eines lange anhaltenden Verhaltensmusters. Ihrer Meinung nach ist die übermässige Verschuldung der privaten Haushalte das Ergebnis einer anhaltenden Ungleichheit in der Gesellschaft. Die Menschen verschulden sich, weil sie versuchen, Mittelschicht zu bleiben, erklärt Frau Huffington in ihrem Buch („Third World America“). Skrupellose Kreditgeber waren nur allzu bereit, solche Menschen auszunehmen. Raghu Rajan, der ehem. Chefökonom des IWF fokussiert in seinem Buch („Fault Lines“) auf die globale Wirtschaft. Robert Reich, der ehem. Arbeitsminister in der Clinton-Regierung untersucht in seinem Buch („Aftershock“) die sozialen und politischen Auswirkungen der Finanzkrise. Die drei Bücher befassen sich also mit verwandten Themen: die anhaltende Einkommensungleichheit in Folge der Finanzkrise durch verschiedene Mechanismen. Die Verteilung des Einkommen in den USA wird zweifellos immer ungleicher, bemerkt Johnson dazu.
Die Finanzkrise mag hinter uns liegen, aber die Verbindung zu der intensiven Debatte in diesem Herbst in Bezug auf die Fiskal-Politik ist direkt, argumentiert der an der MIT lehrende Wirtschaftsprofessor. „Uns wird gesagt, dass Sparmassnahmen eine sofortige Kürzung der Leistungen für die Menschen auf Bundes- Staaten- und kommunaler Ebene erfordern. Das ist einfach nicht wahr. Leute, die diese Ansicht tatkräftig vorantreiben, sind fiskalpolitisch unverantwortlich. Sie sind auf dem Weg, entwicklungsländertypische Probleme in den USA zu verschärfen, und damit die Voraussetzungen für eine weitere Finanzkrise zu schaffen, schlussfolgert Johnson.
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