Der
europäische Repo-Markt ist in den sechs Monaten bis Ende Juni dieses Jahres um
rund 14,2% geschrumpft. Wie die European
Repo Council of the International Capital Market Association (ICMA) meldet, belief sich der
Gesamtwert der ausstehenden Repo-Kontrakte, mit denen Banken ihre Wertpapiere
als Sicherheit (collateral) für
kurzfristige Kredite von Geldmarktfonds oder anderen Investoren verpfänden, auf
5‘647 Mrd. Euro im Juni.
Die
Banken in der Eurozone haben im Dezember und dann im Februar insgesamt mehr als
1‘000 Mrd. Euro von der EZB via LTRO aufgenommen. Die
langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (LTRO1 und LTRO2) der EZB hatten
inzwischen die Abhängigkeit der Banken von der Finanzierung am Repo-Markt etwas
verringert. Die Sorge war jedoch, dass es, wenn die Banken dem Repo-Markt auf
lange Sicht fernbleiben, schwierig wäre, sich der Refinanzierung via EZB zu
entwöhnen.
Die
Schrumpfung des Marktes, welcher als Finanzierungsquelle für Banken in Europa
gilt, unterstreicht, wie die Finanzinstitute im Euro-Raum von der Förderung
durch die EZB abhängig werden.
Aber
auch der Tri-Party Repo-Markt ist etwas
geschrumpft. Was hier auffällt, ist, dass der Anteil der französischen
Staatsanleihen, die als Sicherheit hinterlegt werden, von 4,8% auf 7,1%
gestiegen ist. Der Anteil der deutschen Staatsanleihen, die im Tri-Party
Repo-Handel als Sicherheit verpfändet werden, ist von 8,4% auf 10,8% gestiegen.
Die Zusammensetzung der
Sicherheiten im Tri-Party Repo Handel gilt als
einen sensiblen Indikator für die Risikobereitschaft. Die neuesten
Entwicklungen deuten auf eine erhöhte Risikoaversion hin.
Kurzum
findet derzeit eine Verlagerung aus einem System der unbesicherten Kreditvergabe
im Interbankenmarkt zu einem System der besicherten Kreditvergabe statt. Die
Frage ist, ob es gut ist oder nicht?
Gillian Tett hält es für gut, wie sie in einem
Artikel („Cyber finance takes its
collateral thinking test“) in FT zum Ausdruck bringt: „eine
stärkere Konzentration und Vertrauen auf die Repo-Märkte ist eine gute Sache
auf lange Sicht“. Ein Finanzsystem, wo die Transaktionen mit Vermögenswerten
gesichert sind, sind wahrscheinlich gesünder als ein solches ohne Besicherung,
insbesondere, wenn diese Sicherheiten (collateral)
auf einer regelmässigen und disziplinierten Basis bewertet werden, fügt die
Kolumnistin der britischen Wirtschaftszeitung hinzu.
Felix Salmon hingegen betrachtet Repos als
„informationell-unempfindliche Vermögenswerte“, die den paradoxen und letztlich
destruktiven Wunsch der Menschen mit Geld verkörpern, die das Geld verleihen
wollen, aber ohne dabie Kreditrisiko tragen zu müssen. Er bezeichnet die Repos
als „eine schlechte Idee im Allgemeinen“ in einem lesenswerten Artikel (“The danger of repo”) in seinem Blog, weil sie
Selbstgefälligkeit und Tail Risk
beinhalten. Repos sind aber laut Salmon auch im Besonderen eine schlechte
Gattung, weil sie einen direkten Ersatz für den altmodischen ungesicherten
Kredit darstellen.
Die
Situation ist zur Zeit so, dass die Banken aneinander nicht mehr vertrauen und
auf alle Anfragen in Sachen Kredit im Interbankenmarkt mit „nein“ antworten.
Die einzige Möglichkeit für die Banken ist, um aneinander Kredit zu verleihen,
durch eine zentrale Gegenpartei zu gehen
oder sich an den Repo-Markt zu wenden, wo nur die Qualität der Sicherheit
zählt. Tett spricht in diesem Zusammenhang von „collateral arbitrage“, die nun ein Profit-Center für die Banken
bedeutet.
Und
in Zeiten von Krisen macht die Abhängigkeit vom Repo-Markt alle Banken
unglaublich zerbrechlich und erhöht das Risiko für die Steuerzahler, falls eine
Bank scheitern sollte, wie Salmon hervorhebt. Es war einmal, als die Banken
Eigenkapital, Fremdkapital und Kundeneinlagen hatten. Ist eine Bank
gescheitert, wurde zuerst das Eigenkapital der Bank ausgemerzt und dann das
Fremdkapital. Die Einlagen waren senior
(vorrangige Gläubiger) das heisst, dass die Chancen relativ gering waren, dass
die FDIC (US-Einlagensicherungsbehörde) sie retten (bail out) würde.
Nun
ist es jedoch so, dass das Fremdkapital schrumpft und durch Repo ersetzt wird. Im
Ergebnis würde zuerst das Eigenkapital der Bank, falls sie scheitert,
ausgemerzt und dann gibt es aber keinen Puffer mehr, bevor die Einleger
beginnen, Geld zu verlieren und gerettet werden müssten. Der Rest der Welt ist
nun senior im Vergleich zu Einlegern,
legt Felix dar. Sie haben Repo Sicherheiten, welche sie zu erstrangig
besicherten Gläubigern (secured creditors)
macht und besicherte Gläubiger sind im Hinblick auf unbesicherte Gläubiger (unsecured creditors) in einer senior Position, auch wenn es sich bei
unbesicherten Gläubigern um einfache Familien als Bankkunden handelt.
Ich
stimme Felix Salmon zu. Gillian Tetts Argument leuchtet mir nicht ein.
PS: Was heisst Repo?
Repo
= Repurchase Agreement. Hier ist eine
Erklärung:
Ich
möchte für einen Monat 80$ leihen, d.h. einen Kredit aufnehmen. Ich habe eine
Uhr im Wert von 100$. Ich gehe zum Pfandhaus, gebe meine Uhr als Sicherheit ab
und nehme 80$ Kredit auf. Ich verspreche gleichzeitig, 80$ mit Zinsen im
nächsten Monat zurückzuzahlen. Und das Pfandhaus bzw. Pfandleiher verspricht,
mir meine Uhr zurückzugeben.
Das ist repo, d.h. „sale and repurchase agreement“. Es ist so, wie wenn ich meine Uhr für 80$ verkauft
hätte, und das Pfandhaus mir versprochen hätte, mir meine Uhr später
zurückzuverkaufen und ich ihm versprochen hätte, ihm die Uhr im nächsten Monat
mit Zinsen zurückzukaufen, zu 80$ wie vereinbart. Wenn ich einen Kredit in Höhe
von 80$ aufnehme, indem ich meine Uhr, die 100$ wert ist, als Sicherheit
hinterlege, bedeutet dies ein Abschlag von 20% (haircut).
Fazit: Warum gibt es aber Repo? Die Frage
ist, wie Nick Rowe in einem ausgezeichneten Artikel in seinem Blog beschreibt, nicht, warum Kreditgeber für Darlehen, die sie
gewähren, Sicherheit (collateral)
verlangen, sondern warum verkaufe ich meine Uhr nicht, anstatt sie für Darlehen
zu verpfänden? Warum warte ich bis zum nächsten Monat, bevor ich entscheide, ob
ich die Uhr zurückkaufe oder nicht?
PPS: TED-Spread ist der Aufschlag für unbesicherte Kredite und der Libor-OIS-Spread
ist der Aufschlag für besicherte Kredite im Interbankenmarkt (vereinfacht ausgedrückt).
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