Die
Finanzkrise von 2008 hat deutlich vor Augen geführt, dass das geldpolitische
Instrumentarium nur beschränkt geeignet ist, das systemische Risiko im
Finanzsystem anzugehen. Es bedarf zur mikroprudenziellen Aufsicht der
Regulierungsbehörden eines komplementären Ansatzes.
Die
makroprudenzielle Regulierung wird in diesem Zusammenhang als eine sinnvolle
Möglichkeit angesehen. Das heisst, dass auch systemische und makroökonomische Aspekte in der Regulierung
stärker berücksichtigt werden müssen, um u.a. das prozyklische Verhalten des
Bankensektors zu reduzieren.
Wie
konventionelle Geldpolitik durch die Regulierung des Finanzsektors auf der
Ebene der Makroökonomie ergänzt werden kann, zeigen Lev Ratnovski und Giovanni
Favara in einem lesenswerten Artikel („Macroprudential
policy: Economic rationale and optimal tools“) in voxeu.
Die
Autoren argumentieren, dass die makroprudenzielle Politik durch das Prisma des Marktversagens analysiert werden soll.
Die Absicht der makroprudenziellen Politik ist, das systemische Risiko zu
verringern. Während es schwer ist, eine formale Definition zu finden, wird
systemisches Risiko als „das Risiko der Entwicklungen, die die Stabilität des
Finanzsystems als Ganzes und folglich die breitere Wirtschaft gefährden“
(Bernanke, 2009).
Die
Vorstellung umfasst die Art von finanziellen Ungleichgewichten, die zum
Ausbruch der Krise von 2007-2008 geführt haben, heben die beim IWF tätigen
Wirtschaftswissenschaftler hervor.
Es
ist üblich, zwischen zwei Aspekten des systemischen Risikos zu
unterscheiden.
Der
eine ist die „time-series dimension“:
Es bedeutet die Prozyklizität des Finanzsystems, welche übermässige
Risikobereitschaft in Booms und übermässige Hebelwirkung (leverage) in Bust manifestiert.
Der
andere ist die „cross-sectional
dimension“: Es beschreibt das Risiko einer Ansteckung wegen gleichzeitiger
Schwäche oder des Versagens der Finanzinstitute.
Externalitäten
und makroprudenzielle Politik, Graph: Lev Ratnovski und Giovanni Favara
Doch
ist es laut Autoren unbefriedigend über makroprudenzielle Politik nur in diesen
beiden Dimensionen nachzudenken. Zunächst stellt diese Ansicht per se keine
Rechtfertigung für die regulatorischen Eingriffe dar. Ist es beispielsweise
wirklich wünschenswert, jede Form von Zyklizität zu vermeiden und ein
Null-Risiko der Ansteckung im Finanzsystem zu haben? Zweitens ist es nicht a
priori eindeutig, was die makroprudenzielle Politik erreichen kann, was die
herkömmliche mikroprudenzielle Regulierung nicht kann, argumentieren Ratnovski
und Favara.
Die
Autoren wollen diese Fragen angehen, indem sie artikulieren, dass das Augenmerk einer jeden
makroprudenziellen Regulierung, wie jede Form der Regulierungsmassnahmen, dem Marktversagen gelten muss.
Wichtige
Marktversagen, die systemisches Risiko schaffen, sind das Risiko von
Externalitäten zwischen Finanzinstitutionen und zwischen dem Finanzsektor und
der Realwirtschaft.
Solche
Externalitäten werden angetrieben durch (1)
strategic complementarities: die
strategische Interaktionen der Finanzinstitute, die das Entstehen von
Schwachstellen während der expansiven Phase eines finanziellen Zykluses
ermöglichen. (2) fire sales: der allgemeine Ausverkauf
von finanziellen Vermögenswerten verursacht einen Rückgang der Preise und ein
Verschlechterung der Bilanzen der Finanzvermittler und (3) interconnectedness: das
Risiko einer Ansteckung verursacht durch die Ausbreitung von Erschütterungen
der systemischen Finanzinstitutionen oder durch finanzielle Netzwerke.
Die
Notwendigkeit, diese Marktversagen zu korrigieren, liefert eine deutliche
wirtschaftliche Rechtfertigung für die Begründng von makroprudenzieller Politik,
unterstreichen die Autoren. Die Betonung auf Marktversagen, was aus der
Interaktion zwischen Finanzinstituten entsteht, hilft auch, klarzustellen,
warum mikroprudenzielle Regulierung nicht ausreicht, um systemische Risiken zu
unterbinden.
Ein
wichtiges Ergebnis der Analyse ist, dass jede der Externalitäten durch mehrere
Instrumente der Politik korrigiert werden kann.
Ein
zweites Ergebnis ist, eine logische Folge, dass, da die alternative Politik
öfters komplementär gilt, es keinen „Königsweg“ im Hinblick auf das Instrument
gibt. Jedes Instrument hat verschiedene Vor- und Nachteile. Daher dürfte eine
Kombination eine bessere Lösung für das Problem bereitstellen.
Das
dritte Ergebnis ist, dass die höhere Eigenkapitalanforderungen (surcharges) , mehr als alle anderen
Instrumente, im Umgang mit den Externalitäten wirksam werden können, weshalb
sie mit mikroprudenzieller Regulierung im Rahmen von Basel III eng verknüpft werden. Die anderen Instrumente können,
falls Kapitalanforderungen weniger wirksam erscheinen, als komplementär
angesehen werden.
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