Sonntag, 27. Mai 2012

Britische Wirtschaft und Sparpolitik


Die britische Zeitung The Telegraph nennt Paul Krugman in einem wunderlichen Artikel („Britain can’t afford to fall for the charms of the false economics Messiah Paul Krugman“) als den „falschen Messias“ mit „satanischer Absicht“.

Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises wundert sich, ob jemand nun versuchen werde, ihn mit Weihwasser zu besprengen, um zu sehen, ob er in einer Wolke aus beissendem Rauch verschwindet.

Eine Idee wäre, dass Krugman an der University of Princeton einen neuen Kurs einführt: „Economics 666“.

Im Grunde genommen hat Krugman alle Fragen, die in dem oben genannten Artikel aufgeworfen werden, in seinem aktuellen Buch („End This Depression Now!“) ausführlich geklärt.

Kann aber Cameron tatsächlich keine Schuld für die Double-Dip Rezession zugeschrieben werden, weil es in Grossbritannien bislang angeblich noch keine wirklichen Sparmassnahmen ergriffen worden sind?

Es stimmt aber nicht, dass die britische Regierung keine Sparmassnahmen getroffen hat. Die öffentlichen Investitionen sind in Grossbritannien bereits regelrecht eingebrochen, wie Jonathan Portes in seinem Blog berichtet.


Netto-Investitionen der öffentlichen Hand in Grossbritannien, Graph: Jonathan Portes

Es wäre zwar rein theoretisch denkbar, den restriktiven fiskalpolitischen Kurs zu rechtfertigen, wenn Grossbritannien unter einem Engpass an Bargeld (cash squeeze) leiden würde. Es ist aber nicht der Fall. Das Land kann sich nämlich sehr günstig Kapital am Markt beschaffen, und zwar zu fast Null Konditionen für die lange Frist.

Angesichts der Tatsache, dass die öffentlichen Investitonen produktiv sind, bedeutet der Sparkurs der Cameron-Regierung, dass die Austeritätspolitik selbstzerstörend wirkt. Die britische Regierung mag heute eine unbedeutende Menge an Zinszahlungen sparen. Aber sie erwürgt gleichzeitig das langfristige Wirtschaftswachstum und damit die Einnahmen der öffentlichen Hand.

Das wichtigste Argument, welches Krugman in seinem Blog bereits vorgetragen hatte, ist, dass die Austeritätspolitik, auch wenn ein grosser Teil der Sparpolitik noch realisiert werden muss, bereits kläglich versagt hat.

Die Anhänger der Cameron-Regierung behaupten dennoch, dass die Sparmassnahmen noch nicht ergriffen worden seien. Krugman hält entgegen, dass die Austeritätspolitik von Anfang an „vertrauenerweckend“ einschlagen sollte. Wo ist aber das Vertrauen? Die expansive Sparpolitik wirkt bereits heute kontraktiv.

Die britische Produktionsleistung, die immer noch 4% unter dem Spitzenwert aus dem Jahr 2008 liegt, dürfte sich auf dieses Niveau wahrscheinlich nicht vor 2014 aufrappeln.

Auf die Frage, warum er die Ansicht vertritt, dass die britische Regierung in Sachen Fiscal Policy einen Kurswechsel vornehmen soll, antwortet Portes, dass es nun Zeit für die Regierung ist, angesichts der günstigen langfristigen Kreditkosten seit Menschengedenken, der hohen Arbeitslosigkeit und reichlich vorhandenen freien Kapazitäten, einer knarrigen Infrastruktur und eines chronischen Mangels an Wohnraum, Kredit aufzunehmen und zu investieren. 

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Unglaublicher Artikel im Telegraph, die Neoliberalen haben England offensichtlich immer noch fest im Griff, zumindest medientechnisch. Krugman als Messias oder falschen Propheten mit satanischen Absichten zu bezeichnen, finde ich grotesk. Übelste Propaganda. Kopfschütteln.