Das
menschliche Drama am Rande der Euro-Zone nimmt kein Ende. Die Jugendarbeitslosigkeit
verharrt auf mehr als 50 Prozent.
Warum
gibt es aber so starke politische Unterstützung für die Sparmassnahmen, die
Kürzung von Staatsausgaben und die Entlassungen in einer Zeit der
Massenarbeitslosigkeit?
Vielleicht
haben wir die falsche Metapher, die in unseren Köpfen steckt und die
politischen Entscheidungen in irreführender Weise gestaltet, scheibt Robert Shiller in einem lesenswerten
Artikel („How National Belt-Tightening
Goes Awry“) in NY Times.
Offensichtlich
haben Metaphern und andere Symbole tatsächliche Bedeutung in unserem Denken,
wie George Lakoff und Mark Johnson in ihrem Buch von 1980 “Metaphors We Live By” zeigen, erklärt
Shiller: „Unser gewöhnliches Begriffssystem, wie wir denken und handeln, ist
grundlegend metaphorischer Natur“.
Man
betrachte das aktuelle Denken über die Steuern und die Kürzung der
Staatsausgaben. Wir scheinen uns in Metapher von „Familie muss die Gürtel enger
schnallen“ verhakt zu haben, wo der Staat als eine Famile angesehen wird,
welche mehr ausgegeben als eingenommen hat und versucht, alles wieder unter
Kontrolle zu bringen. „Die Familie muss die verschwenderischen Ausgaben kürzen,
sparen und die Schulden zurückzahlen. Es ist ein mächtiger Gedanke, weil wir
wissen, das Missmanagement der Haushaltskasse zu einem Ruin der Familie führen
kann“, schildert der an der Yale
University lehrende Wirtschaftsprofessor.
Die
vielleicht wichtigste Lektion, die der grosse Ökonom John Maynard Keynes vermittelt hat, ist die vollkommen irreführende
Metapher, die sich auf die gesamte Volkswirtschaft bezieht:
Was
für eine Familie smart ist, ist für eine Gesellschaft als Ganzes nicht smart.
Dieses Phänomen ist als Paradox of thrift
(Sparparadoxon) bekannt. Das heisst,
dass die Wirtschaft, wenn alle auf einmal die Gürtel enger schnallen, sich so
abschwächt, dass wir damit scheitern, weil wir alle am Schluss schlechter dran
sind als zuvor. Wenn das passiert, dann ist einiges kollektives Handeln
erforderlich: staatliche Konjunkturprogramme.
„Leider
kann die ökonometrische Forschung nicht endgültig beweisen, ob Keynes Recht hat
oder nicht. Weil ein gründliches, wissenschaftliches, kontrolliertes Experiment
unmöglich ist, v.a. wenn es um die Erfassung einer entsprechend grossen
Stichprobe von ganzen Nationen geht“, hebt Shiller hervor: „Daher ballen sich
abstrakte Theorie, Intuition und Metaphern besonders gross in unserem Denken
zusammen“.
Shiller
plädiert deswegen für einen anderen Ansatz: eine Metapher von „Ein Winter auf
der Familienfarm“, die in schlechten Zeiten zum Einsatz kommen soll. Wenn der
Winter kommt, und es gewöhnlich keine Arbeit im Anbau und Ernte gibt, sollten
wir uns alle dennoch irgendwie beschäftigen, indem wir uns z.B. langfristigen
Projekten auf der Farm widmen: Scheune flicken, Brunnen graben, oder Zaun bauen.
Die Farm erfordert, dass alle Mitglieder eine Art Steuer zahlen, indem sie Arbeit
spenden.
Es
geht im Grunde genommen um die Theorie, die William Salant und Paul
Samuelson entwickelt hatten: „balanced-budget
theorem“ (siehe dazu auch hier). Wenn ein Land die Steuern erhöht und
die Ausgaben um den gleichen Betrag steigert, in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit,
und wenn die Geldpolitik akkommodierend ist, wächst das Volkseinkommen um genau denselben Betrag der Steuern, sodass
das Ergebnis (Einkommen) nach Steuern unverändert bleibt. M.a.W. ist der „balanced-budget Multiplikator“ (siehe
mehr dazu hier) gleich eins. Wie auf der
Familienfarm im Winter kann ein Staat durch Steuern Vollbeschäftigung
wiederherstellen und braucht sich nicht zu verschulden, um die Wirtschaft
anzukurbeln.
François Hollande, der neu gewählte Präsident
Frankreichs hat während seiner Wahlkampagne vorgeschlagen, die hohe
Arbeitslosigkeit, die in seinem Land auf 10% geklettert ist, durch die Einstellung
von 60‘000 Lehrern und eine gleichzeitige Steuererhöhung für Einkommen von mehr
als 1 Mio. Euro zu bekämpfen.
Wenn
die Steuererhöhung, im Zusammenhang mit zusätzlichen Steuereinnahmen, die die
neuen Lehrer beisteuern würden, mit dem Anstieg der Staatsausgaben
übereinstimmen würde, würde der balanced-budget
Satz voll zur Entfaltung kommen. Der Effekt dürfte sogar grösser sein als eins
zu eins, da die Steuererhöhung sich auf die Bürger mit hohem Einkommen
konzentriert und die neuen Lehrer das Geld wahrscheinlich sofort ausgeben
würden.
Überraschenderweise
wird Hollandes Politik als „verschwenderisch“ kritisiert. Wenn aber die
Steuererhöhung die Kosten der neu eingestellten Lehren decken würde, gäbe es
keinen Anstieg der französischen Staatsausgaben. Stattdessen hätten Menschen,
die jetzt keine Beschäftigung haben, eine Arbeit und junge Menschen würden eine
bessere Ausbildung erhalten.
1 Kommentar:
Theoretisch ist das bestechend und ich denke auch praktisch sinnvoll.
Das Problem ist, dass es Transfer von Reich nach Arm bedeutet und das stösst bisher auf massiven Widerstand der leute mit Vermögen.
Außerdem müssten viele zugeben, dass die "The government ist always the problem, never the solution" Ideologie falsch ist. Und dieser Sinneswandel braucht Zeit.
Leider.
Kommentar veröffentlichen