Der
Begriff Bond Vigilantes wurde von Ed Yardeni geprägt. Der Betriebswirt
hat damit den Widerstand der Investoren beschrieben, die in den 1980er Jahren nach
eigenen Angaben das Vertrauen in die Geld- und Fiskalpolitik der Regierung verloren
und sich daher geweigert hatten, Staatsanleihen zu kaufen.
Die
Angst vor dem Haushaltsdefizit ist also hauptsächlich auf die Angst vor einem
Angriff der Bond Vigilantes zurückzuführen. Die Verfechter
der Fiscal Austerity plädieren deswegen
für die Kürzung von Staatsausgaben, um die Anleihemärkte zu beruhigen.
Die
Defizit-Falken befürworten rigorose Sparmassnahmen, weil die Zinsen sonst durch
die Decke schiessen würden. Die niedrigen Kreditkosten in den USA, Japan, Grossbritannien
und in der Schweiz deuten aber heute darauf hin, dass die Investoren am
Anleihemarkt nicht besorgt sind. Ganz im Gegenteil: Die günstigen Kreditkosten
legen nahe, dass der Staat mehr Schulden aufnehmen soll.
Wenn
die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle
steckt, ist nicht einmal die Nullzinsgrenze tief genug, die gesamtwirtschaftlichen
Ausgaben anzukurbeln und die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. In einem
depressiven Umfeld der Wirtschaft gilt es daher, über das Haushaltsdefizit neu
nachzudenken. Denn Schulden sind nicht gleich Schulden. Ist die Wirtschaft in
einer Depression, konkurrieren die Haushaltsdefizite nicht mit dem privaten
Sektor um die Finanzierungsmittel am Markt. Die öffentliche Hand findet einfach
eine Verwendung für die überschüssige Ersparnisse (excess savings) der Privatwirtschaft.
US-Treasury
Bonds (10 Jahre) Rendite (2007-2012), Graph:
FRED Fed St. Louis
Es
ist in diesem Zusammenhang wichtig, zwischen den kurz- und langfristigen Zinsen
zu unterscheiden. Die kurzfristigen Zinsen, die von der Zentralbank festgelegt
werden, liegen in den USA seit 2008 auf nahe Null Prozent. Die Investoren haben
im Allgemeinen ein Interesse daran, einen Zinssatz über einen längeren Zeitraum
festzubinden, damit sie ihre Strategien in Bezug auf die Investitionen in
Zukunft besser planen können.
Niemand
würde gern eine Staatsanleihe mit einer Rendite von nahe Null Prozent kaufen,
wenn die kurzfristigen Zinsen auf der Nullgrenze liegen. Warum? Weil die Zinsen
am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve schnell wieder steigen können. Wer sein
Geld langfristigen binden will, würde daher eine gewisse Kompensation verlangen.
Und diese Abfindung hängt davon ab, wie schnell und um wie viel die
kurzfristigen Zinsen Erwartungen der Investoren zufolge steigen würden. Und das
hängt wiederum von den Aussichten für die wirtschaftliche Erholung ab und
davon, wann die Investoren erwarten, dass die Wirtschaft aus der Liquiditätsfalle
kommt.
Die
Tatsache, dass die Nachfrage nach Staatsanleihen mit guter Bonität nicht
abreisst, zeigt, dass die Investoren zur Zeit nicht mit einer schnellen
Erholung der Wirtschaft rechnen.
Die
Ratingagentur S&P hat 2002 Japans
Kreditwürdigkeit herabgestuft. Dennoch kann sich die japanische Regierung heute
für 10 Jahre zu einem Zinssatz von knapp 1% finanzieren. Das gilt auch für die
USA. Die S&P hat im vergangenen Jahr die Bonität der USA herabgestuft. Der Effekt ist derselbe geblieben. Die USA können
heute am Kapitalmarkt Mittel für weniger als 2% für 10 Jahre aufnehmen.
Eine
depressive Wirtschaft bedeutet niedrige Staatseinnahmen und niedrige Inflation.
Da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zum Erliegen gekommen ist, kann durch
das Deficit Spending die Inflation
nicht angeheizt werden. Wer in diesem Marktumfeld vor Hyperinflation warnt,
führt irre. Die Unternehmen können nicht einfach beschliessen, die Preise für
ihre Waren und Dienstleistungen zu erhöhen, nur weil die Geldmenge stark
angestiegen ist. Ohne erhöhte Nachfrage gibt es keinen Preisdruck. Es kann
daher nicht zu einer Lohn-Preis-Spirale kommen. Denn „no boom, no inflation“, wie Paul
Krugman in seinem Buch „End This Depression Now!“ darlegt.
Während
die Kreditkosten in den USA, Grossbritannien und Japan niedrig bleiben, taugen
die drakonischen Sparmassnahmen an der EU-Peripherie nicht dazu, die
Anleihekosten zu senken. Warum? Weil die EU-Länder nicht über eine eigene
Währung verfügen. Hätte z.B. Spanien seine eigene Währung, würde es aus einem
Mix von Währungsabwertung und Wirtschaftswachstum die reale Schuldenlast abbauen
können.
Die Länder am Rand der EU sind aber heute zu einer sog. „internal devaluation“ (im Euro-Jargon:
Kostenanpassung über Lohnsenkungen) verdammt. Das heisst: Deflation, Stagnation
und eine lang anhaltende Massenarbeitslosigkeit. Wer kann es unter diesen
Umständen z.B. Griechenland verdenken, wenn es seine Schulden nicht vollständig
bedienen will?
Ein
weiterer, erwähnenswerter Aspekt ist, dass Deutschland am Mittwoch auf einer
Auktion Bundesschatzpapiere mit 2 Jahren Laufzeit zinslos
(Nullkupon) verkauft hat. Der Bund konnte sich damit 4,5 Mrd. Euro am
Kapitalmarkt beschaffen. Wer in diesem Marktumfeld vor einer Inflationsgefahr warnt und von einem angeblich fehlenden Vertrauen der Investoren in den Staat
redet, stiftet bewusst Verwirrung oder hat von der Wirtschaft keine Ahnung.
Riskoaufschlag (in den
vergangenen 12 Monaten) zwischen deutschen und japanischen Staatsanleihen mit 30
Jahren Laufzeit, Graph: FT Alphaville (h/t to James Makintosh)
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