Was will Präsident Obama? Welche Ziele verfolgt seine Regierung? Welche Vision hat sich sein Team auf die Fahnen geschrieben? Es fällt auf, dass sich in der Blogosphäre gegenwärtig etwas Unmut über den derzeiten politischen Kurs der Demokraten verbreitet. „Was ist die grosse Idee?“, fragt Mark Thoma in seinem Blog. Es gibt keine Stimme, welche die Demokraten vertritt, klagt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor. Zumindest keine, die man hört. „Es gibt viele Demokraten, die ihre Stimmen laut erheben. Aber es ist keine „Leadership“ vorhanden, welche diese Stimmen koordiniert und sie in ein harmonisches Ganzes formt, um die breite Basis anzusprechen“, argumentiert Thoma. „Wir haben endlich die Kontrolle über das Schiff. Aber der Kapitän ist ziellos“, beschreibt der einflussreiche Blogger: „Was ist Obamas Vision?“. „Was ist die grosse Idee dahinter, die uns einigen soll?“. „Ohne eine effektive Leadership wird die einheitliche Vision, die die Partie braucht, um erfolgreich zu sein, sich von vielen starken Stimmen nicht entwickeln, um die Richtung zu bestimmen, die der Demokratischen Partei zu fehlen scheint“, so Thoma. „Das Problem ist, dass wir nicht wissen, ob die zentristische, überparteiliche Sichtweise Obama kompromittiert. Obama, wie wir gesehen haban, kann eigentlich eine umgreifende Vision umschliessen“, erläutert Thoma. „Obama scheint aber Angst zu haben, ein Demokrat zu sein, als ob kompromisslos Stehen für eine Idee die Leute verscheuchen würde, anstatt anzuziehen“. Das muss sich ändern“, schlussfolgert Thoma.
Auch Paul Krugman hat vergangene Woche in seinem Blog darauf hingewiesen, dass die Obama Regierung sich weigert, auf den Skandal mit Zwangsvollstreckungen energisch zu reagieren, weil sie zu befürchten scheint, dass damit Druck auf die Banken wachsen würde, was die wirtschaftliche Erholung beeinträchtigen dürfte. Konjunkturstimulierung, Bankenrettung, China, Zwangsvollstreckung: An jedem Punkt gab es Argumente, nicht zu handeln. Die kumulative Wirkung lässt sich aber treiben und es droht eine Katastrophe in den Halbzeitswahlen (mid-term elections). „Die Regierung hat nie eine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen. Und bald wird es keine Gelegenheiten mehr geben, zu verpassen“, fasst der Nobelpreisträger zusammen.
Brad DeLong hatte bereits Ende April 2010 in einem lesenswerten Essay („Obama the Centrist“) in Project Syndicate hervorgehoben, dass es „inzwischen sehr deutlich geworden ist, dass der US-Präsident einzig und allein von einem Ort aus zu regieren wünscht: Mitte“. „Obama versucht zu regieren, indem er Positionen einnimmt, die im Zentrum einer technokratischen guten Regierungsführung stehen – und opfert dabei einige wichtige politische Ziele – in der Hoffnung republikanische Stimmen zu gewinnen und somit sein Engagement für parteiübergreifende Zusammenarbeit unter Beweis zu stellen“, argumentiert der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor. „Verstehen Sie mich nicht falsch“, bemerkt DeLong weiter. „Mein Vorwurf an Obama ist nicht, dass er zu parteiübergreifend ist oder zu sehr die politische Mitte vertritt“...“Ich beklage mich darüber, dass er nicht technokratisch genug ist, dass er der Schimäre der parteiübergreifenden Zusammenarbeit zu sehr nachjagt und dass weite Teile seiner Politik infolgedessen nicht gut funktionieren werden – wenn überhaupt“, schlussfolgert der ehem. Staatssekretär im US-Finanzministerium.
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