Dienstag, 10. August 2010

Menzie Chinn: Wir haben bereits Deflation

Es ist eine schizophrene Welt. Auf der einen Seite gibt es viele Leute, die wegen Hyperinflation besorgt sind, obwohl Inflationsindikatoren Ruhe signalisieren und die tatsächliche Preisentwicklung abwärtsgerichtet ist. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die tatsächlich einen Blick auf die Daten werfen und ihre Beobachtungen mit Informationen über die enorme Konjunkturflaute verbinden und sagen, dass ein Inflationsanstieg unwahrscheinlich ist, schreibt Menzie Chinn im Blog „Econbrowser“. Chinn ist der Auffassung, dass man nicht auf den Inflationsbericht vom Freitag zu warten braucht, um die Inflationsentwicklung herauszufinden. Der an der University of Wisconsin lehrende Wirtschaftsprofessor zeigt auf, dass „wir über bestimmte Horizonte bereits Deflation haben“ und „die Inflation für bestimmte Segmente der Bevölkerung schon seit einem Jahr Null beträgt“.


Inflation 3-Monate (annualisiert) durch die CPI (ex. Energie) Schätzung für das 1. Quantil, das 3. Quantil und das 5. Quantil. CPI Schätzung als arithmetischer Durchschnitt, Graph: Prof. Menzie Chinn

Betrachtet man Standard-Indikatoren, sind CPI (Kern) und PCE Inflationsraten immer noch positiv. Es ist jedoch wichtig, zu bedenken, dass die Auswirkungen von Preisveränderungen auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten sich je nach Einkommensgruppe unterscheiden, erklärt Chinn. In der ersten Abbildung zeigt er den Verlauf der 3-Monate-CPI Wachstumsrate (annualisiert), welche sich auf die 1., 3. und 5. Einkommensquantilen bezieht. 3-Monate (annualisiert) Inflationsrate für das 5. Quantile ist sehr nahe daran, zum Stillstand zu kommen: etwa 0,5% im Juni 2010. Im Gegensatz dazu ist die Inflation durch das 1. Einkommens-Quantile nahezu 1%. Ein anderer Weg, diesen Unterschied hervorzuheben, ist, die Überprüfung der log-Niveaus der Indizes.

Warum soll man sich aber um das 5. Quantile kümmern? Ist man wegen des gesamtwirtschaftlichen Verbrauchs besorgt, dann ist es von Interesse, zu wissen, was mit dem oberen 20% geschieht. Laut Moody’s wird rund 60% des gesamten Konsums durch dieses Quantile erfasst. Wenn das Preisniveau, dem diese Einkommensgruppe gegenübersteht, fällt, dann wird sie entweder den Konsum verschieben, in Erwartung von noch niedrigeren Preisen in Zukunft, oder sie wird den Konsum je nach Vermögensveränderung (abhängig davon, ob man Netto Gläubiger oder Schuldner ist) erhöhen oder senken.

Alle CPI-Daten (3-Monate annualisiert) zeigen seit Mai bzw. April negative Werte für das 3. und das 5. Quantile. Auch das 1. Quantile ist im Juni zurückgegangen, erklärt Chinn.


Inflation 3-Monate (annualisiert) durch die CPI (ex. Energie) Schätzung für das 1. Quantil, das 3. Quantil und das 5. Quantil. CPI Schätzung als logarithmischer Durchschnitt, Graph: Prof. Menzie Chinn

PS: Ein Quantil ist ein Merkmalswert, der die Verteilung einer Variablen in zwei Teile teilt. Spezielle Quantile sind der Median, die Quartile, die Quintile und die Perzentile. Durch Quintile (lat. „Fünftelwerte“) wird die Verteilung in 5 gleich grosse Teile zerlegt. Unterhalb des ersten Quintils (d.h. des Quantils Q2) liegen 20% der Verteilung, unterhalb des zweiten Quintils (Quantil Q4) 40% usw.

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