Während die Vergütungen an der Wall Street dieses Jahr wieder rekordverdächtige Ausmasse annehmen, entflammt eine neue Debatte über Zwangsvollstreckungen. Die Vorwürfe richten sich nach der fragwürdigen Praxis bei der Kündigung von Immobilienhypotheken. Zahlreiche Banken und Kreditinstitute sollen dabei säumige Schuldner ohne ausreichende Prüfung zur Räumung ihrer Häuser gezwungen haben. Betroffene Bürger klagen, dass viele Verfahren auf Grundlage von falschen Dokumenten durchgesetzt werden. In Boom-Zeiten hatten Banken die Verbraucher mit Lockvogelangeboten zu Tausenden von Hypothekenverträgen verführt. Die verliehenen Hypotheken wurden dann gebündelt, verbrieft und weltweit an Anleger verkauft, abgesegnet mit den besten Bonitätsnoten durch die Ratingagenturen. Es fragt sich, ob unsere Wirtschaft durch jede Art von Rechtsstaatlichkeit regiert wird, bemerkt Paul Krugman in diesem Zusammenhang in seiner lesenswerten Freitagskolumne („Mortgage Morass“) in NYT.
Ein epischer Immobilienkrach und eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit haben zu einer Epidemie von Zahlungsverzügen geführt, mit Millionen von Hausbesitzern, die sich die Hypothekenzahlungen nicht mehr leisten können, beschreibt der Nobelpreisträger. Die Mitarbeiter der Kreditinstitute, die sich jetzt die Hypothekenschuldner vorknöpfen, vollziehen Zwangsvollstreckungen. Sind sie aber dazu berechtigt?, fragt Krugman weiter. Nun zeichnet sich eine schreckliche Wahrheit ab: In vielen Fällen seien keine Dokumentation vorhanden. In der Hektik der Blase, wo die Kreditvergabe öfters von „Fly-by-night“-Unternehmen vorgenommen wurde, versuchten die Unternehmen so viel wie möglich Volumen zu generieren, legt Krugman dar. Die Darlehen, die an Mortgage Trust verkauft worden waren, sind in Scheiben geschnitten und in MBS (mortgage-backed securities; d.h. hypothekenbesicherte Wertpapiere) gebündelt. Die Trusts waren gesetzlich verpflichtet, die Mortgage-Papiere zu halten. Es ist aber nun offensichtlich, dass solche Feinheiten häufig vernachlässigt worden sind, argumentiert Krugman. Und das bedeutet, dass viele der Zwangsvollstreckungen, die jetzt stattfinden, in der Tat illegal sind, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Das ist sehr schlecht. Zum einen, weil es fast sicher ist, dass eine erhebliche Zahl von Kreditnehmern betrogen worden sind. Gebühren wurden verrechnet, die sie nicht schulden. Zahlungsverzug (default) wurde deklariert, den es nicht gab, argumentiert Krugman. Zum anderen, wenn die Trusts nicht nachweisen können, dass die Mortgages sich tatsächlich in ihrem Besitze befinden, welche sie verkauft haben, dann werden die Sponsoren dieser Trusts mit Klagen von Investoren konfrontiert. Investoren, die diese Mortgages gekauft haben, die ja inzwischen nur ein Bruchteil der ursprünglichen Summe wert sind, werden Klage erheben, hält Krugman fest. Wer sind aber diese Sponsoren? Das sind grosse Finanzinstitute, dieselben Institutionen, die im Vorjahr staatlich gerettet worden sind. Das Hypotheken-Chaos droht eine weitere Finanzkrise zu produzieren, bemerkt Krugman. Was ist also zu tun? Die Obama-Regierung bittet die Banken freundlich, sich besser zu verhalten und die Akten in Ordnung zu bringen. Die Exzesse der Boom-Jahre haben einen juristischen Morast erzeugt, wo Eigentumsrechte verworren sind, weil niemand über ordnungsgemässe Dokumente verfügt. Wo keine klaren Eigentumsrechte existieren, ist es die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, fasst Krugman zusammen.
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