Brauchen
die Volkswirtschaften am Rande der Euro-Zone eine reale Abwertung oder nicht? Wolfgang Münchau und Richard Portes vertreten
die Ansicht, dass eine grosse Abwertung für Spanien und andere periphere Länder
nicht nötig sei, weder internal noch auf eine andere
Weise.
Die
Verwerfungen in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit zwischen den
Mitgliedsstaaten der Eurozone sind zwar wichtig, aber kurzfristig zu
ignorieren, schreibt Münchau in einem Artikel („The only way to stop a eurozone bank run“) in FT.
Die
Lücke in Wettbewerbsfähigkeit (siehe dazu mehr hier) sei nicht so gross, wie
manche Schätzungen nahelegen, so Münchau. Deutschland habe der Eurozone mit
einem bereits überbewerten Wechselkurs beigetreten, was das Ausmass der
nachträglichen Anpassung Deutschlands im Vergleich mit anderen Länder
überzeichne.
Wie
lauten aber die Gegenargumente? PS: Bemerkenswert ist, dass Krugman Wolfgang
Münchaus Artikeln in FT sonst i.d.R. zustimmt.
(1) Die
Divergenz zwischen Spanien und dem Durchschnitt des Euroraums ist nicht mal annähernd
so gross wie die Divergenz zwischen Spanien und Deutschland. Aber der
Euro-Durchschnitt umfasst Spanien und andere GIPSI, welche insgesamt rund
1/3 des BIP der Eurozone ausmachen, sodass der Spanien-Euroraum-Unterschied die
tatsächlich erforderliche Anpassung herunterspielt.
BIP-Deflator
in der Eurozone, Graph: Prof. Paul
Krugman
Auch
die Abbildung Lohnstückkosten in der
Eurozone sieht sehr ähnlich aus
(2)
Münchau argumentiert, dass der Wechselkurs, als Deutschland der Eurozone
beitrat, überbewertet war. Deutschland hatte aber damals eine relativ
ausgeglichene Leistungsbilanz. Daher ist es laut Krugman schwer, zu behaupten,
dass es sich dabei um eine wirklich grosse Überbewertung gehandelt hat.
(3)
Die Ungleichgewichte in Bezug auf die Leistungsbilanzen haben sich seit dem
Höchststand am Vorabend der Krise wieder etwas verengt. Aber dies reflektiert im
Wesentlichen eher den depressiven Zustand der peripheren Volkswirtschaften, als
irgendeine wesentliche Verbesserung in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit.
(4)
Schliesslich sind die Messwerte von Wettbewerbsfähigkeit sehr unvollkommen.
Andere Daten erzählen jedoch auch keine andere Geschichte, sodass die von
Krugman oben präsentierte Abbildung die Gültigkeit bewährt.
Fazit: Die Debatte steht im Schatten der
„Doctrine of Immaculate Transfer“.
Wir wissen, dass die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen erst nach der
Schaffung der Gemeinschaftswährung gebildet haben, und zwar mit dem
Kapitalzufluss aus dem Kern in die Peripherie der Eurozone. Um diese
Ungleichgewichte rückgängig zu machen, bedarf es einer grossen realen
Abwertung. Und die Abwertung hat gerade erst begonnen.
(nur für Streber)
Krugman betont mit der doctrin of immaculate transfer einen Denkfehler in der Makroökonomie.
John Williamson hat ursprünglich die Doktrin so beschrieben, dass demnach alles mit
Ausgaben zu tun hat, und die Wechselkurs-Politik dabei keine Rolle spiele. Wenn
z.B. das Land A anfangen würde, zu sparen (*), und das Land B weniger sparen,
also etwas mehr ausgeben würde, würden die dazu zugrundeliegenden
Ungleichgewichte abnehmen oder verschwinden. So lautet der Trugschluss.
Wenn
z.B. die US-Verbraucher ihre Ausgaben um 400 Mrd. $ kürzen, würden dadurch
sagen wir 75% der Ausgaben für die in den USA hergestellten Güter und
Dienstleistungen reduziert. Die Nachfrage nach US-Produktion würde damit um 300
Mrd. $ zurückgehen. Und wenn die chinesischen Verbraucher gleichzeitig weniger
sparen, d.h. ihre Ausgaben etwas steigern, würde ein Teil davon, sagen wir um
15%, auf die US-Güter entfallen. Das bedeutet, dass die Ausgaben für US-Güter
und Dienstleistungen am Schluss netto um 240 Mrd. $ fallen würden. Entsprechend
würde die Nachfrage nach chinesischen Waren und Dienstleistungen steigen.
Wenn
es das Ende der Geschichte ist, würde eine Verlagerung der Ausgaben zu einer
schlechteren Wirtschaftslage in Amerika führen, wobei gleichzeitig in China ein inflationärer Druck entstehen würde.
Um es zurecht zu biegen, müssten amerikanische und chinesische Verbraucher einen
Teil ihrer Ausgaben irgendwie „verschieben“, und zwar in Richtung amerikanische
Güter. Ein Anstieg des Dollar-Wertes der chinesischen Landeswährung, was
chinesische Güter relativ verteuern würde, dürfte z.B. dafür sorgen. Das
heisst, dass die Umverteilung der weltweiten Ausgaben und der
Wechselkursanpassung ergänzend (complement)
sind, nicht ersetzend (substitute),
hält Krugman fest.
Worauf
es ankommt, ist der relative Preis von chinesischen und amerikanischen Gütern,
sodass es einen anderen Weg gibt, dorthin zu gelangen: Inflation in China und
Deflation in Amerika. Das ist aber für beide Seiten unangemessen.
Was
noch schlimmer wäre, wenn China versuchen würde, die Inflation via
Zinserhöhungen zu bekämpfen, während Amerika die Zinsen nicht mehr senken kann,
weil sie bereits auf der Null Grenze sind. Das Ergebnis wäre für die ganze Welt
kontraktiv. Jede Ähnlichkeit dieses Fallbeispiels mit Bezug auf die
gegenwärtige Situation in der Eurozone ist daher verblüffend.
(*):
Ersparnisse sind nicht gegeben. Sie hängen vom Niveau des BIP ab, welches
wiederum durch die Handelsbilanz beeinflusst wird.
Es
gibt Ökonomen, die die Ansicht vertreten, dass eine Aufwertung der chinesischen
Landeswährung die US-Handelsbilanz nicht verbessern würde, weil die
US-Ersparnisse fest seien. Das ist falsch, weil, wenn die USA mehr ausführen und
weniger einführen würden (bei einem gegebenen Niveau von BIP), das BIP zulegen
und damit auch die Ersparnisse steigen würden, weil der private Sektor über
mehr Einkommen verfügen würde. Warum? Weil dadurch sich das
Handelsbilanzdefizit verringern würde.
(S-I
= X-M) Gleichung, Graph: Prof. Paul Krugman
Das
Argument, dass die Wechselkurse in Bezug auf die internationalen
Ungleichgewichte keine Rolle spielen, und das Handelsbilanzdefizit eine
Differenz zwischen Investitionen und Ersparnissen darstellt, ist daher schlicht
falsch.
In
der Gleichung (S-I = X –M) hängen
die beiden Seiten vom Niveau des BIP ab. Das heisst, dass ein höheres BIP mehr
Einfuhren und mehr Ersparnisse bedeutet. Eine US-Dollar-Abwertung (oder eine
Renminbi-Aufwertung) schiebt die (X-M)-Kurve nach rechts oben, was sowohl die
Handelsbilanz als auch das BIP verbessert.
Da
die Preise nach unten starr (sticky)
sind, ist der einfachte Weg, um dorthin zu gelangen, um die internationalen Ungleichgewichte abzubauen, ein niedrigerer
Preis für die Produktion. Das heisst Währungsabwertung.
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