Freitag, 25. Mai 2012

Eine nicht-lustige Moralfabel an Wall Street


Im Gefolge der verheerenden Finanzkrise hat Präsident Obama eine bescheidene und offensichtlich notwendige Regulierung verordnet. Er hat vorgeschlagen, ein paar unerhöhte Steuerschlupflöcher zu schliessen und er hat nahegelegt, dass Mitt Romneys Geschichte des Kaufens und des Verkaufens von Unternehmen, häufig mit Entlassungen von Arbeitnehmern einhergehend, zeige, dass Romney nicht der richtige Mann ist, um Amerikas Wirtschaft zu führen, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Egos and Immorality“) am Freitag in NYTimes.

Wall Street hat mit Jammern und Wutanfällen darauf reagiert, wie vorauszusehen war, schildert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Doch bevor Krugman näher darauf eingeht, will er vorerst eine Fabel als falsch entlarven, welche wir von der Wall Street und ihren verlässlichen Verfechtern öfters hören: eine Erzählung, in welcher der unglaubliche Schaden, den der ausser Kontrolle geratene Finanzsektor der US-Wirtschaft aufgenötigt hat, im Erinnerungsloch heruntergespult wird und die Finanzier stattdessen zu Helden werden, die Amerika gerettet haben.

Es war einmal, erzählt die Fabel, dass Amerika ein Land der faulen Manager und der faulenzenden Arbeitnehmer war. Die Produktivität erlahmte und Amerikas Industrie vor der ausländischen Konkurrenz verblaste.

Dann kamen kantige und störrische Buyout-Könige wie Mitt Romney oder der fiktive Gordon Gekko zu Hilfe, indem sie Finanz- und Arbeitsdisziplin verhängten. Einige Leute hatten keinen Gefallen daran gefunden. Einige haben Geld daran verdient. Das Ergebnis war aber ein grosser wirtschaftlicher Aufschwung, dessen Vorteile zu jedem durchsickerte, beschreibt Krugman.

Es ist klar, warum die Wall Street diese Geschichte mag. Aber nichts davon ist wahr, abgesehen davon, dass Gekkos und Romneys viel Geld machen. Und es gibt echte Fragen, warum die Geschäftemacher und Schlitzohre mit solchen zweifelhaften Ergebnissen so viel Geld verdienten. 

Es ist besonders traurig, zu sehen, wie einige Politiker der Demokratischen Partei mit Verbindungen zu Wall Street, wie z.B. der Bürgermeister von Newark, Cory Booker, sich darin versteigerten, die überraschend fragilen Egos ihrer Freunde pflichtbewusst in Schutz zu nehmen, bedauert der Träger des Wirtschaftsnobelpreises.

Das egozentrische Verhalten Wall Street sei laut Krugman irgendwie lustig gewesen. Während aber dieses Verhalten lustig sein mag, ist es auch zutiefst unmoralisch. Man denke darüber nach, wo wir jetzt Recht haben, im fünften Jahr des wirtschaftlichen Abschwungs, hervorgerufen durch unverantwortliche Banker. 

Die Banker selbst wurden gerettet, aber der Rest des Landes leidet nach wie vor schrecklich, mit Langzeitarbeitslosigkeit so hoch wie seit der Grossen Depression nicht mehr gesehen wurde. Und mitten in diesem nationalen Albtraum scheinen viele Mitglieder der Wirtschaftselite hauptsächlich darum besorgt, wie der Präsident angeblich ihre Gefühle verletzt hat. Das ist nicht lustig. Es ist eine Schande.

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