Sonntag, 26. August 2012

EZB versus Bundesbank: Ein Hahnenkampf?


Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisiert die Pläne der EZB, ein neues Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen in Angriff zu nehmen, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel (via Reuters) berichtet. Die Einzelheiten eines zweiten Anleihe-Kaufprogramms dürften am 6. September auf der nächsten EZB-Ratssitzung bekanntgegeben werden.

Im Interview fallen u.a. folgende Argumente auf, die zitiert werden:

(a) Notenbankfinanzierung kann wie eine Droge süchtig machen.

(b) Die Unabhängigkeit der Notenbanker wird gefährdet.

(c) Ein Geldsegen der Zentralbanken weckt anhaltende Begehrlichkeiten.

(d) Die Steuerzahler der anderen Länder werden durch den Aufkauf von Staatsanleihen belastet.

(e) In einer Demokratie sollten über eine so umfassende Vergemeinschaftung von Risiken die Parlamente entscheiden und nicht die Zentralbanken.

(f) Es ist keine unmittelbare Inflationsgefahr zu sehen.

Ad (a) Da ich mich mit Drogen und Sucht nicht auskenne, kann ich dazu nicht viel sagen.

Ad (b) Ist es aber nicht die Aufgabe der Zentralbanken, die Märkte zu beruhigen? Der Gründungszweck von meisten Zentralbanken war, für die Finanzstabilität zu sorgen. Von einer „Verknüpfung von Fiskal- und Geldpolitik“ zu reden, ist daher historisch nicht konsistent.

Weigert sich die Zentralbank, die Rolle als lender of last resort wahrzunehmen, wird der Markt für Staatsanleihen in einer Währungsunion anfällig für Liquiditätskrisen. Dadurch steigt das Risiko des Übergreifens auf andere Mitgliedsländer, wie  Paul De Grauwe überzeugend darlegt. Spanien und Italien leiden heute eindeutig unter Ansteckungsgefahr der Krise in Griechenland.

Ad (c) Damit wird die Moral-Hazard Problematik angesprochen. Die betroffenden Ländern könnten von den Bemühungen absehen, Haushaltskonsolidierung anzustreben. In einer Krise müssen Moral Hazard Bedenken auf die Seite gestellt werden, wie Simon Wren-Lewis bemerkt. 

Die Zentralbank stellt die notwendige Liquidität bereit. Die Aufsichtsbehörde kümmert sich um Moral Hazard.  Die Zentralbank übernimmt die Verantwortung als lender of last resort und garantiert die Liquiditätsversorgung. Die Aufsichtsbehörde setzt sich im Rahmen der Regulierung und Überwachung des Banken-Sektors mit Konsequenzen im Hinblick auf Moral Hazard auseinander.

Ad (d) Die deutsche Bundesbank hat in den 1970er Jahren im grossen Stil deutsche Staatsanleihen gekauft, um die langfristigen Zinsen zu senken. Es ist nicht aufrichtig, heute so zu argumentieren, wie wenn ein Anleihekaufprogramm gegen die alte Bundesbank-Tradition verstössen würde.

Ad (e) „Marktkonforme Demokratie“? Warum schenken wir den Märkten so viel Vertrauen und dem Staat so wenig?

Ad (f) Richtig. Die Anleihekäufe der EZB zur Krisenbekämpfung lösen weder kurz- noch langfristig Inflationsgefahr aus. Die Frage, die sich stellt, ist, ob die Geldmenge durch die Anleihekäufe steigen würde und ob ein Anstieg der Geldmenge unmittelbar zu Inflation führen müsste? 

Die Antwort lautet nein, wie die Beispiele aus den USA und der Schweiz zeigen. In der Schweiz ist die Notenbankgeldmenge (monetary base) per Ende Juli im Vergleich zum Vorjahr auf 315,5 Mrd. Franken um 305% gestiegen. Die Teuerungsrate ist negativ. Die Inflation verläuft seit fast einem Jahr im Minus.

Fazit: Bundesbank versus EZB bedeutet in der Praxis anhaltend menschliches Leid in Millionenhöhe: Arbeitslosigkeit.

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