Freitag, 11. Mai 2012

Banken und Fehlspekulationen im Eigenhandel


J.P. Morgan Chase hat sich verspekuliert. Die grösste Bank der USA hat nach eigenen Angaben seit Ende März 2 Mrd. $ verloren. Grund: eine „fehlgeschlagene“ Handelsstrategie. Verantwortlich für die „wesentlichen Buchverluste“ mit Kreditprodukten sei der Chief Investment Office, wie die Bank gestern der Börsenaufsicht mitgeteilt hat.

Jamie Dimon, CEO der Bank hat in einer Presseerklärung davon gesprochen, dass das Desaster selbst verschuldet ist. Die J.P. Morgan Aktie hat nachbörslich um rund 7% an Wert verloren.

Die amerikanische Bank war bereits vor rund vier Wochen in die Schlagzeilen geraten. Das WSJ hat am 6. April in einem ausführlichen Artikel („London Whale Rattles Debt Market“) von einem JP Morgan Händer mit dem Spitznamen „The London Whale“ berichtet.

„Der Londoner Wal“ genannte Händler hatte im Eigenhandel (proprietary trades) in einem ungewöhnlichen Ausmass hohe Positionen im Verkauf von CDS (Credit Default Swaps) aufgebaut. Es geht um den Verkauf von „Versicherungen gegen mögliche Kreditausfälle“ für Unternehmen mit Investment Grade im Zusammenhang mit dem Index CDX.IG.NA.

Der Londoner Wal hat m.a.W. CDS auf Unternehmen (IG) in Nordamerika (NA) im Index CDX verkauft. Das bedeutet, dass der Händler eine „bullische Haltung“ in Bezug auf die vom CDX erfassten 125 Unternehmensanleihen eingenommen hat. Es ist eine Wette, dass die einschlägigen Unternehmensanleihen an Wert gewinnen, und die Preise von CDS dementsprechend fallen würden. Würden die CDS-Preise fallen, würde die JP Morgan die CDS zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen, und den Unterschied als Gewinn buchen.

Manche Hedge Fonds haben offenbar entgegengesetzte Positionen eingenommen, weil sie die Ansicht vertreten, dass es sich dabei um sog. Eigenhandelsgeschäfte handelt, die im Wesentlichen gegen die Volcker-Regel verstossen. Einige Marktteilnehmer gingen davon aus, dass die Positionen des Londoner Wals so gross waren, dass er Geld verlieren müsste, wenn der Index einen entgegengesetzten Verlauf einnehmen würde. JP Morgan hatte argumentiert, dass der Händler aus London „keine direktionale Wetten gegen die Märkte“ eingehe, sondern lediglich die Risiken der Bank absichere. Der netto „notional“ Volume des Index („CDX IG 9“) ist seit Jahresbeginn von rund 92,6 Mrd. $ auf 144,6 Mrd. $ geklettert.

Der aktuelle Milliarden Zocker-Flop der JP Morgan legt erneut nahe, dass das Finanzsystem Regulierung braucht. Es waren nicht einige Länder, die haushaltspolitisch unverantwortlich gehandelt hätten, sondern das unregulierte Bankensystem, welches die Finanzkrise von 2008 ausgelöst hat.

Die Finanz-Lobby hat aber bereits dafür gesorgt, dass die Volcker-Regel, die im Rahmen der Dodd-Frank Gesetzgebung umgesetzt werden soll, auf viel Gegenwind stösst. Vor diesem Hintergrund schreibt Simon Johnson heute in einem lesenswerten Artikel („Breaking Up Four Big Banks“) in NY Times, dass die Idee, die grossen Finanzinstitute regulatorisch aufzubrechen, wieder an Momentum gewinne. Der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor deutet auf die SAFE Banking Act (Safe, Accountable, Fair und Efficient Banking) hin, die von Senator Sherrod Brown (Demokrat aus Ohio) gestern vorgestellt wurde.

Die Proposition, die wahrscheinlich nicht schnell Gesetzeskraft erlangen dürfte, ist einfach: die Too-big-to-fail Banken sollen verkleinert werden, klein genug, dass keine globale Panik entsteht, wenn sie fehlschlagen. Die grossen Banken und das amerikanische Schatzamt leisten aber dagegen Widerstand.

Senator Browns Gesetzesvorlage spiegelt auch die Idee wider, dass die Banken sich stärker mit Eigenkapital und mit weniger Fremdkapital finanzieren sollen. Prof. Anat Admati und Johnson haben zusammen mit anderen 11 Kollegen einen Brief vorgelegt, indem sie die Attraktivität einer verbindlichen „Leverage Ratio“ für die grossen Banken hervorheben. Die Banken sollen mindestens 10% Eigenkapital im Verhältnis zum Gesamtvermögen aufweisen. Dabei soll ein einfacher Messwert in Bezug auf die Aktiva an den Tag gelegt werden, nicht eine komplizierte „Risikogewichtung“, mit der die Banken nach eigenem Gutdünken spielen können.

Johnson vertritt die Meinung, dass die SAFE-Banking Act das Risiko und die möglichen Kosten für die Steuerzahlen begrenzen und die Grösse der Banken in Bezug auf die Verbindlichkeiten gegenüber der Wirtschaft eindeckeln würde. Dem Gesetzesvorschlag nach dürfte keine Bank-Holdingsgesellschaft über mehr als 1‘300 Mrd. $ Verbindlichkeiten verfügen. Die Massnahme ist moderat und würde laut Johnson die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Banken nicht schmälern.

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