Donnerstag, 30. August 2012

Wenn Zinssätze negativ werden


Die Erholung der Wirtschaft kommt niicht vom Fleck. Es gibt Stimmen, die danach rufen, dass die Fed die Zinsen unter Null senken soll, um mehr Stimulus zu gewährleisten. Eine Möglichkeit, kurzfristige Zinsen negativ zu gestalten, ist, den sog. IOER-Satz unter Null zu senken. Das heisst, dass die Banken für die Guthaben, die sie bei der US-Notenbank unterhalten, eine Art Gebühr zahlen müssten, wie die Zentralbank Dänemark es handhabt.

Kenneth Garbade und Jamie McAndrews befassen sich in einem lesenswerten Artikel ("If Interest Rates Go Negative ...Or, Be Careful What You WIsh For") mit einigen der möglichen Folgen, ohne allerdings dafür oder dagegen zu plädieren.

Die Autoren, Federal Reserve Bank of New York legen nahe, dass deutlich negative Zinssätze (d.h. unter 50 Basispunkten) eine Vielzahl von Finanzinnovationen auslösen würden, wie z.B. Spezial-Zweck-Banken (special-purpose banks) und die Verwendung von zertifizierten Bankchecks (certified bank checks) in grossen Transaktionen. Aber auch neue Präferenzen wie z.B., dass Marktteilnehmer Anreize hätten, Zahlungen (Ausgänge) schneller zu leisten und Zahlungen (Eingänge) langsamer zu beziehen.

Solche Entwicklungen dürften in einer freien Marktwirtschaft für Finanzdienstleister und Regulierungsbehörden neue Probleme hervorrufen, wenn die Produkte und Dienstleistungen nicht in der beabsichtigten Art und Weise verwendet würden, wie z.B. Entstehung von neuen Arten des systemischen Risikos.

Die übliche Gegenerwiderung für negative Zinsen ist, dass negative Zinssätze nicht möglich sind. Marktteilnehmer würden es einfach vorziehen, Cash zu halten. Aber Cash ist nicht eine realistische Alternative für Unternehmen und die Regierung und lokale Behörden oder für wohlhabende Bürger. Cash bedarf (a) grosser Räumlichkeiten. Die grösste Denomination, die heute verfügbar ist, 100$ Schein. 1 Mio. $ bedeutet 10‘000 Dollar-Scheine (in 100$ Noten). (b) der Transport ist kostspielig. Und (c) es gibt Sicherheitsprobleme. Schliesslich müsste das US-Schatzamt (Department Bureau of Engraving and Printing) (d) Haufen neue Noten drucken.

Wenn die Zinsen negativ wären, käme es zu Finanzinnovationen, die Bargeld in bequemeren Formen emulieren würden. Eine Spezial-Zweck-Bank (special-purpose bank) würde herkömmliche Girokonten (gegen Gebühr) bieten und sich verpflichten ausser Bargeld keine Vermögenswerte (assets) zu halten, wobei die Bank Bargeld in einem sehr grossen Tresor stilllegen müsste.

Eine Vielzahl von Strategien würden sich entwickeln, um Zinsen aus dem Weg zu gehen, was z.B. den Zahlungsverkehr betrifft, sowohl Einnahmen als auch Ausgaben. Ein Kreditkarteninhaber würde lieber im Voraus einen grossen Vorschuss leisten und dann die Summe nach und nach abbauen. Das heisst, dass sich der ganze Prozess umkehren würde. Nicht mehr wie bisher zuerst einkaufen und dann einzahlen, sondern zuerst einzahlen und dann einkaufen.

Jemand, der einen Scheck von der Bundesregierung bekommt, oder von einem anderen kreditwürdigen Unternehmen, würde den Scheck in eine Schublade legen, anstatt auf sein Konto bei der Bank einzuzahlen, wo keine Verzinsung erfolgt. Er würde sogar seine Guthaben bei der Bank in Form eines garantierten Schecks (certified check) auszahlen lassen und in die Schublade neben den anderen Scheck legen.

Die von einer Bank garantierten Schecks sind Verbindlichkeiten der Bank, nicht die der Einleger, und sie könnten zu einem beliebten Zahlungsmittel werden, aber auch einem attraktiven Wertaufbewahrungsmittel. Geschäftsbanken würden sich einem Wandel ihrer Verbindlichkeiten von Einlagen (wofür sie Zinsen berechnen) zu bestätigen Schecks (wo die Bewertung der Zinsen schwieriger wird) ausgesetzt sehen. Wenn Bankverbindlichkeiten sich von Einlagen zu bestätigten Schecks verwandeln, wären die Banken weniger bereit, das Kreditgeschäft auszubauen, weil die garantierten Schecks weniger stabil sein dürften als die Einlagen als Finanzierungsquelle.

Fazit: Wenn die Zinssätze negativ werden, gäbe es einen epochalen Ausbruch von sozial unproduktiven (auch wenn aus der Sicht des Einzelnen vorteilhaften) Finanzinnovationen, fassen die Autoren zusammen. Die Produkte und Services der Finanzdienstleister würden wahrscheinlich nicht in der bereits vorweggenommenen Art und Weise verwendet. Und die Regulierungsbehörden müssten sich dann der neuen Art von Risiken annehmen, die von Marktteilnehmern bisher nicht wahrgenommen werden.

PS:

Vor diesem Hintergrund gilt es, dem Auftreten von Facebook im Banken-Sektor mit dem „Facebook Credit-System“, welches durch eine echte Währung ersetzt werden soll, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Facebook soll im vergangenen Jahr mit der virtuellen Währung 550 Mio. $ verdient haben, wie  Dirk Elsner in der deutschen Ausgabe des WSJ beschreibt. Ob der Einsatz der hauseigenen Währung von Facebook für reale Güter tatsächlich soziale Vorteile schafft, mag aber dahin gestellt sein.

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