Junge,
Junge! Es tut weh, zu lesen, dass Dirk
Elsner in seinem ausgezeichneten Blog schreibt, dass die
Austerität-Debatte ihn wirklich nervt. Wie kann man aber im Angesicht der anhaltenden
Massenarbeitslosigkeit weltweit (d.h. auch im Euroland) davon reden, dabei müde
zu werden?
Die
Jugendarbeitslosigkeit ist in
Spanien und Italien inzwischen über 50% gestiegen. Auch in anderen EU-Ländern
finden junge Menschen kaum eine Beschäftigung.
Es
ist augenfällig, dass das Krisenmanagement und die pro-zyklische
Wirtschaftspolitik der Verfechter der Austeritätspolitik in der Euro-Zone an
empirischen Befunden gescheitert sind. Spanien hat aufgrund des von
Brüssel aufgenötigten rigorosen Sparkurses das Budget für Bildung, Kultur und
Sport um 21% gesenkt. Die Jugend in Europa geht vor die Hunde.
Ist
es aber möglich, durch die Senkung der Staatsausgaben die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage anzukurbeln? Ja. In der Tat gibt es zwei Wege, wie Paul Krugman in seinem neuen Buch „End This Depression Now!“ darlegt, wodurch Ausgabenkürzungen grundsätzlich
zu einem Anstieg der Nachfrage führen können: (1) durch die Senkung der Zinsen,
und (2) dadurch, dass die Wirtschaftssubjekte veranlasst werden, in Zukunft mit
tieferen Steuern zu rechnen.
Wie
sieht der Weg via Zinsen aus? Eine Regierung, die sich bemüht, das
Haushaltsdefizit zu kürzen, kann die Investoren beeindrucken, ihre Erwartungen
in Bezug auf die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand in Zukunft nach unten zu
korrigieren und damit auch ihre Erwartungen in Bezug auf den Verlauf der
Zinssätze anzupassen.
Stimulus versus Austerity, Graph: Prof. Paul Krugman
Weil
die gegenwärtigen langfristigen Zinsen die Erwartungen in Bezug auf die Zinsen
in Zukunft widerspiegeln, kann die Erwartung, dass der Staat in Zukunft weniger
Schulden aufnehmen wird, zu niedrigen Zinsen in der Gegenwart führen.
Die
Sparmassnahmen könnten aber auch die Verbraucher beeindrucken. Die Bemühungen
des Staates, die Schulden zu reduzieren, kann die Konsumenten veranlassen, mit
niedrigeren Steuern in Zukunft zu rechnen als sonst. Der Glaube an eine
geringere Besteuerung in Zukunft würde dafür sorgen, dass die Konsumenten sich
heute reicher fühlen und deswegen ihre Ausgaben erhöhen.
Würden
aber die vorteilhaften Auswirkungen durch die beiden Wege (Zinsen und Steuern)
die direkten depressiven Auswirkungen der Ausgabenkürzungen der öffentlichen
Hand in der Gegenwart ausgleichen, vor allem unter den Umständen, die seit der
Pleite von Lehman Brothers vorherrschen?
Es
fällt schwer, daran zu glauben. Denn es gibt so was wie expansive Sparpolitik (expansionary
austerity) nicht. Die von den Anhängern der Sparpolitik (fiscal austerity) hervorgehobenen Effekte,
die sich auf Vertrauen beziehen, existieren einfach nicht. Zumal die Zinsen
heute bereits auf der Nullgrenze liegen, und daher nicht weiter gesenkt werden
können. Und Hand aufs Herz, wer würde heute schon die Ausgaben im laufenden
Jahr gestützt auf Schätzungen in Bezug auf die fiskalische Situation von heute
und die sich daraus ergebenden Steuersätze in den nächsten fünf oder zehn
Jahren gestalten wollen? Die Verfechter der Austeritätspolitik berufen sich aber
auf die Vertrauen Fee (confidence fairy).
Was
auch nicht in Vergessenheit geraten darf, ist die Tatsache, dass eine Regierung
jedes Jahr Schulden in Höhe von 2% des BIP machen kann. Wenn die Wirtschaft
nominal um 4% wächst, bleibt die Schuldenquote bei 50%. Wenn
die Wirtschaft also schneller wächst als die Schulden, geht die Schuldenquote
zurück.
Hinter
der Debatte („stimulus versus austerity“) steckt in Grunde genommen das
Dogma der neoliberalen Schule „Staat ist Problem, Markt ist Lösung“. Das Sparen eines
privaten Haushaltes ist aber nicht wie das Sparen einer Volkswirtschaft. Eine
Familie kann einfach weniger Geld ausgeben, wenn sie mit dem Budget nicht mehr
zurechtkommt. Das klappt, weil die Einnahmen der Familie konstant bleiben. Die
Einnahmen gehen nicht zurück, wenn die Familie spart. Wenn aber die öffentliche
Hand stark spart, dann stürzt die Konjunktur ab, da das Einkommen des Staates
nicht gegeben sind. Wenn die gesamte Volkswirtschaft spart, dann fallen die Steuereinnahmen weg.
Das
ist der Unterschied zwischen der einzelwirtschaftlichen (micro) und der gesamtwirtschaftlichen (macro) Logik. Kollektives Sparen (bei den privaten Haushalten, den
Unternehmen und auch beim Staat) führt laut Peter Bofinger dazu, dass die
Einnahmen zurückgehen.
Die
Unternehmen denken einzelwirtschaftlich. Das ist in Ordnung. Aber das ist auch
ein Grund, warum es den Staat braucht, wie Heiner Flassbeck zum Ausdruck bringt. Das einzelwirtschaftliche Denken
ist für die Gesamtheit falsch. Darum braucht es Korrekturen und Regulierung.
Jens Berger bezeichnet in seinem
lesenswerten Buch „Stresstest Deutschland“ die
schwäbische Hausfrau als "Kardinalfehler des deutschen Denkens“.
Keynes sagt, dass der Aufschwung, nicht
der Abschwung der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen ist. Die
Austeritätspolitik hat bisher einen enormen Schaden bei den Menschen
angerichtet. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist zwar nicht so schlimm wie
die Grosse Depression, aber schlimm genug. Wir wissen heute, dass die
staatlichen Investitionen die Krise der 1930er Jahre beendet haben. Wir
verfügen heute über die Erkenntnisse und die Instrumente, dem menschlichen
Elend ein Ende zu setzen. „Stimulus versus Austerity“ bedeutet irgendwie auch „ökonomische
Beweise versus politische Vorurteile“.
PS:
Dirk Elsner erbringt mit seinem
Blog Blick Log eine grossartige Leistung.
Vor allem ist die Mindmap deutscher Wirtschaftsblogs (236) ist eine
erstklassige Arbeit, die für die Verlinkung von zahlreichen deutschsprachingen
Blogs sorgt.
Die
comdirect bank hat kürzlich in Berlin
den finanzblog award 2012 verliehen.
Der erste Preis ging an „Blick Log“. Autor Dirk Elsner erklärt komplexe
wirtschaftliche Zusammenhänge so kompenent und prägnant, wie es in Deutschland
kaum eine Grossredaktion schafft, lautet die Begründung der Jury.
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