J.P.
Morgan Chase hat sich verspekuliert. Die grösste Bank der USA hat
nach eigenen Angaben seit Ende März 2 Mrd. $ verloren. Grund: eine
„fehlgeschlagene“ Handelsstrategie. Verantwortlich für die „wesentlichen
Buchverluste“ mit Kreditprodukten sei der Chief Investment Office, wie die Bank
gestern der Börsenaufsicht mitgeteilt hat.
Jamie
Dimon, CEO der Bank hat in einer Presseerklärung davon gesprochen, dass das
Desaster selbst verschuldet ist. Die J.P. Morgan Aktie hat nachbörslich um rund
7% an Wert verloren.
Die amerikanische Bank war bereits vor rund vier
Wochen in die Schlagzeilen geraten. Das WSJ
hat am 6. April in einem ausführlichen Artikel („London Whale Rattles Debt Market“) von einem JP Morgan Händer mit
dem Spitznamen „The London Whale“ berichtet.
„Der Londoner Wal“ genannte Händler hatte im
Eigenhandel (proprietary trades) in einem
ungewöhnlichen Ausmass hohe Positionen im Verkauf von CDS (Credit Default
Swaps) aufgebaut. Es geht um den Verkauf von „Versicherungen gegen mögliche Kreditausfälle“
für Unternehmen mit Investment Grade
im Zusammenhang mit dem Index CDX.IG.NA.
Der Londoner Wal hat m.a.W. CDS auf Unternehmen (IG)
in Nordamerika (NA) im Index CDX verkauft. Das bedeutet, dass der Händler eine „bullische
Haltung“ in Bezug auf die vom CDX erfassten 125 Unternehmensanleihen
eingenommen hat. Es ist eine Wette, dass die einschlägigen Unternehmensanleihen
an Wert gewinnen, und die Preise von CDS dementsprechend fallen würden. Würden
die CDS-Preise fallen, würde die JP Morgan die CDS zu einem niedrigeren Preis
zurückkaufen, und den Unterschied als Gewinn buchen.
Manche Hedge Fonds
haben offenbar entgegengesetzte Positionen eingenommen, weil sie die Ansicht
vertreten, dass es sich dabei um sog. Eigenhandelsgeschäfte handelt, die im Wesentlichen
gegen die Volcker-Regel verstossen.
Einige Marktteilnehmer gingen davon aus, dass die Positionen des Londoner Wals
so gross waren, dass er Geld verlieren müsste, wenn der Index einen
entgegengesetzten Verlauf einnehmen würde. JP Morgan hatte argumentiert, dass
der Händler aus London „keine direktionale Wetten gegen die Märkte“ eingehe,
sondern lediglich die Risiken der Bank absichere. Der netto „notional“ Volume
des Index („CDX IG 9“) ist seit Jahresbeginn von rund 92,6 Mrd. $ auf 144,6
Mrd. $ geklettert.
Der aktuelle Milliarden Zocker-Flop der JP Morgan legt
erneut nahe, dass das Finanzsystem Regulierung braucht. Es waren nicht einige
Länder, die haushaltspolitisch unverantwortlich gehandelt hätten, sondern das unregulierte
Bankensystem, welches die Finanzkrise von 2008 ausgelöst hat.
Die Finanz-Lobby hat aber bereits dafür gesorgt, dass
die Volcker-Regel, die im Rahmen der Dodd-Frank Gesetzgebung umgesetzt werden
soll, auf viel Gegenwind stösst. Vor diesem Hintergrund schreibt Simon Johnson heute in einem lesenswerten Artikel („Breaking Up Four Big Banks“) in NY Times, dass die Idee, die
grossen Finanzinstitute regulatorisch aufzubrechen, wieder an Momentum gewinne.
Der an der MIT Sloan lehrende
Wirtschaftsprofessor deutet auf die SAFE
Banking Act (Safe, Accountable, Fair
und Efficient Banking) hin, die von Senator Sherrod Brown (Demokrat aus
Ohio) gestern vorgestellt wurde.
Die Proposition, die wahrscheinlich nicht schnell
Gesetzeskraft erlangen dürfte, ist einfach: die Too-big-to-fail Banken sollen verkleinert werden, klein genug, dass
keine globale Panik entsteht, wenn sie fehlschlagen. Die grossen Banken und das
amerikanische Schatzamt leisten aber dagegen Widerstand.
Senator Browns Gesetzesvorlage spiegelt auch die Idee
wider, dass die Banken sich stärker mit Eigenkapital und mit weniger
Fremdkapital finanzieren sollen. Prof. Anat Admati und Johnson haben zusammen mit anderen 11 Kollegen einen Brief vorgelegt, indem sie die
Attraktivität einer verbindlichen „Leverage
Ratio“ für die grossen Banken hervorheben. Die Banken sollen mindestens 10%
Eigenkapital im Verhältnis zum Gesamtvermögen aufweisen. Dabei soll ein
einfacher Messwert in Bezug auf die Aktiva an den Tag gelegt werden, nicht eine
komplizierte „Risikogewichtung“, mit der die Banken nach eigenem Gutdünken spielen
können.
Johnson vertritt die Meinung, dass die SAFE-Banking Act
das Risiko und die möglichen Kosten für die Steuerzahlen begrenzen und die
Grösse der Banken in Bezug auf die Verbindlichkeiten gegenüber der Wirtschaft
eindeckeln würde. Dem Gesetzesvorschlag nach dürfte keine Bank-Holdingsgesellschaft
über mehr als 1‘300 Mrd. $ Verbindlichkeiten verfügen. Die Massnahme ist
moderat und würde laut Johnson die internationale Wettbewerbsfähigkeit der
Banken nicht schmälern.
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