Freitag, 4. Mai 2012

Warum Wirtschaftsmodelle die Finanzkrise übersahen

Der unmittelbare Verlust an Wohlstand aus dem Platzen der dot-com-Blase war etwa gleich gross wie der Schaden aus der Kernschmelze am Immobilienmarkt. Vielleicht sogar ein bisschen weniger. Aber warum hat der eine Flop mehr wirtschaftlichen Schaden als der andere verursacht?

Ezra Klein beschäftigt sich damit Blog („Why our models missed the financial crisis“)  in seinem in The Washington Post.

Die Differenz ist, bemerkt Peter Orszag in einem interessanten Artikel in Bloomberg, dass die Immobilienkrise in einem höchst verschuldeten (highly leveraged) Finanzsektor stattgefunden hat. Und das sei der Grund, warum alle makroökonomischen Modelle den Schaden, der damit ausgelöst wurde, übersehen haben:

„Die makroökonomischen Modelle, die die Fed verwendet, auch solche, die das CBO an den Tag legt, beinhalten im besten Fall einen sehr rudimentären Finanzmarkt, sodass der Zusammenbruch des Immobilienmarktes so behandet wurde, als ob es sich dabei um das Platzen der „dot-com-Blase 2.0“ handeln würde. Und das gilt auch heute noch, unterstreicht der Diektor des CBO (von Januar 2007 bis November 2008), welches für die Haushaltsplanung in den USA zuständig ist.

Orszag war von Januar 2009 bis Juli 2010 Direktor des Office of Management und Budget im Kabinett des US-Präsidenten Obama.

Man fragt sich wahrscheinlich, warum die Ökonomen die Hebelwirkung (leverage) in den Modellen nicht berücksichtigen, ergänzt Jared Bernstein in  einem Blog dazu. Weil die Finanzmärkte historisch grundsätzlich als „Intermediate Input“ im ökonomischen Prozess betrachtet werden, was dafür sorgt, dass die Ersparnisse zu den produktivsten Quellen zugeteilt werden.

Alan Greenspan ist oben darauf von der Annahme ausgegangen, dass die Hyper-Rationalität die Marktteilnehmer veranlassen würde, sich selbst zu regulieren.

Es gibt laut Bernstein aber einen weiteren Aspekt: wenn eine dot-com-Blase platzt, wischt es sich schnell auf, wegen des Unterschieds zwischen dem Ansatz „mark-to-market“ in einer Blase am Aktienmarkt und dem Ansatz „extend-and-pretend“ (mehr dazu siehe hier) in einer Blase am Immobilienmarkt.

Das heisst, dass ein Aktienkurs von 100$ am Freitag auf 1$ am Montag abpurzeln kann, in Folge einer Blasenplatzung. Die Korrektur von off-Balance Positionen (ausserbilanziell) kann aber eine viel längere Zeit in Anspruch nehmen.


PS:

Marked-to-Market besagt, dass der Preis eines Wertpapiers in einem liquiden Markt festgelegt wird.

Marked-to-Model besagt, dass der Preis eines Wertpapiers anhand eines mathematischen Modells (oft mit fragwürdigen Annahmen) ermittelt wird, also nicht durch den Markt.

1 Kommentar:

Dom hat gesagt…

Gjerstad und Smith beschäftigten sich mit dem gleichen Rätsel. Sie schätzen die Wertvernichtung beim Platzen der Dot-Com-Blase auf 10 Bio. US-Dollar, im Gegensatz zu etwa 3 Bio. US-Dollar beim Platzen der Subprime-Blase. Sie liefern keine befriedigende Antwort darauf, stellen aber einen interessanten historischen Vergleich mit der Großen Depression auf. Das "Exposure" der Banken ist bei Immobilienblasen immer um einiges größer als bei Aktienblasen. Bei Aktienblasen werden Verluste einfach auf die Inhaber übertragen. Bei insolventen Hypothekenschuldnern müssen die Verluste dagegen abgeschrieben werden. Dadurch gerät das gesamte Bankensystem nicht in Schwierigkeiten, außer dass dessen Gewinne für eine Weile geschmälert werden. Es ist nicht auszuschliessen, dass die wahre Ursache der Großen Depression übersehen oder möglicherweise absichtlich von Wirtschaftswissenschaftlern negiert wurde. Das Bankensystem in den USA geriet erst in Schleudern als die Immobilienpreise in den Keller rauschten, nicht nach dem Börsencrash.