Freitag, 11. Mai 2012

Das Gerede über die strukturelle Arbeitslosigkeit


Paul Krugman berichtet in seiner lesenswerten Kolumne („Easy Useless Economics“) am Freitag in NY Times, dass er kürzlich eine autoritativ-klingende Analyse in The American Economic Review, einer der führenden Zeitschriften auf dem Gebiet, gelesen hat, wonach die hohe Arbeitslosigkeit in den USA tief strukturelle Wurzeln habe und daher für keine schnelle Lösung zugänglich sei.

Des Autors Diagnose lautet, dass die US-Wirtschaft einfach nicht flexibel genug sei, um mit dem raschen technologischen Wandel Schritt zu halten. Die Forschungsarbeit übt besonders an Programmen wie Arbeitslosenversicherung Kritik aus, weil sie den Anreiz, sich anzupassen, reduzieren.

Die Arbeit stammt aus dem Jahr 1939. Nur wenige Monate später, nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, nach dem die USA begonnen hatten, obwohl am Krieg nicht beteiligt, sich militärisch aufzurüsten, und zwar ein Konjunkturpaket auf einer Skala von der Tiefe des konjunkturellen Abschwungs bereitstellend. Und zwei Jahre nach der Veröffentlichung des erwähnten Artikels über die Unmöglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, ist die Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft in den USA um 20% gestiegen, was heute 26 Mio. Jobs entspricht, erläutert Krugman.

Nun ist die US-Wirtschaft in einer anderen Depression, nicht so schlimm wie die letzte, aber schlimm genug. Und wieder einmal bestehen massgeblich-klingende Daten darauf, dass unsere Probleme „strukturell“ sind, sodass sie nicht schnell behoben werden können. Wir müssen uns auf die lange Sicht konzentrieren, sagen die Leute, die glauben, dass sie verantwortlich handeln. Die Wahrheit ist aber, dass sie zutiefst unverantwortlich agieren, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises dar.

Was heisst es aber, dass wir ein Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit haben? Die übliche Version ist, dass die amerikanischen Arbeitnehmer sich in den falschen Branchen oder mit falschen beruflichen Fertigkeiten anstrengen. Raghuram Rajan von der University of Chicago urteilt in einem viel zitierten Artikel, dass das Problem die Notwendigkeit ist, die Arbeitskräfte von den aufgeblähten“ Sektoren wie Wohnungswesen, Finanz und dem öffentliche Sektor wegzubewegen.

Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor pro Kopf ist über Jahrzehnte mehr oder weniger flach verlaufen. Unabhängig davon, was solche Geschichten nahelegen wollen, hat der Verlust an Arbeitsplätzen seit Beginn der Krise nicht v.a. in den Branchen, die in den Bubble-Jahren angeblich zu gross geworden sind, stattgefunden, unterstreicht Krugman.

Arbeitsplätze sind in allen Bereichen der Wirtschaft abgebaut worden, in fast jeder Branche und jedem Beruf, so wie es in den 1930er Jahren passiert ist. Wenn das Problem so wäre, dass viele Arbeitnehmer falsche berufliche Fertigkeiten hätten und im falschen Sektor angesiedelt wären, müsste man erwarten, dass die Arbeitnehmer mit richtigen beruflichen Fertigkeiten und im richtigen Sektor Lohnerhöhungen erfahren würden. In Wirklichkeit gibt es nur wenige Gewinner unter Arbeitskräften.

All das deutet stark darauf hin, dass die Wirtschaft nicht eine Art Strukturwandel erleidet, der allmählich seinen Lauf nimmt, sondern unter einem Mangel der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage leidet, hebt Krugman hervor. Das heisst, eine Art Mangel, der schnell mit einem Konjunkturprogramm behoben werden könnte und sollte, indem die öffentliche Hand die Ausgaben erhöht.

Was hat es also mit dem obsessiven Druck auf sich, die Probleme „strukturell“ zu bezeichnen? Die gegenwärtigen Probleme als tief und strukturell zu erklären, ist ein Vorwand, nicht zu handeln, um nichts zu tun, um die Not der Arbeitslosen zu lindern.

Das ganze Gerede über die strukturelle Arbeitslosigkeit ist nichts anderes als, den Tatsachen nicht ins Auge zu sehen, den realen Problemen der Wirtschaft aus dem Weg zu gehen, den einfachen nutzlosen Ausweg zu suchen. Es ist Zeit, damit aufzuhören.

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