Im
Mittelpunkt der Euro-Krise stehen die Handelsbilanz-Ungleichgewichte. Die
Aussenhandelsdefizite haben v.a. mit der Einführung der Gemeinschaftswährung in
Südeuropa zugenommen. Der Kapitalzufluss aus dem Kern Europas an den Rand
Europas hat zunächst einen Boom im Immobilienmarkt ausgelöst. Damit gingen
Lohnerhöhungen einher. Während die Lohnstückkosten an der Peripherie der EU
stark gestiegen sind, stagnierten sie aber im Kern der EU.
Der asymmetrische
Schock, der durch das Platzen der Spekulationsblase eingesetzt hat, zwingt die
Länder an der EU-Peripherie, die Kosten und Preise in die Reihe zu bringen. Wie
soll es aber vonstatten gehen?
Ein
möglicher Weg ist, dass die EZB die Geldpolitik weiter lockert und Deutschland sich
für Fiscal Stimulus engagiert, wie Paul Krugman beschreibt. Das würde zu
Vollbeschäftigung in Deutschland führen, während Spanien weiterhin einer
anhaltend hohen Arbeitslosigkeit gegenüberstehn würde. Die Löhne in Spanien
würden zwar kaum steigen, aber in Deutschland stark zulegen. M.a.W. würden die
Kosten in Deutschland zunehmen, in Spanien aber gleichbleiben.
Der ganze
Prozess würde für eine relativ einfache Anpassung für Spanien sorgen. Da die
deutsche Regierung Inflation nicht zulassen will, bleibt Spanien nicht anderes
übrig, als die Kosten durch Deflation anzugleichen, was im
Euro-Jargon „internal devaluation“ heisst.
Es handelt sich dabei jedoch um eine Herkulesaufgabe. Warum? Weil die Löhne
nach unten starr (wage rigidity) sind.
Die Löhne sinken nur langsam und widerwillig, auch im Angesicht der massiven
Arbeitslosigkeit.
Als Beispiel
ist hierbei Irland zu erwähnen. Irland gilt im Allgemeinen als
ein Land mit einem hoch „flexiblen“ Arbeitsmarkt, was im Klartext nichts
anderes heisst, dass die Arbeitskräfte schnell entlassen und wieder angestellt
werden können. Obwohl Irland sich seit drei Jahren mit internal devaluation anstrengt, sind die Löhne dort lediglich um 4%
gesunken. Das Land kommt also, wenn
überhaupt, nur sehr langsam voran. Ein weiteres Beispiel ist Island. Es ist das von der
Finanzkrise am stärksten betroffene Land. Die isländische Regierung hat
erklärt, dass sie keine Verantwortung für die ausser Kontrolle geratenen Banken
trägt. Die Landeswährung und die Löhne wurden darauf hin um 25% abgewertet.
Spanien, das nun gezwungen ist, Kosten und Preise nach unten
zu korrigieren, hat aber keine eigene Währung. Es muss wie die anderen von der
Krise geplagten Länder an der Peripherie durch eine ausgedehnte Zeitperiode der
hohen Arbeitslosigkeit gehen, so hoch, dass die rigiden Löhne allmählich anfangen,
zu fallen. Was zudem wichtig zu erwähnen ist, dass vor der Krise die höchsten
Schulden gerade in den Volkswirtschaften, die jetzt keinen gangbaren Weg haben,
um die Kosten zu senken, angehäuft worden sind. Im Privatsektor wohlgemerkt.
Mit dem Ausbruch der Krise schnellt sich auch die Haushaltsdefizite in die
Höhe. Warum? Weil die betroffenen Staaten haben Massnahmen treffen müssen, um
die notleidenden Banken zu retten. Die EU-Peripherie steht nun einer sehr
kostspieligen Deflation gegenüber, was die reale Last der Schulden (debt deflation) wesentlich steigern
wird.
Bemerkenswert
ist, dass Grossbritannien und Schweden heute deutlich besser da stehen
als viele andere Länder in der Eurozone. Wie Paul de Grauwe zum ersten Mal darauf hingewiesen hat, haben sich die
Länder ohne eigene Währung im Verlauf der Krise als besonders anfällig erwiesen. Das
Hauptargument des belgischen Ökonomen lautet,
dass die Märkte für Staatsanleihen in einer Währungsunion während einer Liquiditätskrise anfällig werden und
Ansteckungsgefahr entfalten.
Eine Krise
in einem Mitgliedsland der Währungsunion trägt die Gefahr in sich, eine sich
selbst verstärkende Abwärtsspirale auszulösen. Obwohl Grossbritannien mehr
Schulden hat und ein höheres Haushaltsdefizit aufweist als Spanien, ist die
Verzinsung der britischen Schuldtitel (1,75%) deutlich niedriger als die der
spanischen Staatspapiere (5,66%). Selbst wenn man die Deflationsgefahr in
Spanien in Erwägung zieht, sind die fiskalischen Aussichten in Grossbritannien
schlechter als in Spanien.
Warum kann
sich aber Grossbritannien am Kapitalmarkt zu günstigeren Konditionen Mittel
beschaffen als Spanien? Weil Grossbritannien eine eigene Währung hat, Spanien
nicht. Spanien steht daher dem Risiko gegenüber, dass die Liquidität
austrocknet. Was ist damit gemeint? Jeder Staat begibt kurzfristige Schuldtitel,
die in 2, 3 oder 5 Jahren erneuert werden müssen. Die Staaten sind m.a.W. auf roll-over dieser Papiere angewiesen. Wenn
aber auch nur ein Teil der Investoren sich weigert, die kurzfristigen Papiere
zu kaufen, kann ein an sich solventer Staat rasch in einen Zahlungsverzug (default) geraten. Kann so was in den USA
passieren? Nein. Weil die Fed sofort
einschreiten würde, indem sie gegebenfalls Geld druckt, um die Schuldtitel zu
bedienen. In der Eurozone hingegen weigert sich die EZB, als Kreditgeber der
letzten Instanz (lender of last resort)
zu agieren.
Eine Abkehr
vom Euro wäre ein politischer Rückschlag für das Europa-Projekt in Sachen
Einigung und Demokratisierung des Kontinents. Was sähe aber eine Lösung aus?
Paul Krugman legt in seinem Buch „End This Depression Now!“ nahe,
dass erstens die EZB Staatsanleihen der
Mitgliedsstaaten aufkaufen soll, um eine ausreichende Liquidität in der
Eurozone zu gewährleisten. Das bedeutet eine expansive Geldpolitik seitens der
EZB. Zweitens muss die Nachfrage nach Gütern aus Südeuropa angekurbelt werden,
damit die Staaten mit hohen Aussenhandelsbilanzdefiziten wieder Wettbewerbsfähigkeit
erlangen. Dafür bedarf es jedoch eines Konjunkturprogramms für Deutschland.
2 Kommentare:
Warum bedarf es jedoch eines Konjunkturprogramms für Deutschland? Diese Aussage verstehe ich nicht. Die stark steigende Inflation wird Vermögen, welches nicht in realen Werten (Güter) angelegt ist vernichten. Ich sehen hier eher die Gefahr, das die Wirtschaftsleistung zwischen Deutschland und rest Europa noch stärker auseinanderläuft und dann die Einheitswährung Euro zerfällt. Es gibt für den Euro nur eine theoretische Rettung. Die "Nord Länder" arbeiten mehr und transferieren Vermögen ohne Gegenleistung in die Südländer. Das ist nicht gewollt, somit kein Euro. Der Austritt Deutschlands aus dem Euro ist unausweichlich, die immense Aufwertung der neuen D-Mark und der daraus resultierende Einbruch des Exports wird ein Konjunkturprogramm notwendig machen.
Gruß aus Karlsruhe,
Danke für deinen Blog
Peter
Wenn die USA laut Krugman so besser da stehen als die Euro Länder, wie kommt es dann, dass die FED den Chinesen den direkten Zugang zu ihren Anleiheemissionen gestattet. Das ist Einmalig und keine Zentralbank der Welt hat diese Möglichkeit. Die Chinesen haben aber nur dann eine Vorteil davon, wenn der Dollar stark wird. Das kann nur passieren, wenn die FED die lockere Geldpolitik aufgibt. Ich vermute, dass die Chinesen Obama wieder in den Sessel helfen möchten und er ihnen dafür nach der Wahl einen starken Dollar versprochen hat. Denn nur dann macht das Ganze einen Sinn. Für den Euro bin ich mehr als optimistisch. Der Euro garantiert Deutschland die währungspolitische Flexibilität, die es für seine Exportwirtschaft braucht.
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