Donnerstag, 23. August 2012

Vorrangstellung (seniority) der EZB


Es wäre wesentlich einfacher, die Euro-Krise anzupacken, wenn die EZB endlich anfangen würde, wie eine Zentralbank zu agieren. Dazu gehört sicherlich die Wahrnehmung der Funktion als „lender of last resort“. Die EZB müsste jedoch in diesem Zusammenhang den Anspruch auf Vorrangstellung (seniority), die im Fall eines Zahlungsausfalls (default) in einem der von der Krise geplagten Länder zur Geltung kommt, aufgeben.

Indem die EZB auf den bervorzugten Gläubigerstatus beharrt, erschwert sie die Situation für die privaten Gläubiger, Staatsanleihen aus der Peripherie zu kaufen oder zu halten, wie Paul de Grauwe längst in einem lesenswerten Artikel in INET Blog geschildert hat. Behält die EZB den Anspruch auf Vorrangstellung als Gläubiger mit senior tranche bei, bedeutet es, dass die privaten Gläubiger ein höheres Risiko tragen müssen. Kein Wunder, dass die Gläubiger mit junior tranche höhere Risikoprämien (bzw. Rendite) verlangen.

Zur Erinnerung: Im Fall der Umschuldung von Griechenland war es so, dass die privaten Gläubiger auf mehr als 50% ihrer Forderungen (gemessen am Nominalwert der Anleihen) verzichten mussten, während die EZB ihren Bestand an Anleihen (ca. 50 Mrd. Euro) zum gleichen Nennwert in neue Staatsanleihen hat tauschen dürfen.

Jörg Asmussen, Mitglied des EZB-Direktoriums hat kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau angekündigt, dass die EZB „im neuen Ankaufsprogramm dieses Problem lösen will, dass private Investoren meinen, die EZB habe einen bevorzugten Gläubigerstatuts. Das erschwert den betroffenen Ländern eine Rückkehr an den Kapitalmarkt, weil private Investoren ihren Status als unsicher empfinden und sich vom betroffenen Land abwenden“. Die EZB will ausserdem auch „nur noch Anleihen mit kurzen Laufzeiten kaufen, weil das der zeitliche Horizont ist, auf den unsere Geldpolitik abzielt“, erklärt Asmussen.


Senior Tranche und Risikoaufschläge (spreads) von Staatsanleihen der EU-Länder in Krise, Graph: Prof. Frank Westermann and Sven Steinkamp in voxeu

Die Abbildung zeigt die Differenz zwischen den Renditen der Staatsanleihen aus Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien (im Durchschnitt) und Deutschland mit 10 Jahren Laufzeit.

Die Senior-Tranche (rechte Skala) umfasst nebst Staatsanleihen auch die Kreditvergabe durch EFSF, IWF, Target2 Verpflichtungen der EZB.

Anfang August hatte Mario Draghi, EZB-Präsident gesagt, dass die EZB dieses Problem angehen will. Draghi hat allerdings das Ganze als „convertibility risk“ (d.h. redenomination risk via FT Alphaville) beschrieben.

Frank Westermann und Sven Steinkamp verweisen in einer in voxeu gestern veröffentlichten Analyse („What explains high interest rates in Europe? On creditor seniority and sovereign bond markets“) auf „eine bemerkenswert robuste Korrelation zwischen senior-tranche Variablen und Anleihe-Preisen“ (bzw. Risikoaufschlägen). 



Rally am kurzen Ende der Ertragskurve (yield curve) für Staatsanleihen aus Spanien (SPGB), nach der Aussage von Mario Draghi am 26. Juli 2012, dass die EZB alles unternehmen werde, um den Euro zu erhalten, Graph: Leef H. Dierks, Morgan Stanley

Das Verständnis von Determinanten der Zins-Spreads und Preisen von Staatspapieren ist für die aktuelle wirtschaftspolitische Debatte in Europa sehr wichtig, heben Westermann (University Osnabrück) und Steinkamp (University Osnabrück) hervor.

Einige Forscher argumentieren, dass die hohen Risikoaufschläge (spreads) in Europa von begrenzter Rationalität auf den Finanzmärkten und multiplen Gleichgewichten getrieben werden. Ist dies tatsächlich der Fall, wäre die entsprechende politische Reaktion, mehr Liquidität in die Märkte zu pumpen und die Aufgaben der Zentralbank zu erweitern, sodass die EZB die Rolle des lender of last resort ausüben kann, fassen die Autoren als Fazit zusammen.


Korrigenda:

Der im Teaser-Text stehende Satz, dass „die Autoren politischen Entscheidungsträgern anraten, zu versichern, dass die Anleihen der privaten Investoren vor Subordination geschützt sind“ reflektiert nicht die Meinung der Autoren und wird im Artikel auch nicht gefordert. Es handelt sich dabei um eine „Interpretation“ der Editoren von voxeu.

Die Autoren (Frank Westermann und Sven Steinkamp) sind der Ansicht, dass die Aufgabe des Senior Status zu hohen Kosten für den Steuerzahler führen und verminderten Reformanreizen. Die Autoren befürworten dieses Vorgehen in keinem Fall.

Die Wiedergabe des im Teaser Text stehenden Satzes wurde daher in diesem Blog gelöscht.




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