Es
wäre wesentlich einfacher, die Euro-Krise anzupacken, wenn die EZB endlich
anfangen würde, wie eine Zentralbank zu agieren. Dazu gehört sicherlich die
Wahrnehmung der Funktion als „lender of last resort“. Die EZB müsste jedoch in diesem Zusammenhang den Anspruch
auf Vorrangstellung (seniority), die
im Fall eines Zahlungsausfalls (default)
in einem der von der Krise geplagten Länder zur Geltung kommt, aufgeben.
Indem
die EZB auf den bervorzugten Gläubigerstatus beharrt, erschwert sie die Situation
für die privaten Gläubiger, Staatsanleihen aus der Peripherie zu kaufen oder zu
halten, wie Paul de Grauwe längst in
einem lesenswerten Artikel in INET Blog geschildert hat. Behält die
EZB den Anspruch auf Vorrangstellung als Gläubiger mit senior tranche bei, bedeutet es, dass die privaten Gläubiger ein
höheres Risiko tragen müssen. Kein Wunder, dass die Gläubiger mit junior tranche höhere Risikoprämien
(bzw. Rendite) verlangen.
Zur
Erinnerung: Im Fall der Umschuldung von Griechenland
war es so, dass die privaten Gläubiger auf mehr als 50% ihrer Forderungen
(gemessen am Nominalwert der Anleihen) verzichten mussten, während die EZB
ihren Bestand an Anleihen (ca. 50 Mrd. Euro) zum gleichen Nennwert in neue
Staatsanleihen hat tauschen dürfen.
Jörg Asmussen, Mitglied des EZB-Direktoriums hat
kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau angekündigt, dass die EZB „im neuen Ankaufsprogramm dieses
Problem lösen will, dass private Investoren meinen, die EZB habe einen
bevorzugten Gläubigerstatuts. Das erschwert den betroffenen Ländern eine
Rückkehr an den Kapitalmarkt, weil private Investoren ihren Status als unsicher
empfinden und sich vom betroffenen Land abwenden“. Die EZB will ausserdem auch „nur
noch Anleihen mit kurzen Laufzeiten kaufen, weil das der zeitliche Horizont
ist, auf den unsere Geldpolitik abzielt“, erklärt Asmussen.
Senior Tranche und Risikoaufschläge (spreads) von Staatsanleihen der EU-Länder
in Krise, Graph: Prof. Frank Westermann
and Sven Steinkamp in voxeu
Die Abbildung zeigt die Differenz zwischen den Renditen
der Staatsanleihen aus Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien (im
Durchschnitt) und Deutschland mit 10 Jahren Laufzeit.
Die Senior-Tranche
(rechte Skala) umfasst nebst Staatsanleihen auch die Kreditvergabe durch EFSF,
IWF, Target2 Verpflichtungen der EZB.
Anfang August hatte Mario Draghi, EZB-Präsident gesagt, dass die EZB dieses Problem angehen will. Draghi hat allerdings das Ganze als „convertibility
risk“ (d.h. redenomination risk
via FT Alphaville) beschrieben.
Frank Westermann und Sven Steinkamp verweisen in einer in voxeu gestern veröffentlichten
Analyse („What explains high interest
rates in Europe? On creditor seniority and sovereign bond markets“) auf „eine
bemerkenswert robuste Korrelation zwischen senior-tranche
Variablen und Anleihe-Preisen“ (bzw. Risikoaufschlägen).
Rally am kurzen Ende der Ertragskurve (yield curve) für Staatsanleihen aus
Spanien (SPGB), nach der Aussage von Mario Draghi am 26. Juli 2012, dass die
EZB alles unternehmen werde, um den Euro zu erhalten, Graph: Leef H. Dierks, Morgan
Stanley
Das Verständnis von Determinanten der Zins-Spreads und
Preisen von Staatspapieren ist für die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte in
Europa sehr wichtig, heben Westermann (University
Osnabrück) und Steinkamp (University
Osnabrück) hervor.
Einige Forscher argumentieren, dass die hohen
Risikoaufschläge (spreads) in Europa
von begrenzter Rationalität auf den Finanzmärkten und multiplen Gleichgewichten getrieben werden. Ist dies tatsächlich der Fall, wäre
die entsprechende politische Reaktion, mehr Liquidität in die Märkte zu pumpen
und die Aufgaben der Zentralbank zu erweitern, sodass die EZB die Rolle des lender of last resort ausüben kann,
fassen die Autoren als Fazit zusammen.
Korrigenda:
Der
im Teaser-Text stehende Satz, dass „die Autoren politischen
Entscheidungsträgern anraten, zu versichern, dass die Anleihen der privaten
Investoren vor Subordination geschützt sind“ reflektiert nicht die Meinung der
Autoren und wird im Artikel auch nicht gefordert. Es handelt sich dabei um eine
„Interpretation“ der Editoren von voxeu.
Die
Autoren (Frank Westermann und Sven Steinkamp) sind der Ansicht, dass die Aufgabe des Senior Status zu hohen Kosten für
den Steuerzahler führen und verminderten Reformanreizen. Die Autoren
befürworten dieses Vorgehen in keinem Fall.
Die Wiedergabe des im Teaser Text stehenden Satzes wurde daher in diesem Blog gelöscht.
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