Sonntag, 6. Mai 2012

Euro-Zone: Anpassung à la Deutschland


Es ist deutlich geworden: eine der Hauptkräfte, die hinter dem Beharren auf der Austerität (rigorose Sparmassnahmen) als Antwort auf Europas Probleme stehen, ist der Glaube unter vielen deutschen Meinungsmachern, schreibt Paul Krugman in seinem Blog.

Die eigene Erfahrung der deutschen Meinungsmacher in letzten Jahren zeigt den Weg, bemerkt Krugman mit dem Hinweis auf den kürzlich in FT erschienenen Artikel („Hollande’s dangerous dream of exceptionalism“) von Josef Joffe.

Joffe schreibt im genannten Artikel (meine freie Übersetzung), „Warum soll Frankreich dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler nacheifern? Weil er es gewagt hat, seinen eigenen Wählern zu sagen, was weder Hollande noch Sarkozy nicht einmal unter Folter aussprechen würden. Vor neun Jahren hat Schröder sein Land gewarnt: reduziere Sozialleistungen, lockere die Arbeitsmärkte und akzeptiere Selbstverantwortung oder sonst. Schröder hat seine Agenda 2010 umgesetzt. Und siehe da, Deutschland avancierte sich von Null auf 3% Wachstum in den zwei Jahren vor dem Absturz und dann wieder auf 3% zurück.

Wie nützlich ist aber die deutsche Anpassung in den 2000er Jahren heute als ein Vorbild? Die Arbeitslosigkeit ist damals gesunken. Aber wie ist es passiert? Deutschland kam aus der Millennium-Flaute durch einen Schritt in einen riesigen Handelsbilanzüberschuss, was heute nicht für jeden möglich ist, hebt Krugman hervor. Selbst dann, ist es aber nicht die ganze Geschichte.


Deutschland: Lohnstückkosten, Graph: Prof. Paul Krugman

Der Handelsüberschuss war möglich, weil Deutschland einen grossen Rückgang seiner Kosten und Preise im Vergleich zu anderen Euro-Ländern erlebt hat. Dazu liefert Krugman die oben angebrachte Abbildung gestützt auf die OECD-Daten, welche den Verlauf der Lohnstückkosten (unit labor costs) darstellt. Das heisst die Entwicklung der Löhne im Verhältnis zur Entwicklung der Arbeitsproduktivität.

Was aus heutiger Sicht jedoch auffällt, ist, dass Deutschland in der Lage war, diese „interne Abwertung“ (internal devaluation) ohne so etwas wie Deflation zu erreichen, unterstreicht der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Wie war es möglich? Die Antwort ist laut Krugman, dass es an der Peripherie der Euro-Zone eine relativ hohe Inflation gab, wegen der grossen Kapitalströme aus dem Kern der Euro-Zone.

Oder anders ausgedrückt: Deutschland glaubt, dass seine erfolgreiche Anpassung das Ergebnis seiner eigenen Tugend sei, aber in Wahrheit war es erfolgreich, zum Teil wegen eines inflationären Booms im Rest Europas.

Die Deutschen fordern nun, dass die Peripherie seine Errungenschaft von damals nachahmt (und tatsächlich sogar übertrifft, weil die erforderliche Anpassung viel grösser ist), ohne ein vergleichbar günstiges Umfeld. Und sie fordern, dass Spanien und andere Länder tun, was die Deutschen selbst nie getan haben: sich den Weg in Wettbewerbsfähigkeit durch Deflation ebnen.

Mit anderen Worten werden viele Länder heute in der Euro-Zone gezwungen, das zu tun, was Deutschland getan hat: für stagnierende Löhne zu sorgen.

Das ist der Weg in die Katastrope, fasst Krugman als Fazit zusammen.

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