Dienstag, 31. August 2010

Inflation und Zinssatz in Modellbildung

Es ist unbestritten, dass es sich lohnt, komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge mit lehrbaren Modellen darzustellen. Paul Krugman will daher anhand eines einfachen Modells zeigen, worum es bei der aktuellen Debatte um „Inflation und Zinssätze“ geht. In den zwei Abbildungen kombiniert Krugman die Vorstellung eines natürlichen Zinssatzes (natural real rate of interest) à la Wichsell mit der Beschreibung der Geldpolitik à la Taylor.

Die flachere Linie (mit einer 45 Grad Steigerung) in der Abbildung zeigt die Kombination von Inflation und Nominalzinsen, wo die Wirtschaft sich bei der natürlichen Rate der Arbeitslosigkeit (natural rate of unemployment) befindet.


Inflation und Zinssatz, Graph : Prof. Paul Krugman

Die Inflation beschleunigt sich, wenn die Wirtschaft unterhalb der Linie ist. Die Inflation bildet sich zurück, wenn die Wirtschaft oberhalb der Linie ist.

Die steilere Linie in der Abbildung stellt eine Taylor Regel dar, die das Verhalten der Zentralbank beschreibt: Die Zentralbank erhöht die Zinsen, wenn Inflation steigt, und die Zentralbank senkt die Zinsen, wenn Inflation fällt. Die Linie muss steiler als 45 Grad sein oder das Ding ist instabil, erklärt Krugman. Das langfristige Gleichgewicht ist dort, wo die zwei Linien sich kreuzen: Punkt 1.

Nun nehmen wir an, dass die Geldpolitik expansiver wird: Die Zentralbank senkt die Zinsen tiefer für eine bestimmte Inflationsrate. Damit verschiebt sich die Taylor Regel nach unten und nach rechts. Was geschieht jetzt? Die Wirtschaft geht von Punkt 1 zu Punkt 2: Der Zinssatz fällt. Im Lauf der Zeit steigt jedoch die Inflation. Und auch die Zinsen steigen. Schliesslich kommt die Wirtschaft zum Punkt 3: mit einer höheren Inflation und einem höheren Zinssatz.



Inflation und Zinssatz, Graph : Prof. Paul Krugman

Die Implikation ist natürlich so, dass eine Politik, die die Zinsen kurzfristig senkt, langfristig zu einer höheren Inflation und Zinssätzen führt. Und es gilt natürlich, dass eine Politik, die die Zinsen kurzfristig erhöht, langfristig die Inflation senkt.

Wie kann jemand jetzt damit nicht einverstanden sein? Hauptsächlich, indem man leugnet, dass es wirklich eine Unterscheidung zwischen der kurzen und der langen Sicht gibt. Indem man argumentiert, dass die Inflation sich sofort anpasst. Das wirft aber einige Fragen über die offensichtliche Realität auf, bemerkt Krugman. (1) Wie kann die Fed kurzfristige Zinsen überhaupt festlegen, wenn die Inflation nicht „sticky“ ist. (2) Die Erfahrung zeigt, dass die Inflation sich nur langsam ändert in Reaktion auf die Arbeitslosigkeit. Siehe z.B. die Erfahrung mit der Inflation in den 1970er und 1980er Jahren, so Krugman.

Fazit: „Die Debatte über Kocherlakota folgt Kocherlakotas sehr klaren Aussage, dass die derzeitige Geldpolitik der Fed deflationär ist. Das ist blanker Unsinn. Und es bleibt störend, dass ein Fed-Präsident so etwas sagt. Und es gibt Ökonomen, die ihm dabei zustimmen“, schlussfolgert Krugman.

PS: Die Wirtschaft befindet sich gegenwärtig nicht auf der Taylor-Regel Linie, weil die Zinsen an der Null Linie liegen. Aufgrund der schweren Finanzkrise hat sich der natürliche reale Zinssatz (natural real interest rate) nach unten verschoben. Auf diesem Punkt (mit blau angezeigt) würde jedes Fed-Verhalten, das sich auf die Taylor-Regel stützt, einen Zinssatz von Minus 5 bis 6% ergeben. Das geht aber nicht. Weil die „Wirtschaft in einem Zinssatz sitzen bleibt, der angesichts der niedrigen Inflation und einer sehr hohen Arbeitslosigkeit zu hoch ist“, erklärt Krugman. Entscheidend ist, um diese Position zu verstehen, dass sie sich nicht selbst korrigiert. Im Gegenteil: Wenn die Inflation im Laufe der Zeit sinkt, führt es möglicherweise zu einer eigentlichen Deflation, hält Krugman fest. Und die Wirtschaft steckt tiefer in der Falle. Was ist zu tun? (1) Die „wait-and-see“-Politik ist irreführend. Die Fed muss unkonventionelle Massnahmen ergreifen, und (2) Die Fiskalpolitik muss noch aggressiver gestaltet werden.

PPS:Was heisst Taylor-Regel? Die Taylor-Regel will aufzeigen, wie die Fed den kurzfristigen Zinssatz (Fed Funds Rate) festlegt. Krugman betrachtet eine Art Taylor-Regel, wobei der kurzfristige Zinssatz positiver Weise von der Inflation und negativer Weise von der Arbeitslosigkeit abhängt. Das ist machbar, solange der Koeffizient der Inflation grösser ist als eins. Was geschieht jetzt mit Inflation und Zinsen? (I) Strafft die Zentralbank die Geldpolitik, indem sie die Zinsen am kurzen Ende erhöht, fällt die Inflation im Laufe der Zeit. Auf lange Sicht schlägt sich die niedrige Inflation in niedrigen Zinsen nieder. Das ist keine Theorie, bemerkt Krugman. Das ist passiert, und zwar während der Disinflationsphase, als Volcker der Fed-Präsident war. (II) Umgekehrt führt eine lockere Geldpolitik kurzfristig zu niedrigeren Zinsen. Aber auf lange Sicht steigen die Zinsen.

Kocherlakota und seine Befürworter hingegen kehren jetzt das um und behaupten, weil auf lange Sicht niedrige Zinsen und tiefe Inflation Hand in Hand gehen, führt eine lockere Geldpolitik zu Disinflation und Deflation. Das ist Quatsch. Daher nennt Brad DeLong dies „cargo-cult-economics“.

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