Die
Welt Online berichtet von „geheimen
Zinszielen der EZB“. Die europäischen Währungshüter planen demnach, mit der
Einführung einer Zins-Obergrenze die Spannungen am Markt zu unterbinden.
Ein
ähnlicher Ansatz wurde (1) von Paul de
Grauwe zuletzt im INET Blog längst geschildert und angedeutet. Der
an der London School of Economics
lehrende Wirtschaftsprofessor legt nahe, dass die EZB eine Obergrenze (cap) für die Risikoaufschläge (spreads) für spanische und italienishe
Staatsanleihen ankündigen soll, z.B. um 300 Basispunkte. Eine solche
Ankündigung wäre glaubwürdig, wenn die EZB sich verpflichten würde, ihre volle Feuerkraft
einzusetzen, die unendlich ist, um das Ziel zu erreichen.
Das
Gegenstück einer Obergrenze ist eine Untergrenze (floor) für Anleihepreise. Das heisst, dass die EZB garantiert, dass
die Preise der Staatsanleihen nicht unter einen von ihr festgelegten bestimmten
Wert fallen. Die 300 Basispunkte würden eine Art Strafe für Spanien und Italien
darstellen und den Anreiz liefern, die Staatsverschuldung nicht höher steigen
zu lassen.
Ein
ähnlicher Ansatz wird (2) von der Schweizerischen
Nationalbank (SNB) seit fast einem Jahr erfolgreich angewendet. Die SNB hat
am 6. September 2011 einen Mindestkurs von 1.20 Franken je Euro festgelegt, um einen (durch Spekulanten am
Devisenmarkt auszulösenden) Kollaps der Wirtschaft zu verhindern. Die Untergrenze wurde nicht eingeführt, um den
Wettbewerb zu verzerren, sondern um in Folge der harschen Austeritätspolitik
der EU enstandenden Verzerrungen zu begegnen.
Ob
die EZB tatsächlich über einen Zinsdeckel für Staatspapiere aus der Peripherie des
Euro-Raums nachdenke, mag dahin gestellt sein. Aber was bekannt ist, dass die
EZB sich weigert, die Rolle des lender of
last resort zu übernehmen, weil sie u.a. Moral-Hazard-Problematik befürchtet. Die EZB legt zudem einen noch
grösseren Wert darauf, die Qualität der eigenen Bilanz zu schützen. Die EZB will
nämlich kein negatives Eigenkapital in Kauf nehmen.
Kann
aber eine Zentralbank durch ein negatives Eigenkapital ihre Handlungsfähigkeit
verlieren? Die Antwort, wie Thomas Jordan,
SNB-Präsident in einem lesenswerten Vortrag liefert, lautet: nein. Eine
Zentralbank ist nicht mit einer Geschäftsbank oder einem Unternehmen
vergleichbar. Die Zentralbanken können nicht illiquid werden. Das hat zur
Folge, wie Jordan beschreibt, dass eine Zentralbank in ihrer Handlungsfähigkeit
nicht eingeschränkt ist, wenn ihr Eigenkapital vorübergehend negativ wird.
Willem Buiter und Ebrahim Rahbari schreiben in einer aktuellen Analyse („Looking
into the Deep Pocket of the ECB“), dass die EZB einen Verlustausgleich in
Höhe von 3‘400 Mrd. Euro absorbieren kann, d.h. mehr als die Grösse der Bilanzsumme der Zentralbank.
Eine
Zentralbank hat aufgrund des Notenmonopols gegenüber normalen Unternehmen einen
Finanzierungsvorteil und kann laut Jordan nach Verlusten langfristig immer
wieder Eigenkapital aufnehmen.
Die EZB würde aufgrund
ihrer autonomen Geldschöpfungsmöglichkeit nicht in einen Liquiditätsengpass
geraten. Da die EZB aber darauf besteht, trotz der dramatischen Krise im
Euro-Raum über ein positives Eigenkapital zu verfügen, gefährdet sie die
Finanzstabilität, wie de Grauwe unterstreicht.
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