Mittwoch, 29. August 2012

Wie kann ein Zinssatz negativ sein?


Warum kauft jemand ein Wertpapier für weniger als nichts? Diese Frage stellt sich heute am kurzen Ende der Ertragskurve in einigen europäischen Staaten.

Auch in der Schweiz sind die Renditen am Geldmarkt negativ. Auf den wöchentlichen Versteigerungen der Geldmarkt-Papiere ergibt sich seit einem Jahr negative Renditen. 

Auch gestern hat die schweizerische Finanzverwaltungsbehörde ein Geldmarktpapier mit 3 Monaten Laufzeit (29. Nov 2012) zu einer Rendite von Minus 0,532% verkauft. Auf der Auktion gingen Gebote in Höhe von 2‘852 Mio. Franken ein. Zugeteilt wurden 952,3 Mio. Franken mit einem Einheitspreis von 100,089%. Diese war übrigens die 54. Auktion in Folge mit einem negativen Rendite-Ergebnis.

(1) Es gibt Investoren, die die Mittel routinemässig in risikofreie Papiere anlegen müssen. Wenn es kein alternatives Instrument gibt, welches eine positive reale Rendite bietet, haben passiv verwaltete Fonds keine Wahl, unabhängig vom Preis die Papiere mit negativer Rendite zu kaufen.

(2) Angesichts der anhaltenden Spannungen im Euro-Raum sorgt die Flucht in sichere Anlagen (zunehmende Risikoaversion) teilweise für ein Renditeniveau unter der Null-Marke.

(3) Es gibt viele ausländische Investoren, die aus Gründen der Diversifikation sichere Papiere in Schweizer Franken erwerben.

(4) Es gibt auch einen technischen Aspekt. Die eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) akzeptieren seit dem 18. August 2011 auch Angebot mit einem Preis über 100%, wodurch es nun auch zu negativen Auktionsrenditen kommt.


Schweiz Rendite Geldmarktpapiere, Graph: SIX Swiss Exchange

Über das ganze Jahr 2011 bewegten sich die Renditen der Geldmarktpapiere nach Angaben der SNB zwischen 0,158% und -1,0% (siehe Rechenschaftsbericht 2011).

Wenn Investoren sich gegen fallende Renditen absichern wollen, ohne mit Zahlungsausfall (default) konfrontiert zu werden, haben sie keine Alternative, negative Zinsen in Kauf zu nehmen. Die Investoren rechnen mit weiterhin niedrigen Zinsen in den kommenden Jahren.

Die niedrigen langfristigen realen Zinsen bieten andererseits eine hervorragende Gelegenheit für die öffentliche Hand, Kredit aufzunehmen und die Mittel in Projekte mit positivem Ertrag zu investieren, z.B. in Infrastruktur, Bildung und Forschung.

Die Regierungen sollten heute die Kreditaufnahme erhöhen, um von extrem niedrigen Realzinsen zu profitieren. Wie Keynes sagt, ist der Aufschwung, nicht der Abschwung der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen. Die gegenwärtige Austeritätspolitik ist daher völlig abwegig. In einer Depression Staatsausgaben zu kürzen, ist unverantwortlich.

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