Nach Griechenland und Irland erhält nun auch Portugal ein internationales Hilfspaket. Löst aber das Rettungspaket für Lissabon die Grundprobleme in der Eurozone? Immer häufiger werden jetzt die Strukturen der Währungsunion hinterfragt. Ökonomen sprechen nun mehrfach eine Entwicklung in Richtung politische Union an. Vor diesem Hintergrund befasst sich Martin Wolf in einem lesenswerten Essay („Managing the eurozone’s fragility“) in FT mit der Frage, warum Spanien für Staatsanleihen höhere Zinsen zahlt als Grossbritannien. Die Antwort dieser Frage ist aufschlussreich, bemerkt der Chief Economics Commentator der britischen Wirtschaftszeitung. Die Mitgliedschaft in einer Währungsunion macht ein Land fiskalisch anfällig. Das haftet der Struktur der Währungsunion an: Die Mitglieder sind weder souveräne Staaten noch Komponente einer Föderation. Die grosse Herausforderung für die Eurozone ist, diesen Widerspruch aufzulösen, hält Wolf fest.
In diesem Zusammenhang verweist Wolf auf eine lesenswerte Forschungsarbeit („The Governance of a fragile Eurozone“) von Paul de Grauwe. Der an der Leuven University lehrende Wirtschaftsprofessor analysiert in seinem Paper genau diesen Gegensatz zwischen den aktuellen Positionen von Spanien und Grossbritannien.
Staatsschulden im Verhältnis zum BIP: Spanien vs. Grossbritannien, Graph: Prof. Paul de Grauwe, Leuven University
Die Rendite der spanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren notieren fast zwei Prozentpunkte höher als die der äquivalenten britischen Staatsanleihen: 5,3% vs. 3,5%. Das ist eine grössere Differenz als es erscheinen mag, hebt De Grauwe hervor. Wenn man davon ausgeht, dass die Bank of England (BoE) und die Europäische Zentralbank (EZB) jeweils ihren Inflationszielwert von 2% erreichen, ist die spanische Realrendite doppelt so hoch wie im Vereinigten Königreich.
Erklärt die Haushaltslage der beiden Länder den Kontrast? Nicht offentsichtlich. Spanien wird bis mindestens 2016 eine niedrigere (netto und brutto) Verschuldung im Verhältnis zum BIP haben als Grossbritannien. Spanien wird bis 2013 auch ein niedrigeres Haushaltsdefizit und ein niedrigeres Primärdefizit als Grossbritannien aufweisen.
Es stimmt, dass das britische Haushaltsdefizit von IWF voraussichtlich auf 1,3% des BIP im Jahre 2016 geschätzt wird. Spaniens hingegen auf 4,6%. Und die Differenzen in den Primärdefiziten erklärt 2,9% dieser Lücke, legt Wolf dar. Aber auch das allein kommt nicht aufgrund der fiskalischen Anstrengungen zustande, da Spaniens Wirtschaft zwischen 2011 und 2016 im Durchschnitt mit einer Rate von 1,6% wachsen könnte, während das britische Wachstum im Durchschnitt auf 2,4% prognostiziert wird.
De Grauwe bemerkt, dass die Liquidität der Märkte für die Schuldtitel entscheidend ist. Wenn, sagen wir, ein Land seine Schulden alle sechs Jahre erneuert (roll-over) und ein Haushaltsdefizit von rund 3% des BIP einfährt, braucht es neue Emissionen von rund ein Fünftel des BIP pro Jahr. Wenn aber neue Käufer verschwänden, käme es zu einem „plötzlichen Stopp“ und zu einem Zahlungsverzug (default). Wenn Gläubiger denken, dass die Illiquidität in der Tat ein Risiko ist, dann würden die Zinsen stark zulegen und die Wirtschaft würde zusammenbrechen. Es würde keinen Sinn machen, die Anleihen zu höheren Zinsen zu kaufen. Denn je höher die Zinsen, desto höher ist das Risiko eines Zahlungsverzugs.
Staatsanleihen (10 Jahre) Rendite: Spanien vs. Grossbritannien, Graph: Paul de Grauwe, Leuven University
Paul Krugman bemerkt dazu in seinem Blog, dass er sich wünsche, er hätte das zitierte Paper de Grauwes geschrieben. Ein höheres Lob dazu gibt es also nicht. Wenn alles, was Sie wüssten, die öffentliche Verschuldung und das Haushalts betreffen würde, würden Sie daraus schliessen, dass Spaniens haushaltspolitische Situation besser ist als die von Grossbritannien. In der Realität steht aber Spanien unter schwerem Druck des Marktes, während Grossbritannien nicht, beschreibt Krugman.
Fazit: De Grauwe erklärt also, dass Spanien in Euro-Zwangsjacke feststeckt. Wie Krugman mehrmals darauf hingewiesen hat, hat der Zusammenbruch der Immobilienblase die peripheren EU-Länder vor die Notwendigkeit gestellt, im Vergleich zu Kern-EU zu deflationieren. Das heisst mehrere Jahre der Stagnation plus verschärfte Verschuldungsprobleme. De Grauwe erwähnt zudem wie oben beschrieben ein weiteres Problem: Die Möglichkeit einer Liquiditätskrise für einen Staat, der über keine eigene Währung verfügt. Das ist eine hässliche Szene, verschlimmert durch die Mania des knappen Geldes der EZB, fasst Krugman zusammen.
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