Montag, 6. August 2012

Was heisst Macroprudential Policy?


Die Finanzkrise von 2008 hat deutlich vor Augen geführt, dass das geldpolitische Instrumentarium nur beschränkt geeignet ist, das systemische Risiko im Finanzsystem anzugehen. Es bedarf zur mikroprudenziellen Aufsicht der Regulierungsbehörden eines komplementären Ansatzes.

Die makroprudenzielle Regulierung wird in diesem Zusammenhang als eine sinnvolle Möglichkeit angesehen. Das heisst, dass auch systemische  und makroökonomische Aspekte in der Regulierung stärker berücksichtigt werden müssen, um u.a. das prozyklische Verhalten des Bankensektors zu reduzieren.
Wie konventionelle Geldpolitik durch die Regulierung des Finanzsektors auf der Ebene der Makroökonomie ergänzt werden kann, zeigen Lev Ratnovski und Giovanni Favara in einem lesenswerten Artikel („Macroprudential policy: Economic rationale and optimal tools“) in voxeu.

Die Autoren argumentieren, dass die makroprudenzielle Politik durch das Prisma des Marktversagens analysiert werden soll. Die Absicht der makroprudenziellen Politik ist, das systemische Risiko zu verringern. Während es schwer ist, eine formale Definition zu finden, wird systemisches Risiko als „das Risiko der Entwicklungen, die die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes und folglich die breitere Wirtschaft gefährden“ (Bernanke, 2009).

Die Vorstellung umfasst die Art von finanziellen Ungleichgewichten, die zum Ausbruch der Krise von 2007-2008 geführt haben, heben die beim IWF tätigen Wirtschaftswissenschaftler hervor.

Es ist üblich, zwischen zwei Aspekten des systemischen Risikos zu unterscheiden. 

Der eine ist die „time-series dimension“: Es bedeutet die Prozyklizität des Finanzsystems, welche übermässige Risikobereitschaft in Booms und übermässige Hebelwirkung (leverage) in Bust manifestiert.

Der andere ist die „cross-sectional dimension“: Es beschreibt das Risiko einer Ansteckung wegen gleichzeitiger Schwäche oder des Versagens der Finanzinstitute.


Externalitäten und makroprudenzielle Politik, Graph: Lev Ratnovski und Giovanni Favara

Doch ist es laut Autoren unbefriedigend über makroprudenzielle Politik nur in diesen beiden Dimensionen nachzudenken. Zunächst stellt diese Ansicht per se keine Rechtfertigung für die regulatorischen Eingriffe dar. Ist es beispielsweise wirklich wünschenswert, jede Form von Zyklizität zu vermeiden und ein Null-Risiko der Ansteckung im Finanzsystem zu haben? Zweitens ist es nicht a priori eindeutig, was die makroprudenzielle Politik erreichen kann, was die herkömmliche mikroprudenzielle Regulierung nicht kann, argumentieren Ratnovski und Favara.

Die Autoren wollen diese Fragen angehen, indem sie artikulieren, dass das Augenmerk einer jeden makroprudenziellen Regulierung, wie jede Form der Regulierungsmassnahmen, dem Marktversagen gelten muss.

Wichtige Marktversagen, die systemisches Risiko schaffen, sind das Risiko von Externalitäten zwischen Finanzinstitutionen und zwischen dem Finanzsektor und der Realwirtschaft.

Solche Externalitäten werden angetrieben durch (1) strategic complementarities: die strategische Interaktionen der Finanzinstitute, die das Entstehen von Schwachstellen während der expansiven Phase eines finanziellen Zykluses ermöglichen. (2) fire sales: der allgemeine Ausverkauf von finanziellen Vermögenswerten verursacht einen Rückgang der Preise und ein Verschlechterung der Bilanzen der Finanzvermittler und (3) interconnectedness: das Risiko einer Ansteckung verursacht durch die Ausbreitung von Erschütterungen der systemischen Finanzinstitutionen oder durch finanzielle Netzwerke.

Die Notwendigkeit, diese Marktversagen zu korrigieren, liefert eine deutliche wirtschaftliche Rechtfertigung für die Begründng von makroprudenzieller Politik, unterstreichen die Autoren. Die Betonung auf Marktversagen, was aus der Interaktion zwischen Finanzinstituten entsteht, hilft auch, klarzustellen, warum mikroprudenzielle Regulierung nicht ausreicht, um systemische Risiken zu unterbinden.

Ein wichtiges Ergebnis der Analyse ist, dass jede der Externalitäten durch mehrere Instrumente der Politik korrigiert werden kann.

Ein zweites Ergebnis ist, eine logische Folge, dass, da die alternative Politik öfters komplementär gilt, es keinen „Königsweg“ im Hinblick auf das Instrument gibt. Jedes Instrument hat verschiedene Vor- und Nachteile. Daher dürfte eine Kombination eine bessere Lösung für das Problem bereitstellen.

Das dritte Ergebnis ist, dass die höhere Eigenkapitalanforderungen (surcharges) , mehr als alle anderen Instrumente, im Umgang mit den Externalitäten wirksam werden können, weshalb sie mit mikroprudenzieller Regulierung im Rahmen von Basel III eng verknüpft werden. Die anderen Instrumente können, falls Kapitalanforderungen weniger wirksam erscheinen, als komplementär angesehen werden.

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