Mittwoch, 8. August 2012

Banking verlagert sich ins Repo-System


Der europäische Repo-Markt ist in den sechs Monaten bis Ende Juni dieses Jahres um rund 14,2% geschrumpft. Wie die European Repo Council of the International Capital Market Association (ICMA) meldet, belief sich der Gesamtwert der ausstehenden Repo-Kontrakte, mit denen Banken ihre Wertpapiere als Sicherheit (collateral) für kurzfristige Kredite von Geldmarktfonds oder anderen Investoren verpfänden, auf 5‘647 Mrd. Euro im Juni.

Die Banken in der Eurozone haben im Dezember und dann im Februar insgesamt mehr als 1‘000 Mrd. Euro von der EZB via LTRO aufgenommen. Die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (LTRO1 und LTRO2) der EZB hatten inzwischen die Abhängigkeit der Banken von der Finanzierung am Repo-Markt etwas verringert. Die Sorge war jedoch, dass es, wenn die Banken dem Repo-Markt auf lange Sicht fernbleiben, schwierig wäre, sich der Refinanzierung via EZB zu entwöhnen.

Die Schrumpfung des Marktes, welcher als Finanzierungsquelle für Banken in Europa gilt, unterstreicht, wie die Finanzinstitute im Euro-Raum von der Förderung durch die EZB abhängig werden.

Aber auch der Tri-Party Repo-Markt ist etwas geschrumpft. Was hier auffällt, ist, dass der Anteil der französischen Staatsanleihen, die als Sicherheit hinterlegt werden, von 4,8% auf 7,1% gestiegen ist. Der Anteil der deutschen Staatsanleihen, die im Tri-Party Repo-Handel als Sicherheit verpfändet werden, ist von 8,4% auf 10,8% gestiegen. Die Zusammensetzung der Sicherheiten im Tri-Party Repo Handel gilt als einen sensiblen Indikator für die Risikobereitschaft. Die neuesten Entwicklungen deuten auf eine erhöhte Risikoaversion hin.

Kurzum findet derzeit eine Verlagerung aus einem System der unbesicherten Kreditvergabe im Interbankenmarkt zu einem System der besicherten Kreditvergabe statt. Die Frage ist, ob es gut ist oder nicht?

Gillian Tett hält es für gut, wie sie in einem Artikel („Cyber finance takes its collateral thinking test“) in FT zum Ausdruck bringt: „eine stärkere Konzentration und Vertrauen auf die Repo-Märkte ist eine gute Sache auf lange Sicht“. Ein Finanzsystem, wo die Transaktionen mit Vermögenswerten gesichert sind, sind wahrscheinlich gesünder als ein solches ohne Besicherung, insbesondere, wenn diese Sicherheiten (collateral) auf einer regelmässigen und disziplinierten Basis bewertet werden, fügt die Kolumnistin der britischen Wirtschaftszeitung hinzu.

Felix Salmon hingegen betrachtet Repos als „informationell-unempfindliche Vermögenswerte“, die den paradoxen und letztlich destruktiven Wunsch der Menschen mit Geld verkörpern, die das Geld verleihen wollen, aber ohne dabie Kreditrisiko tragen zu müssen. Er bezeichnet die Repos als „eine schlechte Idee im Allgemeinen“ in einem lesenswerten Artikel (“The danger of repo”) in seinem Blog, weil sie Selbstgefälligkeit und Tail Risk beinhalten. Repos sind aber laut Salmon auch im Besonderen eine schlechte Gattung, weil sie einen direkten Ersatz für den altmodischen ungesicherten Kredit darstellen.

Die Situation ist zur Zeit so, dass die Banken aneinander nicht mehr vertrauen und auf alle Anfragen in Sachen Kredit im Interbankenmarkt mit „nein“ antworten. Die einzige Möglichkeit für die Banken ist, um aneinander Kredit zu verleihen, durch eine zentrale Gegenpartei zu gehen oder sich an den Repo-Markt zu wenden, wo nur die Qualität der Sicherheit zählt. Tett spricht in diesem Zusammenhang von „collateral arbitrage“, die nun ein Profit-Center für die Banken bedeutet.

Und in Zeiten von Krisen macht die Abhängigkeit vom Repo-Markt alle Banken unglaublich zerbrechlich und erhöht das Risiko für die Steuerzahler, falls eine Bank scheitern sollte, wie Salmon hervorhebt. Es war einmal, als die Banken Eigenkapital, Fremdkapital und Kundeneinlagen hatten. Ist eine Bank gescheitert, wurde zuerst das Eigenkapital der Bank ausgemerzt und dann das Fremdkapital. Die Einlagen waren senior (vorrangige Gläubiger) das heisst, dass die Chancen relativ gering waren, dass die FDIC (US-Einlagensicherungsbehörde) sie retten (bail out) würde.

Nun ist es jedoch so, dass das Fremdkapital schrumpft und durch Repo ersetzt wird. Im Ergebnis würde zuerst das Eigenkapital der Bank, falls sie scheitert, ausgemerzt und dann gibt es aber keinen Puffer mehr, bevor die Einleger beginnen, Geld zu verlieren und gerettet werden müssten. Der Rest der Welt ist nun senior im Vergleich zu Einlegern, legt Felix dar. Sie haben Repo Sicherheiten, welche sie zu erstrangig besicherten Gläubigern (secured creditors) macht und besicherte Gläubiger sind im Hinblick auf unbesicherte Gläubiger (unsecured creditors) in einer senior Position, auch wenn es sich bei unbesicherten Gläubigern um einfache Familien als Bankkunden handelt.

Ich stimme Felix Salmon zu. Gillian Tetts Argument leuchtet mir nicht ein.

PS: Was heisst Repo?

Repo = Repurchase Agreement. Hier ist eine Erklärung:

Ich möchte für einen Monat 80$ leihen, d.h. einen Kredit aufnehmen. Ich habe eine Uhr im Wert von 100$. Ich gehe zum Pfandhaus, gebe meine Uhr als Sicherheit ab und nehme 80$ Kredit auf. Ich verspreche gleichzeitig, 80$ mit Zinsen im nächsten Monat zurückzuzahlen. Und das Pfandhaus bzw. Pfandleiher verspricht, mir meine Uhr zurückzugeben.

Das ist repo, d.h. „sale and repurchase agreement“. Es ist so, wie wenn ich meine Uhr für 80$ verkauft hätte, und das Pfandhaus mir versprochen hätte, mir meine Uhr später zurückzuverkaufen und ich ihm versprochen hätte, ihm die Uhr im nächsten Monat mit Zinsen zurückzukaufen, zu 80$ wie vereinbart. Wenn ich einen Kredit in Höhe von 80$ aufnehme, indem ich meine Uhr, die 100$ wert ist, als Sicherheit hinterlege, bedeutet dies ein Abschlag von 20% (haircut).

Fazit: Warum gibt es aber Repo? Die Frage ist, wie Nick Rowe in einem ausgezeichneten Artikel in seinem Blog beschreibt, nicht, warum Kreditgeber für Darlehen, die sie gewähren, Sicherheit (collateral) verlangen, sondern warum verkaufe ich meine Uhr nicht, anstatt sie für Darlehen zu verpfänden? Warum warte ich bis zum nächsten Monat, bevor ich entscheide, ob ich die Uhr zurückkaufe oder nicht?

PPS: TED-Spread ist der Aufschlag für unbesicherte Kredite und der Libor-OIS-Spread ist der Aufschlag für besicherte Kredite im Interbankenmarkt (vereinfacht ausgedrückt).

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