Sowohl
Präsident Obama als auch Mitt Romney, der republikanische Kandidat für das
Weisse Haus wollen die Mittelschicht unterstützen. Und viele Amerikaner
bezeichnen sich selbst als Mittelschicht.
Lane Kenworthy befasst sich in einem lesenswerten
Artikel („Five myths about the middle
class“) in Washington Post damit, wie es um die
Mittelschicht bestellt ist. Es gibt laut dem an der University of Arizona lehrenden Professor für Soziologie und Politikwissenschaften v.a. fünf Mythen:
(1) Die
heutige Mittelschicht-Amerikaner sind schlechter dran als ihre Eltern:
Der
Lebensstandard für die Amerikaner in der breiten Mitte der Einkommen Leiter der
privaten Haushalte mit Einkommen höher als die unteren 20% und niedriger als
die obersten 20% hat in der letzten Generation nicht stagniert oder sich verschlechtert,
sondern verbessert.
86%
der Amerikaner, die in einem Mittelklasse-Haushalt aufgewachsen sind, hatten
(um die Inflation bereinigt) ein höheres Einkommen als ihre Eltern. Dieser
Anteil ist seit Jahren sicherlich gesunken, aber wahrscheinlich nicht viel:
Median-Haushaltseinkommen ist zwischen 2008 und 2010 nur um 1‘500$ gesunken.
(2)
Alles, was die Mittelschicht braucht, ist eine Rückkehr zu einem soliden
Wirtschaftswachstum:
In
den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist die US-Wirschaft schnell
gewachsen und so auch das Einkommen der Mittelschicht-Haushalte. Also, wenn wir
einfach dafür sorgen, dass die Wirtschaft auf einem angemessenen Niveau wächst,
dann wäre der Mittelstand wieder besser dran?
Leider
ist es Wunschdenken. Seit den 1970er Jahren ist die US-Wirtschaft weiterhin
relativ schnell gewachsen.
Doch die Mittelschicht hat einen relativ kleinen
Gewinn an Einkommen gesehen. Zwischen 1979 und 2007 (zwei Höhepunkte im
Konjunkturzyklus) ist das Pro-Kopf-BIP des Landes um 50% gewachsen. Während
derselben Zeit ist das Durchschnittseinkommen der Mittelschicht-Haushalte um
weniger als 30% gestiegen, von 44‘000$ auf 57‘000$. Die reichsten Amerikaner
hatten einen grösseren Anteil am Einkommenszuwachs aus dem Wirtschaftswachstum,
was der Mittelschicht weniger hinterlassen hat.
Das
Lohnniveau der Mittelschicht ist seit den 1970er Jahren kaum vom Fleck gekommen,
wegen einer Flut von Verschiebungen in der Wirtschaft und den wirtschaftlichen
Institutionen, von Globalisierung und technologischen Fortschritten bis zum
Niedergang der Gewerkschaften und der neuen Praxis der Unternehmen, den
Shareholders Value zu steigern.
Der
Zuwachs, der für die Mittelschicht stattgefunden hat, ist zum grössten Teil
darauf zurückzuführen, dass die Haushalte nun einen zweiten Verdiener
hinzugefügt haben.
Eine
Zeitlang wurde das langsame Wachstum im Einkommen teilweise durch den Ausbau
des Wohlstands dank dem Anstieg der Hauspreise ausgeglichen. Der Netto-Wohlstandswert
der Median-Familie ist gemäss Fed von 1989 bis 2007 von 79‘000$ auf fast 127‘000$
geklettert. Aber nach dem Platzen der Spekulationsblase am Immobilienmarkt ist
der ganze Gewinn dahin geschmolzen. 2010 ist der Wohlstand der Median-Familie
bis hin zu 77‘000$ gefallen.
(3)
Wenn Sie einmal in die Mittelschicht aufsteigen, spielt mehr Einkommen keine
Rolle, Sie glücklicher zu machen:
Der
Wirtschaftswissenschaftler Richard Easterlin hat in den 1970er Jahren postuliert, dass Einkommenszuwächse
nur bis zu einem bestimmten Punkt glücklich machen, ab dann sich kein Nutzen
mehr ergibt.
Wenn
aber langsames Einkommenswachstum für die Mittelschicht für unser subjektives
Wohlbefinden von geringer Bedeutung ist, warum sollen wir uns darüber ärgern?
Die
jüngste Forschung stellt jedoch das „Easterlin-Paradox“ in Frage.
Glückseligkeit steigt im Einklang mit dem Einkommenswachstum bis ungefähr 75‘000$.
Darüber hinaus bekommen wird weniger von der Glückseligkeit eines jeden
zustäzlichen Ansprungs, aber die Glückseligkeit steigt weiter an.
(4)
Fast alle Amerikaner denken, dass sie der Mittelschicht angehören:
Fragt
man Amerikaner, welcher Schicht sie angehören, antworten sie meistens: Mittelschicht.
Fragt man sie, zwischen der oberen, mittleren und unteren Schicht zu wählen,
sagen sie zu 45% Mittelschicht, wie eine Umfrage von General Social Survey ergeben hat.
Noch
auffälliger ist, dass diese Muster sich seit den 1970er Jahren nicht verändert
hat, vielleicht wegen des trägen Einkommenswachstums gegenüber der letzten
Generation.
(5)
Auf lange Sicht ist der Rückgang des Lebensstandards der Mittelschicht unvermeidlich:
Es
gibt Gründe für Sorge. Es ist möglich, dass die Mittelschicht Löhne weiter
stagnieren. Aber es gibt auch Grund zur Hoffnung. Technologische Fortschritte
und Globalisierung werden weiterhin neue Güter und Dienstleistungen und tiefere
Preise bringen und einige Arbeitsplätze schaffen und andere vernichten. Aber
stagnierende Löhne und Jobwachstum sind nicht vorherbestimmt.
Die
beste Möglichkeit, auf lange Sicht die Beschäftigung zu erhöhen, ist mehr und
bessere Bildung. Darüber hinaus sind neue Wege zu erforschen, wie die
öffentliche Politik das stagnierende und langsame Wachstum des Einkommens
kompensieren kann, z.B. durch die Erweiterung und Indexierung des „Earned Income Tax Credit“ (EITC), d.h. „Arbeitseinkommensteuergutschrift“
für die Mittelschicht (siehe Lohnsubvention).
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