Samstag, 2. Oktober 2010

Banken nach der Krise: Was dem Eigenhandel folgt

Die anhaltende Finanzkrise hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass die Banken, die als „TBTF“ gelten, vom Staat subventioniert werden. Dank der impliziten Staatsgarantie konnten die Banken billiger Geld aufnehmen, um u.a. auch Eigenhandel („proprietary trading“) zu betreiben. Das sind jene Geschäfte, welche die Banken auf eigene Faust, also nicht im Auftrag eines Kunden, abschliessen. Der Eigenhandel war besonders in den vergangenen zehn Jahren regelrecht explodiert, weil dem Eigenhandel kaum Eigenkapital vorgeschrieben war. Nun sollen durch höhere Eigenkapitalquoten und eine Verschuldungsgrenze (leverage ratio) falsche Anreize im System unterbunden werden. Dafür wurde kürzlich als Basel III bekannte Regelwerk verabschiedet worden. In den USA ist es aber so, dass der Versuch des Senators Carl Levin, für jegliche Form des Eigenhandels ein einfaches Verbot festzuschreiben, von der Wall Street tatkräftig blockiert wurde.


Kapital und Verschuldung (Hebel) eingesetzt von Hedge Fonds und Eigenhandel, Graph: ISLA via FT Alphaville



Levins Gesetzentwurf kam im Senat nie zur Abstimmung. Die endgültige Fassung des Gesetzes schränkt zwar den Eigenhandel ein, aber sie erlaubt Grossbanken so viel wie 3% ihres Kapitals in ihre eigene, interne Hedge Fonds zu investieren. Wie genau die neuen Vorschriften umgesetzt werden, hängt von den Regulierungsbehörden innerhalb der Federal Reserve (US-Notenbank) ab. Es ist aber nicht schwer zu sehen, wie eine 100%ige Hedge Fonds eine Eigenhandels-Gruppe werden dürfte, mit einem anderen Namen, bemerkt Michael Lewis in einem lesenswerten Artikel („The Mystery of Disappearing Proprietary Traders“) in Bloomberg. Das 3%-Schlupfloch kommt für die Grossbanken einer Einladung gleich, um weiterhin zumindest das zu tun, was sie bisher getan haben, argumentiert Lewis. Deshalb ist der Gesetztentwurf von Levin hart bekämpft worden. Der Autor des Bestsellers „The Big Short“ macht in diesem Sinne auf die Nachrichten aufmerksam, wonach Morgan Stanley, JP Morgan und Goldman Sachs alle entweder ihre Eigenhandel-Einheiten schliessen oder ihre Anteile an Hedge Fonds verkaufen, die sie selbst kontrollieren. „Offensichtlich stimmt hier etwas nicht. Warum soll man für etwas kämpfen und gewinnen, um nur fortzufahren, als ob man verloren hätte? Keine der Grossbanken hat bisher eine gute Erklärung für ihr neues, scheinbar verbessertes Verhalten geliefert“, hält Lewis zu Recht fest. Es ist aber nicht schwer, herauszufinden, warum: (1) Die Grossbanken werden grösser und stärker. Die grossen Wall Street Firmen haben eine Epiphanie über ihr Verhältnis zu Gesellschaft als Ganzes erlebt, erläutert Lewis: Sie müssen die Menschen nicht über den Tisch ziehen. Sie wollen Kunden dienen, anstatt sie auszubeuten. Was sie aus dem Eigenhandel-Geschäft verloren haben, werden sie durch neue und mehr vertrauenserweckende Beziehungen zu ihren Kunden kompensiert bekommen. Das Problem ist nur, dass Lewis daran natürlich nicht glaubt. Zu Recht. (2) Die grossen Wall Street-Firmen sehen sich das Eigenhandel-Geschäft wieder an und finden ein sterbendes Geschäft vor. Der Eigenhandel ist daher einfach der Mühe nicht Wert, was uns zu einer dritten Erklärung bringt, betont Lewis. (3) Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan geben den Eigenhandel in der Tat auf. Sie geben ihm nur einen anderen Namen. Die Eigenhandel-Einheiten werden abgebrochen und die Tätigkeiten auf Trading Desks verlagert, die  unmittelbar mit Kunden handeln, was erklärt, warum so wenige Eigenhandel-Händler entlassen werden, so Lewis. Immerhin müssen die Banken nicht ein eigenes Trading-Desk haben, um sich in zwei Tätigkeiten auszuüben, welche jedes Verbot für Eigenhandel versuchen würde, zu verhindern: (I) Das Eingehen von riesigen Trading Risiken, und (II) Das Einnehmen von Gegenpositionen der (dummen) Kundschaft. Als Beispiel ist Goldman Sachs Abacus-Programm zu nennen, welches nicht von Eigenhandel-Desks phantasiert wurde, sondern von „Client Facing Group“, legt Lewis dar. Bemerkenswert ist, „wie unfähig die Aussenwelt ist, herauszufinden, was sich in diesen Orten abspielt. Selbst dann, nachdem wir erfahren haben, dass das, was wir darüber nicht wissen, uns töten kann“, schlussfolgert Lewis.

Die Abbildung zeigt, wie das Kapital und die Hebelwirkung, die von Eigenhandel eingesetzt wurden, nach der Lehman-Pleite abgestürzt sind. Das ist aus Sicht des Securities Lending insofern wichtig, als es möglicherweise für den starken Rückgang der Ausleihe von Wertschriften (auf bestimmte Zeit gegen Erhalt einer Kommission) über dieselbe Zeitperiode verantwortlich ist, wie Izabella Kaminska von FT Alphaville hervorhebt. Selbst das Securities Lending-Geschäft sichert ihre Wetten nicht ab, wohl in Erwartung, dass die Erträge aus dem Eigenhandel-Geschäft jederzeit schnell weider zurückkommen werden. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, festzustellen, wie sich der Trend im Geschäft mit Wertpapierleihe entwickelt. Zum Beispiel ist eine Präferenz in Richtung (a) ETF-Aktien anstelle von traditionell einzelnen Aktienbeständen. Wie Brokers berichten, machen ETFs derzeit einen ungewöhnlich hohen Anteil an Short-Nachfrage aus. Ein weiteres Beispiel ist die Präferenz in Richtung (b) non-cash besicherte Positionen.

Der Eigenhandel wird heute m.a.W.tendenziell über die Asset-Management Seite des Geschäftes wahrgenommen, um die Finanzreform zu  überlisten. Es gibt Banken, die ihre europäische ETF-Plattform ausbauen, welche wahrscheinlich eine Reihe von synthetischen (swap basierte) Geldanlagen (zusätzlich zu den bestehenden direkten Replikationen) erfassen dürften.

Das sind bemerkenswerte Entwicklungen, wenn man sich überlegt, dass Leerverkäufer (Short-Seller) heute anstatt Aktien auszuborgen, gegen Bar-Sicherheiten, zunehmend ETFs entlehnen gegen non-cash collateral (nicht zahlungswirksame Sicherheiten), was je nach Gegenpartei alles von Bonds, Unternehmensanleihen und Aktien erfassen kann. Wenn Besicherung (Verbriefung) und „Überbesicherung (overcollateralisation) als entscheidende Nebenwirkungen der Krise gelten, dann ist es sinnvoll, anzunehmen, dass Besicherung (collateral), Handelsbestand (inventory) und Wertpapierverwahrung (custody) die neuen heissen Bereiche der Banken darstellen dürften, schätzt FT Alphaville ein. Das würde bedeuten, dass sich im Bankwesen trotz „Basel III“ nur die Vergangenheit wiederholen würde.






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